Reinbek. Vor einem halben Jahrhundert wurde die Einrichtung als Kindertagesheim gegründet. Seitdem hat sich in der Betreuung viel getan.

Apfelgrün, Orange, Lila und Braun, Schlaghosen, Minirock und Plateauschuhe, großflächige Muster nicht nur auf der Kleidung, sondern auch auf den Tapeten: Das waren die 70er-Jahre. Doch auch in der Lebensweise änderte sich viel. Denn die Frauen stiegen verstärkt in die Berufswelt ein. In Reinbek wurde das Gewerbegebiet gebaut und es war kein Zufall, dass gleichzeitig vor 50 Jahren das Kindertagesheim Mühlenredder gegründet wurde. Es wurde von der Stadt Reinbek geplant und gebaut und schließlich an die Kirchengemeinde als freien Träger übergeben

„Das Kindertagesheim wurde von den Unternehmern im Industriegebiet sehr begrüßt“, erzählt die einstige Erzieherin Ruth Garbrecht (75). So hieß die evangelische Kindertagesstätte Mühlenredder in ihren ersten Jahren. Auch der Mann der Dassendorferin arbeitete im Gewerbegebiet und wurde von seinem Chef auf die Einrichtung aufmerksam gemacht. „Bis 1970 mussten die Frauen ihre Männer ja noch um Erlaubnis fragen, wenn sie arbeiten wollten“, betont Garbrecht, die kurz vor der Eröffnung am 6. Dezember 1970 eingestellt worden war und 33 Jahre dort gearbeitet hat. Dass es dort eine Betreuung bis 18 Uhr gab, war sehr fortschrittlich. In ganz Reinbek gab es damals nur zwei Ganztagsgruppen.

Kindertagesstätte Mühlenredder besteht seit 50 Jahren

Pastorin Bente Küster und Leiterin Ute Ehmcke bereiten eine Zeitleiste für den 50. Geburtstag vor.
Pastorin Bente Küster und Leiterin Ute Ehmcke bereiten eine Zeitleiste für den 50. Geburtstag vor. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Tausende von Kindern wurden in der Kita bis heute betreut, bekamen so einen liebevollen Start in ihr Leben. Zuerst waren es die Vier- bis Sechsjährigen, denn für die Dreijährigen gab es nicht genug Anmeldungen, weiß die heutige Kita-Leiterin Ute Ehmcke. Ruth Garbrecht und ihre ehemalige Kollegin Annemarie Peters (77) erinnern sich gern an ihre Arbeitszeit mit den Lütten. „Schön waren immer die jährlichen Sommerfeste mit Spielen, Aufführungen, Würstchen und Kuchen und allem, was dazugehört“, erzählt Annemarie Peters. „Daran erinnern sich die Kinder von damals und ihre Eltern heute noch gern.“ Die 77-Jährige wohnt gleich um die Ecke der Kita und trifft häufiger noch ihre Schützlinge von damals – die heute häufig selbst Eltern sind.

Annemarie Peters hat besonders gern mit den Kindern geklebt, geschnippelt und gebastelt. Ihr kam es zupass, dass es damals aufkam, die Kreativität der Kleinen zu fördern. „Die Kinder konnten sich frei entfalten“, sagt sie. Ruth Garbrecht liebte besonders das Theaterspiel, das sie auch in ihren Gruppen förderte. „Und als es das Freizeitbad gab, bin ich immer wieder mit kleinen Gruppen dort schwimmen gegangen“, erzählt sie. „Die Kleinen waren vor Freude manchmal so aufgeregt, dass sie in der Nacht zuvor nicht schlafen konnten. Es war eine tolle Zeit: An dieser Aufgabe bin ich richtig gewachsen und habe viel fürs Leben gelernt.“

Starke Verbundenheit zur Kirchengemeinde

Mit ebenso viel Herzblut arbeiten auch die heutige Einrichtungsleiterin Ute Ehmcke, Gitta Kipp und ihr Team mit 18 weiteren Erzieherinnen für die etwa 100 Schützlinge – heute im Alter von 0 bis sechs Jahren. „Immer mehr Frauen wollten immer länger arbeiten“, berichtet Ute Ehmcke. „Deshalb haben wir die Betreuung immer mehr ausgeweitet.“ Bewahrt – und gelebt – wurde der religionspädagogische Ansatz: „Wir haben eine unheimlich starke Verbundenheit zur Kirchengemeinde Reinbek-West “, erzählt Ehmcke.

Schon von Beginn an seien die Pastoren oder auch die Frau eines Pastors einmal in der Woche in die Kita gekommen, um mit ihnen zu singen oder ihnen die biblischen Geschichten zu erzählen „Sie standen immer mit großer Leidenschaft und Verantwortung für unser Haus ein.“ Pastorin Bente Küster bestätigt das: „Unsere Kinder wachsen mit den Festen, den Ritualen und den Liedern auf“, sagt sie. „Sie werden spielerisch an den christlichen Glauben herangeführt und so liebevoll ins Leben begleitet.“ Die Gruppen besuchen auch regelmäßig Familiengottesdienste in der Kirche.

In diesem Jahr Kindertag statt Riesengeburtstagsfest

Eine Gruppe führt bei einem der jährlichen Sommerfeste in den 70er-Jahren ein Entenlied vor.
Eine Gruppe führt bei einem der jährlichen Sommerfeste in den 70er-Jahren ein Entenlied vor. © Kita Mühlenredder | Kita Mühlenredder

Dieses Jahr war alles ein bisschen anders. „Zum ersten Mal mussten wir unser Sommerfest ausfallen lassen“, sagt Ute Ehmcke. „Und das große Geburtstagsfest müssen wir jetzt auch auf das nächste Jahr verschieben.“ Doch damit die Kleinen nicht leer ausgehen, planen Ute Ehmcke, ihre Kollegin Gitta Kipp, ihr Team und Pastorin Bente Küster einen großen Kindertag für Montag, 7. Dezember, Motto: So waren die 70er-Jahre. Die Kinder werden sich T-Shirts batiken, mit denen sie sich stilsicher verkleiden können. Los geht es dann mit einem gemeinsamen Frühstück aller Gruppen mit gefüllten Tomaten, Käse- und Mettigel (allerdings mit gebratenem Hack) und anderen Gerichten in Anlehnung an die 70er.

Danach trennen sich die Gruppen wieder für eine Kinderdisco mit Hits aus dieser Zeit, um einen VW-Bulli aus Pappkartons zu bauen und zu bemalen, für Bewegungsspiele wie Gummi-Twist und Ringel, Ringel Reihe oder für die Bastelecke unter dem Motto „Peace“.

Damit das alles stilecht wirkt, suchen die Organisatorinnen noch Requisiten wie sie in den 70er-Jahren in den Wohnzimmern standen: Vielleicht noch eine Tapetenrolle, ein Cocktailsessel eine Stehlampe, ein Telefon mit Wählscheibe oder ähnliches. „Darüber würden wir uns sehr freuen“, sagt Bente Küster. Derartige Spenden sind im Kirchenbüro oder in der Kita-Mühlenredder willkommen. Kontakt 040/722 63 15.