Delingsdorf. Laut Gutachten wird Schall-Grenzwert nach Bau des Fehmarnbelt-Tunnels deutlich überschritten. Dennoch droht Gemeinde, leer auszugehen.
In Ahrensburg stoßen die bis zu sechs Meter hohen Lärmschutzwände, die die Deutsche Bahn entlang der Trasse der geplanten S-Bahnlinie 4 durch das Stadtgebiet aufstellen möchte, auf Ablehnung. In der kleinen Nachbargemeinde Delingsdorf im Norden hingegen würde man die als unansehnlich verschrienen grünen Elemente mit Kusshand nehmen. Denn obwohl sämtliche Züge, die Ahrensburg passieren, im weiteren Trassenverlauf auch durch den 2300-Einwohner-Ort rollen, droht Delingsdorf beim Lärmschutz leer auszugehen. Und das, obwohl die Schallemissionen Berechnungen zufolge in großen Teilen des Ortes die gültigen Grenzwerte überschreiten werden.
Delingsdorfer Politiker machen sich für Lärmschutz an Gütertrasse stark
Warum das so ist, erklärte Peter Mantik, Sprecher der Bahn für die Großprojekte S 4 und Fehmarnbelt-Querung, am Mittwoch im Delingsdorfer Bau-, Wege- und Planungsausschuss. Dort stellte das Unternehmen die Ergebnisse einer Schallschutzuntersuchung für die Gemeinde vor. „Bereits zwischen 2013 und 2017 wurde die Trasse durch Stormarn entsprechend der damals gültigen Grenzwerte lärmschutzsaniert“, sagte er.
Die Folge: Auch wenn der zulässige Lärmpegel für Schienenverkehr mit Beginn dieses Jahres erneut auf jetzt maximal 54 Dezibel gesenkt wurde, hätten zunächst andere Streckenabschnitte Vorrang. „Auf der Prioritätenliste ist Stormarn weit nach unten gerückt und hätte erst in 20 bis 30 Jahren wieder Anspruch auf weitere Maßnahmen“, so Mantik.
Schutzmaßnahmen sind nur auf baulich veränderten Abschnitten vorgesehen
Ausnahmen gebe es nur für Bereiche, die baulich erheblich verändert werden. Die S 4 werde zwar bis Bad Oldesloe und damit auch durch Delingsdorf fahren, aber die zwei zusätzlichen Gleise, die die Bahn für die Verbindung verlegt, würden bereits in Ahrensburg enden. „In Delingsdorf wird die Bestandsstrecke genutzt, deshalb sieht der Gesetzgeber dort keinen weiteren Lärmschutz vor“, erklärte der Bahnsprecher.
Stärkere Sorgen als die S-Bahn bereiten den Delingsdorfern allerdings ohnehin die Auswirkungen des sich derzeit im Bau befindlichen Fehmarnbelt-Tunnels. Ein Großteil des Güterverkehrs mit Skandinavien soll durch Delingsdorf rollen. Denn die Strecke Hamburg – Lübeck dient dem Tunnel als Hinterlandanbindung. Nach Prognosen der Bahn fahren ab 2029 88 statt derzeit 36 Güterzüge am Tag durch Stormarn.
Gutachter rechnen auf der Trasse mit bis zu 120 Güterzügen am Tag
Externe Gutachter rechnen sogar mit bis zu 120 Zügen. Darunter werden laut Mantik auch XXL-Züge mit bis zu 835 Metern Länge sein. Da diese jedoch auf dem Stormarner Abschnitt ebenfalls ausschließlich auf den bestehenden Gleisen fahren werden, ergibt sich auch aus der erhöhten Frequenz laut Mantik kein Rechtsanspruch auf weiteren Lärmschutz. Erst ab Lübeck wird die Strecke für die Fehmarnbelt-Querung umgebaut. Heißt: Der Abschnitt dazwischen bleibt beim Lärmschutz außen vor.
Ein Gutachten, dessen Ergebnisse die Schallschutzexpertin der Bahn, Janine Korczak, in Delingsdorf vorstellte, ergibt, dass bei den prognostizierten Zugzahlen ab 2030 109 Gebäude in der Gemeinde einer höheren Lärmbelastung als der gesetzliche Grenzwert ausgesetzt sein werden. „Wir erwarten im Mittel von Tag und Nacht Emissionen von 74 Dezibel“, so die Expertin.
Kosten für Lärmschutz in Delingsdorf liegen schätzungsweise bei 4,7 Millionen Euro
Abhilfe könnten laut Gutachten bis zu sechs Meter hohe Lärmschutzwände schaffen. „Sie könnten den Geräuschpegel um bis zu 20 Dezibel senken“, so Expertin Korczak. „Daneben haben wir auch den Effekt eines speziellen Schienenschleif-Verfahrens geprüft, mit dem Unebenheiten an den Gleisen beseitigt werden“, sagte sie. Dies könne um weitere drei Dezibel entlasten.
Die Kosten für diese Maßnahmen beziffert die Expertin auf rund 4,7 Millionen Euro. Mantik betonte jedoch: „Leider können wir diese Konzepte ohne Auftrag des Gesetzgebers nicht umsetzen, weil wir Steuergeld verbauen.“ Die jetzt vorgestellte Schallschutzuntersuchung sei schon ein Zugeständnis gewesen.
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Bürgermeistern nennt Ausbleiben von Schutzmaßnahmen „nicht akzeptabel“
Für Delingsdorfs Bürgermeisterin Nicole Burmeister (Wählergemeinschaft) sind diese Aussichten nicht akzeptabel. Sie sagt: „Es kann nicht sein, dass wir leer ausgehen, nur weil wir planerisch in die Lücke zwischen zwei Projekte fallen. Die Züge fliegen ja nicht über Delingsdorf hinweg.“ Um den Forderungen der Gemeinde mehr Gewicht zu verleihen, will Burmeister jetzt das Gespräch mit anderen betroffenen Kommunen suchen, darunter auch die Städte Bargteheide und Bad Oldesloe.
Gleichwohl werde die Optik der Schutzwände noch für Diskussionsbedarf sorgen, gibt Burmeister zu. Bahnsprecher Mantik riet den Delingsdorfern am Mittwoch derweil, selbstbewusst aufzutreten. Er appellierte: „Seien Sie laut, machen Sie auf sich aufmerksam.“