Reinbek. Gegendemonstranten versammeln sich jeden Montag am Reinbeker Rathaus. Warum sie die Impfskeptiker dort zählen.

Jeden Montag um 18.30 Uhr versammeln sich sogenannte Spaziergänger, Gegner der deutschen Corona-Politik, vor dem Reinbeker Rathaus. Zeitweise sind es um die 200 Impfskeptiker, die schweigend ohne jede Banner Richtung Maria-Magdalenen-Kirche und zurück ziehen. Das bereitet der Reinbekerin Inga Stöckmann, die sich auch als „Oma gegen rechts“ engagiert, und einigen Mitstreitern große Sorge: Sie treffen sich zur selben Zeit am selben Ort, um dort Flagge zu zeigen. Ihre Befürchtung ist, dass sich in Reinbek eine neue rechte Bewegung etabliert.

Corona Stormarn: "Spaziergänger" versammeln sich vor dem Rathaus in Reinbek

„Unglaublich“, sagt die Reinbekerin. „Diese Menschen behaupten erregt alle möglichen Unwahrheiten, beklagen sich über eine Diktatur, in der sie angeblich leben müssen. Ich bin entsetzt, insbesondere angesichts des schrecklichen Krieges in der Ukraine.“ Wie in vielen anderen Städten verabreden sich die Teilnehmer über Telegram oder Protestkarte.de im Internet, um gegen die Corona-Politik zu protestieren. Im Impressum der interaktiven Karte steht Simon Kaupert, laut antifainfoblatt.de Mitglied des rechten „Ein-Prozent“-Netzwerks.

Impfskeptiker beantworten Fragen nur ungern

Warum die Spaziergänger beim Schweigemarsch dabei sind, ist nicht ersichtlich, zumal sie Fragen nur ausweichend beantworten. Ein Mann, der im Gesundheitswesen arbeitet, sagt schließlich, dass er gegen die Impfpflicht sei, da die Impfung in seinen Augen nicht helfe. „Ich will selbst über meinen Körper bestimmen.“ Auf die Frage, warum sie dies nicht plakativ kundtun, heißt es, dies sei ihnen verboten. Davon weiß Reinbeks Polizeichef Thorsten Gaebler nichts: „Solange sie auf den Bannern nicht den Holocaust leugnen oder relativieren, gilt die Meinungsfreiheit für Impfgegner ebenso wie für alle anderen auch“, sagt er. Die „Spaziergänge“ gelten für die Polizei auch als Demonstration – seit Sonnabend gar ohne Maskenpflicht.

Zehn Corona-Patienten seit Januar in Reinbeker Krankenhaus gestorben

Zu der These, die Impfung helfe nicht, sagt Andrea Schulz-Colberg, Sprecherin des Krankenhauses St.-Adolf-Stift: „Durch die hochansteckende Omikron-Variante ist die Impfwirkung vor einer Infektion leider nicht mehr so hoch wie gegen die vorherigen Typen, aber eine Boosterung schützt auf jeden Fall vor schwerem Verlauf und Tod: Von den zehn Patienten, die seit 1. Januar im Krankenhaus Reinbek an Corona verstorben sind, war keiner geboostert. Zwei jüngere waren ungeimpft, alle anderen waren älter und zwar geimpft, aber die Impfung war länger als sechs Monate her, die Boosterung stand also aus.“ Aktuell sind 32 Covid-positive Patienten im St.- Adolf-Stift. Tatsächlich sind nur neun von ihnen wegen Corona dort, bei 23 wurde die Infektion erst im Krankenhaus entdeckt.

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Jeden Montag hält eine kleine Gruppe mit Inga Stöckmann unter dem Schild „Impfen hilft“ am Rathaus eine Mahnwache, zählt die Spaziergänger und spendet jedes Mal einen kleinen Betrag pro Kopf für die Unicef-Aktion Impfpatenschaft (www.impfpatenschaft-qd.de). „So helfen wir, Impfdosen für Entwicklungsländer zu finanzieren“, sagt eine Sympathisantin, die anonym bleiben will. „Wir wären froh, wenn mehr mitmachten.“