Ahrensburg. Stormarner „Bank-Geheimnisse“: Wirtschaftsminister Bernd Buchholz musste mehr als einmal neu anfangen.
Selbst die Mücken scheinen die Aura des Ministers zu respektieren. Während seinem Interviewpartner beim Gespräch auf einer Bank nicht weit vom vor Feuchtigkeit dampfenden Ahrensburger Auetal die mitschreibende Hand sehenden Auges zerstochen wird, sitzt Bernd Buchholz vollkommen entspannt da und sagt lächelnd: „Die tun mir nichts.“
Selbstgewisse Gelassenheit ist eine Eigenschaft, die rasch auffällt an dem Mann, der eine Vorzeigekarriere hingelegt hat. Gut möglich, dass diese Gelassenheit auch ein Schlüssel für seinen Erfolg ist. Denn es braucht reichlich Selbstvertrauen, um sich immer wieder auf verschiedenste neue Herausforderungen einzulassen und selbst Brüche in der beruflichen Vita als Chance zu begreifen und ein Scheitern als Erfahrung zu nutzen, die einen weiterbringt. „Ich habe x-mal etwas Neues angefangen, ohne dass klar war, wohin das führt.“
Er ließ sich von seiner Partei zum Ministeramt überreden
Seit sieben Wochen ist Bernd Buchholz (55) Schleswig-Holsteins neuer Wirtschaftsminister – ein Amt, an das er vor vier Monaten noch nicht im Entferntesten gedacht hat. Er wollte nach der Bundestagswahl am 24. September auf dem wohl sicheren FDP-Landeslistenplatz zwei in den Bundestag einziehen. Doch dann kam die Landtagswahl am 7. Mai. „Wer hat mit so einem Ergebnis gerechnet?“, fragt Buchholz. Er ließ sich von seiner Partei dazu überreden, auf seinen Wunschtraum, ein mögliches Mandat in seiner Geburtsstadt Berlin, zu verzichten und stattdessen FDP-Wirtschaftsminister in der Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen in Kiel zu werden.
„Urlaub fiel dieses Jahr aus“, sagt Buchholz. „Ich habe noch nie eine Verwaltung geführt, wusste also nicht genau, was auf mich zukommt. Ich hätte im Urlaub keine Ruhe gefunden.“ Entspannt ja, aber nur so lange, wie er sein Tun realistisch einschätzen kann. Am neuen Amt gefällt ihm das breite Spektrum der Aufgaben. Denn er ist nicht nur Wirtschaftsminister, sondern auch für Verkehr, Infrastruktur, Technologie, Breitbandausbau und Tourismus zuständig. Vielfalt im Job mag er, den Reiz des Neuen, die Lerneffekte und Gestaltungsmöglichkeiten, also viel learning by doing mit reichlich Zutrauen in die eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten.
Buchholz ist promovierter Jurist und hat auch Volkswirtschaftslehre studiert. Nach dem zweiten juristischen Staatsexamen 1992 war er bis 1996 FDP-Abgeordneter im Landtag in Kiel. In dieser Zeit war er auch stellvertretender Vorsitzender im „Schubladen-Ausschuss“ nach der Barschel-Affäre.
2009 wurde er Vorstandsvorsitzender von Gruner + Jahr
1996 startete Buchholz als Trainee im Vorstand von Gruner + Jahr in Hamburg und war schon 1998 als Verlagsleiter der Morgenpost für 150 Mitarbeiter verantwortlich. „Eine verdichtete Einheit, wo ich schnell lernte, wie so ein Apparat im Zusammenspiel von journalistischen Funktionen und Verlagsaktivitäten läuft.“ Die Mopo-Zeit endete mit einer unerfreulichen Erfahrung nach zwei Jahren. Buchholz musste die Belegschaft über den Verkauf der wieder profitabel gemachten Zeitung informieren, von dem er selbst erst spät erfahren hatte – und erntete als Verlagsvertreter die geballte Kritik der Belegschaft. „Eine scheußliche Sache“, sagt er und erzählt, dass er sich verbeten habe, noch einmal so vorgeführt zu werden.
Buchholz war danach vier Jahre lang Verlagsleiter des Magazins „Stern“ und der „Geo“-Gruppe. Er rückte 2004 in den Vorstand von Gruner + Jahr auf und wurde 2009 zum Vorstandsvorsitzenden des Verlagshauses berufen. 2012 schied er mit einem hoch dotierten Aufhebungsvertrag aus, weil er kein weisungsabhängiger Geschäftsführer werden wollte. Buchholz hatte die Verantwortung in den schwierigen Jahren, als den Verlagen schlagartig die Dimension und Wucht der Digitalisierung bewusst wurde. „Die Medienszene musste begreifen, dass ihr altes Geschäftsmodell kaputt war. Das Anzeigengeschäft, das den Qualitätsjournalismus finanzierte, funktionierte plötzlich nicht mehr. Und es gab im Internet Mitspieler wie Google, die mitverdienen wollten.“
Die große Ernüchterung nach der Bundestagswahl 2013
Es folgte die Rückkehr zur Politik. Auch bei der Bundestagswahl 2013 stand Buchholz auf Platz zwei der Landesliste. Doch die FDP, die sich in der Legislatur zuvor als Koalitionspartner der CDU verschlissen hatte, schaffte die Fünf-Prozent-Hürde nicht. „Ich hatte das Gefühl von 150 auf Null zu fallen“, sagt er. „Eine große Enttäuschung nach engagiertem Wahlkampf.“ Er wollte es 2017 erneut versuchen. Was aber bis dahin tun? Er besann sich seiner Ausbildung, zumal ihn die nie getragene Anwaltsrobe im Kleiderschrank, die ihm sein Vater zum Examen geschenkt hatte, an seinen alten Berufswunsch erinnerte.
„Das wäre ja grob fahrlässig, wenn man Dich nach so vielen Jahren jetzt vor Gericht auf die Menschheit loslassen würde“, habe seine Frau, die Richterin ist, gespottet. „Mir war klar, dass ich die Unterstützung verfahrensversierter Kollegen bräuchte“, sagt Buchholz. Er wusste aber auch um seine Stärken: „Bei materiellem Strafrecht war ich noch gut drauf und brachte zudem viel Erfahrung aus der Wirtschaft mit.“ Nicht zu vergessen: „Ich war im parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Kiel an der Befragung von mehr als 100 Zeugen beteiligt. Das war nützlich vor Gericht.“
Buchholz Eltern führten einen Einkaufsladen
Buchholz war für die Hamburger Kanzlei Causa Concilio an großen Verfahren beteiligt – bis zuletzt im Beluga-Prozess am Bremer Landgericht. Das Resümee seiner vier Anwaltsjahre ist positiv. Dennoch: „Das war die größte Herausforderung in meinem Leben. Ich hatte manchmal das Gefühl, vor Gericht zum dritten Staatsexamen anzutreten.“
Trotz seiner Karriere hat Buchholz Bodenhaftung bewahrt, weil er weiß, woher er kommt. „Ich bin nicht mit goldenen Löffeln aufgewachsen, aber ich hatte eine glückliche und wohlbehütete gutbürgerliche Kindheit“, sagt er. Seine Eltern starteten mit einem Einkaufsladen in Reinickendorf. „Mein Vater nahm seinen ganzen Mut in die Hand, als er sich selbstständig machte“, sagt Buchholz. „Als er aufhörte, hatte er einen kleinen Markt in Schöneberg und einen Edeka-Markt mit 300 Quadratmeter Verkaufsfläche in Steglitz.“
Bernd Buchholz half in Schul- und Semesterferien aus. Der Sohn sollte in den Ferien nicht zu viel „herumgammeln“, sondern etwas verdienen – und im echten Geschäftsleben lernen: „Er sagte mir zum Beispiel, ich sollte die Obstabteilung ein paar Wochen führen: ,Inventur am Anfang und am Ende, und dann sehen wir, ob du die Umsätze gesteigert hast.’“ Buchholz beschreibt seinen Vater als einen Mann, der Chancen gesehen und angepackt habe, Risiken zwar bedacht, aber nicht überdimensioniert habe.
Ähnliches Bewusstsein wünscht er der Politik in Ahrensburg, wo er im städtischen Finanzausschuss mitwirkte. Eine nützliche Erfahrung: „Ich weiß jetzt, wie Bürgermeister und Kommunalpolitiker ticken.“ Ahrensburg, wo er mit seiner Ehefrau lebt und wo die beiden Söhne aufwuchsen, brauche mehr Mut für die Zukunft. „Damit wir in der Dynamik des Großraums Hamburg nicht von der Entwicklung überrollt werden oder sie an uns vorbeigeht.“