Reinbek. Nach 42 Jahren Polizeiarbeit verabschiedet sich Karsten Wagner in den Ruhestand. Was der 63-Jährige in seiner Laufbahn so erlebte.
Bei unserem Gespräch stehen die Kisten noch bereit, am Dienstag, 21. Dezember, werden sie alle gepackt sein: Karsten Wagner, Leiter des Polizeireviers in Reinbek, verabschiedet sich in den Ruhestand. Und es wird wegen Corona etwas stiller, als er es sich gewünscht hätte. Denn das Essen mit den Kollegen muss ausfallen.
Vor 42 Jahren hat er im mittleren Dienst bei der Polizei auf St. Pauli angefangen. Damals, im Alter von 21 Jahren, geriet er aus dem dörflichen Koberg im Kreis Herzogtum Lauenburg direkt in die Großstadt. „Die Kollegen mussten dort gut aufeinander achtgeben“, erinnert sich der 63-Jährige. Wegen des guten Klimas unter den Kollegen wählte er die Davidwache auch nach seiner Ausbildung als Arbeitsstandort aus.
Trotz der Belastungen: Seine Berufswahl hat er nie bereut
Auch wenn in Reinbek, wo er im Juli 2016 die Leitung des Reviers mit den untergeordneten Stationen Glinde, Barsbüttel und Wentorf sowie einer Einsatztruppe von knapp 70 Kollegen übernommen hatte, alles vergleichsweise friedlich verlaufen ist, stellt er rückblickend fest: „Langweilig wurde es nie. Meine Berufswahl habe ich nie bereut. Denn trotz der Belastungen und der Nachtschichten wusste ich meist nicht, was mich bei Dienstantritt erwartete. Diese Aufgabe war voller Überraschungen und Begegnungen mit immer wieder neuen Menschen.“ Dies gelte auch heute noch, obwohl er als Revierleiter nur noch selten auf Einsätzen unterwegs, sondern vorwiegend mit administrativen Aufgaben beschäftigt sei.
Zuletzt habe er bei der Bombenentschärfung in Oststeinbek die Einsatzleitung gehabt. 100 Polizistinnen und Polizisten waren beteiligt, denn es mussten vorsichtshalber 5000 Menschen ihre Häuser und Büros verlassen. Alles habe reibungslos geklappt.
Einige Einsätze sind ihm nachhaltig in Erinnerung geblieben
Die Polizeiarbeit habe sich während seiner Laufbahn grundlegend verändert. Wenn er sich an die Anfänge erinnert, als die Polizei noch mit drei Streifenwagen und mit der Waffe im Anschlag vor den besetzten Häusern der Hafenstraße vorfuhr, komme er doch ins Grübeln. „Da hat sich die Polizei doch echt zum Positiven entwickelt“, erklärt der 63-Jährige. „Gott sei Dank brauchte ich nie auf einen Menschen zu schießen.“ Heute fahre niemand mehr allein in einen Einsatz, die Ausrüstung sei schuss- und stichfest, in die Helme sei die Funkausrüstung integriert. „In die Einsatztechniken und in die Sicherheit der Kolleginnen und Kollegen ist viel investiert worden“, lobt Karsten Wagner. Covid-19 habe die Polizeiarbeit nur wenig verändert, stellt er fest und sagt lakonisch: „Außer, dass jeder Festgenommene erst einmal damit droht, er habe Corona.“ Die Hygieneregeln seien auch hier mittlerweile wie selbstverständlich in die Polizeiarbeit integriert. Die Masken seien hinzugekommen und mittlerweile gebe es auch ausreichend Tests.
Nachhaltig beeindruckt habe ihn vor allem sein Einsatz während seiner Zeit in Lauenburg, als das Elbe-Hochwasser dort im Juni 2013 auf einen Pegel von 9,60 Meter angestiegen war und die Altstadt überschwemmt wurde. „Ich gehörte damals drei Wochen mit Mitgliedern der Feuerwehr und des THW zum Krisenstab des Kreises“, erzählt der 63-Jährige. „Solch einen Einsatz vergisst man nicht. Bei schönstem Sommerwetter stieg das Wasser über die Sandsäcke in die Altstadt. Das war befremdlich. Wir waren dort in der Jugendherberge einquartiert und nur zwischendurch mal einen Abend zu Hause.“
Im Ruhestand will er mit Camper und Motorrad unterwegs sein
Dies sei aber die Ausnahme gewesen. Im gehobenen Dienst konnte er meist die Abende und die Wochenenden zu Hause in der Nähe von Ratzeburg bei seiner Frau und den drei mittlerweile erwachsenen Kindern verbringen. „Ich habe ihnen nie lange gefehlt“, sagt er schmunzelnd. Beim Hochwasserereignis in Oststeinbek am Himmelfahrtstag 2018 hatte er frei, stand aber über die gesamte Zeit im telefonischen Kontakt mit seinem Einsatzleiter. Er hatte sich bereits ins Auto gesetzt, weil der Damm an der Oststeinbeker Mühle gesprengt werden sollte, als sich die Lage dort plötzlich entspannte. „Damals habe ich die Freiwilligen Feuerwehren – auch die Reinbeker – gelobt“, berichtetet er. „Weil sie auch ,Hochwasser können’.“
Im neuen Jahr will er sich die Zeit nehmen, gemeinsam mit seiner Frau mit dem Mero Van Camper einmal um die Ostsee zu fahren und mit dem E-Bike auf Tour zu gehen. Mit seinem 22-jährigen Sohn will er zusammen Motorrad fahren. „Ich habe mir eine 900er Kawasaki gegönnt. Das wird bestimmt witzig“, erzählt er. Dass er umsichtig fährt, ist für ihn Ehrensache.