Reinfeld. Projekt bei Reinfeld wird zum Jahresende beendet. Dann sollen 250 Masten wieder abgebaut werden. Wer dafür aufkommt, ist noch unklar.

Es soll ein Mobilitätsmodell für die Zukunft sein: Elektro-Lastwagen, die während der Fahrt aufladen, ohne dafür anhalten zu müssen. Möglich machen sollen das Oberleitungen entlang der Autobahnen. Das Konzept haben Bund und Land in den vergangenen fünf Jahren gemeinsam mit Wissenschaftlern mit dem E-Highway auf der A1 zwischen Reinfeld und Lübeck getestet.

Doch zum Jahresende ist damit Schluss. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) stellt die Finanzierung von Unterhalt und Betrieb der fünf Kilometer langen Oberleitungsstrecke am 31. Dezember 2024 ein. Unklar ist, was danach mit den Masten und Leitungen passiert. Eine abschließende Antwort gibt es von den Verantwortlichen bislang nicht.

E-Highway auf der A1 bei Reinfeld: Finanzierung des Rückbaus noch unklar

Wahrscheinlich ist, dass die Anlage nach dem Ende des Projektes wieder verschwindet. Wann und wie der Rückbau erfolgen soll, scheinen die Zuständigen aber selbst noch nicht zu wissen. „Das BMWK geht derzeit davon aus, dass die Infrastruktur nach Beendigung des Feldversuchs zurückgebaut wird“, sagt ein Sprecher auf Abendblatt-Anfrage und verweist auf die Autobahn GmbH des Bundes, in deren Eigentum sich die Infrastruktur befinde.

Das Unternehmen, das den E-Highway auch betreibt, hat nach Angaben einer Sprecherin bislang keine Kenntnis, wie es nach dem Jahresende weitergehen soll. Es liege „weder ein Auftrag noch eine Planung“ für den Rückbau vor, heißt es auf Anfrage.

Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt mit 29,9 Millionen Euro

Unklar bleibt auch, wer die Kosten für den Rückbau trägt. Der Feldversuch wird durch das BMWK gefördert. Dem Sprecher zufolge sind für das Projekt insgesamt 29,9 Millionen Euro vorgesehen. Darin enthalten sind die Kosten für Planung, Bau und Betrieb sowie für die Begleitforschung. Von einem Rückbau ist hingegen keine Rede.

Das Land Schleswig-Holstein als einer der Projektpartner schließt aus, sich an den Kosten für den Abbau zu beteiligen. In Kiel hatte man sich eine Fortführung des Modellversuchs gewünscht. Wissenschaftler und Experten aus Schleswig-Holstein hatten der Bundesregierung vorgeworfen, dem Oberleitungsprojekt vorzeitig den Stecker zu ziehen. 

Schleswig-Holsteins Landesregierung hätte den Feldversuch gern fortgeführt

„Wir halten es nach wie vor für falsch, das Projekt einzustellen“, sagt Verkehrsstaatssekretär Tobias von der Heide (CDU). Als Land der grünen Energie biete sich Schleswig-Holstein geradezu als Musterbeispiel für die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs an. „Wir wollen technologieoffen mögliche klimaschonende Lösungen erproben, aber der Bund schiebt dem ganzen hier einen Riegel vor“, so von der Heide.

„Für den Rückbau ist klar der Bund zuständig. Die Straße gehört der Autobahn GmbH. Wer dabei den Hut aufhat, muss der Bund selbst klären“, sagt der Staatssekretär. Konkretes zu den Rückbauplanungen weiß man in Kiel nicht. Es sei davon auszugehen, dass zunächst die Projektergebnisse abgewartet werden und dann über den Rückbau entschieden werde.

Projektleiter schätzt die Kosten für den Abbau auf eine bis zwei Millionen Euro

Diese Einschätzung teilt auch Jan Bachmann, der den E-Highway für die Fachhochschule Kiel wissenschaftlich begleitet. „Wir gehen davon aus, dass zumindest das Ende des Feldversuches im Dezember abgewartet wird, bevor es eine Entscheidung gibt“, sagt der Projektleiter.

Bachmann selbst hat eine klare Meinung. „Ein Abbau wäre aus unserer Sicht sachlich kaum zu rechtfertigen“, sagt er. Die Kosten dafür schätzt er auf eine bis zwei Millionen Euro, die der Bund tragen müsse. „Im Gegenteil sehen wir aufgrund der positiven Ergebnisse des Feldversuches die Grundlage für eine großmaßstäbliche Anwendung als bereits gegeben an und würden dafür plädieren, eine solche an der A1 zu realisieren.“

Bundeswirtschaftsministerium verteidigt das Aus für den E-Highway

Bachmann könnte sich etwa eine Ausweitung der Oberleitungsstrecke entlang der gesamten Autobahnverbindung zwischen den Häfen Lübeck, Hamburg und Bremen vorstellen. Wünschenswert sei außerdem ein vergleichender Test mit Schnellladesystemen, die bislang noch gar nicht verfügbar seien.

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Das BMWK verteidigt hingegen die Entscheidung, das Projekt zu beenden. „Es handelt sich hier um einen Testbetrieb und eine Forschungsleistung. Da im Rahmen dieser Forschung alle wesentlichen Erkenntnisse erlangt wurden, gibt es auch keine sachlichen Gründe für den Testbetrieb“, heißt es. Eine Aussage bezüglich einer Kostenübernahme für den Rückbau der Anlage gibt es auf Anfrage nicht. Auch hier verweist der Ministeriumssprecher auf die Autobahn GmbH.

Bundesweit gibt es zwei weitere Teststrecken in Hessen und Baden-Württemberg

Der E-Highway auf der A1 ist Anfang 2020 in Betrieb gegangen. Bundesweit gibt es zwei weitere Teststrecken an der Autobahn 4 in Hessen und an der Bundesstraße 462 in Baden-Württemberg. Ziel des Modellversuchs ist es zu testen, wie Schwerlastverkehr in Zukunft CO2-neutral werden kann. Der Güterverkehr wird bis 2030 laut Prognose des Bundesverkehrsministeriums um 38 Prozent gegenüber 2010 zunehmen. Der Verkehrssektor sei für 22 Prozent aller Treibhausgase verantwortlich, davon entfalle ein Drittel auf Lkw.

Reinfeld
Die Post beteiligt sich mit einem vollelektrischen Lkw an dem Modellversuch. © FuE-Zentrum | FuE-Zentrum

Im Fokus des Versuchs stehen die Zuverlässigkeit, Dauerhaltbarkeit und Wartungsintensität der Komponenten, der Energieverbrauch unter unterschiedlichen Bedingungen (Verkehr, Wetter, Beladung des Lkw) sowie die Akzeptanz durch die Transportunternehmen.

Ursprünglich sollte das Projekt auf der A1 bereits Ende 2022 auslaufen

Zwischen der Anschlussstelle Reinfeld und dem Autobahnkreuz Lübeck stehen beidseitig rund 250 Masten mit Oberleitungen. Als Praxispartner ist die Spedition Bode mit drei vom Hersteller Scania geleasten Hybrid-Lastwagen (haben sowohl Elektro- als auch Dieselmotor) unterwegs, die täglich zwischen dem Firmensitz in Reinfeld und dem Lübecker Hafen pendeln. Hinzu kommt ein vollelektrischer Lkw der Deutschen Post.

Ursprünglich sollte der Feldversuch bereits Ende 2022 auslaufen, wurde dann aber um zwei weitere Jahre verlängert. Seit Betriebsbeginn legten die Lkw laut Fachhochschule Kiel bis Ende Juli per automatisch ausfahrbarem Stromabnehmer mit der Oberleitung verbunden mehr als 50.000 Kilometer zurück. Dabei bezogen sie rund 80.000 Kilowattstunden (kWh) Energie.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister zieht positives Zwischenfazit

Ein Zwischenfazit fiel äußerst positiv aus. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) bescheinigte dem E-Highway „enorme Potenziale“. Er sagt: „Perspektivisch kann in der Region ein echtes E-Highway-Netz entstehen, welches die Wirtschaftsstandorte Bremen, Hamburg und Lübeck miteinander verbindet.“