Reinbek. Der BUND setzt auf Selbstheilung des Ökosystems. Förster kontern: „Keine Experimente. Wir arbeiten weiterihn mit heimischen Baumarten.“
Im städtischen Gehölz am Wildenhofeck wird demnächst schon wieder aufgeforstet, in den Oher Tannen und im Forst „Havighorst“ der Försterei Reinbek fallen seit Montag die vom Borkenkäfer befallenen Rotfichten. Dort will die Försterei, die zu den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten (SHLF) gehört, unter dem Stichwort „Waldumbau“ Buchen und Douglasien nachpflanzen, damit ein widerstandsfähiger Mischwald entsteht. Die Douglasie komme besser mit der aktuell vorherrschenden Trockenheit zurecht. Genau diese Strategie steht jetzt in der Kritik.
Laut Umweltverband BUND beruht die Strategie des Waldumbaus von SHLF-Direktor Tim Scherer auf einem Computer-Modell. Dies sei unwissenschaftlich und ein Blick in die Glaskugel. Die favorisierte Douglasie, die die vom Borkenkäfer befallenen Fichten ersetzen soll, sei die „Fichte von morgen“: Beide seien keine heimischen Baumarten und könnten im hiesigen komplexen System aus Mikroorganismen, Pilzen, Flora und Fauna langfristig nicht überleben.
Waldumbau in Reinbek steht in der Kritik
Mit einem Computer-Modell habe die Baumartenwahl der Zukunft nichts zu tun, entgegnet hingegen SHLF-Sprecher Ionut Huma. Zusammen mit der forstlichen Versuchsanstalt in Göttingen erarbeite man derzeit ein Modell zur Klima-Wasserbilanz für das Land. Wie viel Wasser ein Boden etwa im Jahr 2050 noch zur Verfügung haben werde, sei eine entscheidende Frage. Anhand eines Computermodells auf Basis anerkannter Klimamodelle könne man für jeden Standort erkennen, welche Baumarten dort künftig noch wachsen können. Bei der Entwicklung dieser neuen Konzepte beziehe man wissenschaftliche Daten und empirische Erfahrung mit ein.
„In Bayern ist diese Baumart schon von der Douglasienschütte, einem Pilz befallen“, bemängelt BUND-Mitglied Lutz Fähser, seit 40 Jahren Förster in Schleswig-Holstein. Der von den SHLF bevorzugten Baumart drohe in einigen Jahren das gleiche Schicksal wie heute der Rotfichte. „Man muss das gesamte Ökosystem eines Waldes am Leben halten“, mahnt er. „Einfach nur Bäume auszutauschen, die sich vermeintlich an den Klimawandel angepasst haben, reicht nicht: ’Wunderbaumarten’ gehören nicht in das norddeutsche Ökosystem und sind für Flora und Fauna Fremdkörper – im schlimmsten Fall werden sie wieder abgestoßen.“
Weiterhin mit standortangepassten heimischen Baumarten arbeiten
Der BUND bezieht sich auf eine „Betriebsanweisung Waldbau“, laut der diese schnellwachsenden Holzarten je nach Altersphase zehn bis 50 Prozent der neuen Forste bedecken sollen. Dabei ließen die SHLF aber außer Acht, dass die Wald- und Naturschutzgesetze sowie die Richtlinien für die EU-Natura2000-Schutzgebiete auf den Erhalt der heimischen Vegetationsgesellschaften und die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes abzielten.
„Wir werden weiter mit standortangepassten heimischen Baumarten arbeiten“, sagt indes Tim Scherer. „Für uns gilt: keine Experimente. Zudem sollen bewährte und im Land lange eingeführte Arten wie Douglasie, Küstentanne, Roteiche und Japanlärche beigemischt werden. Der angebliche Eins-zu-Eins-Austausch von Fichte zu Douglasie ist nicht geplant.“
Bei Fällungen werde der Boden durch schweres Gerät beschädigt
Fähser schlägt vor, die befallenen Fichten (deren Ernte sich nach dem aktuellen Markt ohnehin nicht lohne) zu entrinden, im Wald liegenzulassen und zu warten, bis sich der Wald regeneriere. „Tote, befallene Bäume sind nicht infektiös“, erklärt er. „Die Natur hat ausreichend Mechanismen, sich wieder neu zu entwickeln. Im Stadtwald von Lübeck, den ich mehr als ein Vierteljahrhundert verwaltet habe, herrscht heute eine ökologische Waldwirtschaft.“ Dort habe sich gezeigt, selbst wenn nicht gleich nachgepflanzt werde, wüchsen dort nach zehn Jahren bereits Mischwälder mit heimischen Bäumen nach. „Wenn keine heimischen Jungbäume nachkommen, liegt es am Wild“, so Fähser. „Daher muss man dort auch einzäunen.“
Das Freiräumen der Waldflächen bei Trockenheitsperioden und sinkendem Grundwasserspiegel aber sei kontraproduktiv: Bei den Fällungen der Rotfichten für den Waldumbau werde zudem der Boden durch schweres Gerät verdichtet und beschädigt. Dies verstoße gegen das Bodenschutzgesetz.
"Wir praktizieren eine naturnahe Forstwirtschaft"
SHLF-Sprecher Huma sieht dies anders: Dort, wo Fichten vom Borkenkäfer befallen sind, oder wo nach Stürmen Kahlflächen entstehen, führe die natürliche Verjüngung wieder zu den unerwünschten Nadelbaummonokulturen. Eine Wiederaufforstung mit mehreren Laub- und Nadelmischbaumarten sei vorzuziehen. „Da wir bereits über 89 Prozent Mischwald verfügen, sind bei uns zum Glück große Nadelholzkahlflächen gar nicht erst entstanden“, sagt Huma. „Als FSC- und PEFC-zertifizierter Forstbetrieb werden wir regelmäßig von externen Auditoren streng geprüft. Die Audits bestätigen, dass wir eine naturnahe Forstwirtschaft praktizieren, sowohl den Klima- als auch den Arten- und Biotopschutz in unseren Wäldern fördern, und den Reichtum unserer Flora und Fauna auch für kommende Generationen erhalten. Dazu gehört auch der Bodenschutz.“