Ahrensburg. Seit Eröffnung im Juli zählte die Ahrensburger Stadtverwaltung mehr als 1000 Kunden. Behindertenbeirat plant bereits weitere Standorte.

Das Vorgängermodell vor dem Ahrensburger Rathaus an der Manfred-Samusch-Straße hatte wegen hoher Betriebskosten und mangelnder Nachfrage noch überregional als „Luxus-WC“ Schlagzeilen gemacht, bevor es Ende Januar 2018 ersatzlos abgebaut wurde. Nach zweieinhalb Jahren steht nun seit Mitte Juli Bürgern und Besuchern der Stadt wieder eine öffentliche, barrierefreie Toilette im Zentrum zur Verfügung, die außerhalb der Geschäftszeiten zugänglich ist. Und wie es aussieht, ist der neue Standort an der Ecke Große Straße/Königstraße von der Verwaltung richtig gewählt. „Allein in den ersten sechs Wochen haben wir 500 Kunden gezählt“, sagt Ulrich Kewersun, Leiter der Bauverwaltung in Ahrensburg, auf Anfrage. „Davon waren mehr als zehn Prozent Menschen mit Behinderung.“

Schwerbehinderte können Extra-Schlüssel nutzen

Das lasse sich daran erkennen, dass mehr als 50 Toilettenbesucher bis Ende August einen Euroschlüssel für den Zugang benutzt hätten. Der Euroschlüssel ist ein europaweit einheitliches Schließsystem, das es Menschen mit körperlichen Behinderungen ermöglicht, sich mit einem auf Antrag erworbenen Einheitsschlüssel Zugang zu behindertengerechten sanitären Anlagen zu verschaffen – ob in der Stadt, in Bahnhöfen, Behörden oder an Autobahnen.

Berechtigt zum Erwerb des Schlüssels sind nur Menschen, die im Besitz eines Schwerbehindertenausweises sind. Das System geht auf den Darmstädter Behinderten-Verein CBF zurück, der die Einführung des Schlüssels 1986 initiiert hatte. „Nur ein Teil der Behinderten besitzt einen Euroschlüssel“, weiß Gerhard Bartel, Vorsitzender des Behindertenbeirats der Stadt Ahrensburg. „Der Anteil von Besuchern mit Gehbehinderung dürfte höher sein als 10 Prozent.“

Behindertengerechte WCs sonst nur begrenzt geöffnet

Christof Schneider (l.) und Gerhard Bartel vor dem inzwischen abgerissenen Toilettenhäuschen an der Manfred-Samusch-Straße.
Christof Schneider (l.) und Gerhard Bartel vor dem inzwischen abgerissenen Toilettenhäuschen an der Manfred-Samusch-Straße. © Unbekannt | HA


Er begrüßt die neue Anlaufstelle im Stadtzentrum, die von 6 bis 24 Uhr zugänglich ist. „Die barrierefreien Toiletten im Peter-Rantzau-Haus, im Rathaus und in der Stadtbücherei sind allesamt an Öffnungszeiten gebunden. Und in den umliegenden Gastronomiebetrieben sind die sanitären Anlagen meist im Keller untergebracht, die Treppe dorthin kommen gehbehinderte und ältere Menschen nur schwer und Rollstuhlfahrer gar nicht hinunter. Endlich gibt es eine gut erreichbare und bezahlbare Alternative im Ortskern.“

Das sieht auch Christof Schneider, Vorsitzender des Seniorenbeirats der Stadt Ahrensburg, so: „Wir haben uns seinerzeit vehement gegen den Abriss des WCs an der Manfred-Samusch-Straße gewehrt, weil es das einzige WC war, das rund um die Uhr geöffnet und barrierefrei war. Umso glücklicher sind wir jetzt, dass es nach langem Warten eine Alternative an der Großen Straße gibt.“ Mangelnde Kapazitäten im Bauamt hätten dafür gesorgt, dass diese Alternative seit Anfang 2018 auf sich warten ließ, so die Stadtverwaltung.

Die Toilette reinigt sich nach jeder Benutzung selbst

So sieht das Toilettenhaus  von innen aus. Die Anlage ist behindertengerecht und verfügt über ein Selbstreinigungssystem.
So sieht das Toilettenhaus von innen aus. Die Anlage ist behindertengerecht und verfügt über ein Selbstreinigungssystem. © Unbekannt | Petra Sonntag


Pro Toilettengang werden für Besucher 50 Cent fällig, die Toilette reinigt sich danach selbst. Die Anschaffungs- und Installationskosten der neuen Sanitäranlage, die auf einem Modulbausystem beruht, schlugen laut Stadtverwaltung mit rund 150.000 Euro zu Buche. Für die laufenden Kosten würden jährlich knapp 20.000 Euro fällig, so Ulrich Kewersun. Eine erste Kostenschätzung der Verwaltung im Mai war noch von 15.000 Euro ausgegangen. „Die Kostensteigerung liegt unter anderem an der Grundreinigung der Toilette, die uns wichtig war.“

Im Vergleich zu dem berühmt gewordenen Vorgänger bleibt das neue WC dennoch günstiger: Von 2006 bis 2017 hatte die Stadt jährlich 44.000 Euro für ein Miet-WC an der Manfred-Samusch-Straße gezahlt. Pro Tag nutzten es im Durchschnitt lediglich zwei bis drei Menschen. Sie bescherten der Stadt damit bei 50 Cent je Toilettengang jährliche Einnahmen von gerade einmal 600 Euro. Damit kostete jeder Gang zum Klo den Steuerzahler fast 60 Euro, was der Bund der Steuerzahler Schleswig-Holstein 2016 mit einem Eintrag in sein Schwarzbuch der öffentlichen Verschwendung quittierte. Kostendeckend wird auch das neue WC nicht zu betreiben sein bei derzeit monatlichen Einnahmen unter 200 Euro. „Aber darum geht es auch nicht“, sagt Ulrich Kewersun. „Das Bereitstellen einer Toilette, die von 6 bis 24 Uhr barrierefrei zugänglich ist, dient der Aufenthaltsqualität im Zentrum und der umliegenden Gastronomie. Wir wollen damit kein Geschäft machen. Und wir stellen fest: Der Standort brummt. Es freut uns, dass die Toilette so gut angenommen wird.“

Einige Besucher wollen die Zahlpflicht umgehen

Mancher Besucher versuche indes, die Toilette auch ohne Gebühr zu nutzen, indem er die offene Tür für nachfolgende Besuche blockiere. „Das geschieht vor allem im Laufe des Abends, vermutlich durch Menschen, die sich länger in der Nähe aufhalten“, sagt Kewersun. „Wir überlegen uns gerade technische Lösungen mit der Firma.“

Der Behinderbeirat überlegt derweil, wo sich weitere barrierefreie Toiletten schaffen lassen und tagt dazu in der kommenden Woche. „An den Ahrensburger Bahnhöfen ist die Versorgung unzureichend, darüber reden wir seit Jahren“, sagt Bartel. „Das barrierefreie WC am Busbahnhof stammt aus dem Jahr 2010 und entspricht nicht aktuellen Bauvorschriften. Wenn Sie dort mit dem Rollstuhl reinfahren, können Sie nur rückwärts wieder herausrollen und laufen Gefahr, vor einen Bus zu geraten. Bei den U-Bahnhöfen Ahrensburg-Ost und -West gibt es gar keine öffentlichen Behindertentoiletten.“

Behindertenbeirat hofft auf weitere barrierefreie WCs

Der Behindertenbeirat hofft für ein neues barrierefreies WC am Regionalbahnhof auf die geplante Neugestaltung des Bahnhofvorplatzes. „In dem neuen Fahrradparkhaus soll es auch eine behindertengerechte Toilettenanlage geben“, so Bartel. Im Bereich des Ahrensburger Schlosses sieht er indes eine praktikable Lösung zur Nutzung der barrierefreien Toilette im Kulturzentrum Marstall außerhalb der Öffnungszeiten: „Hier ließe sich von außen durch eine Tür ein Zugang zur Behindertentoilette schaffen, die dann auch erreichbar wäre, wenn der Marstall nicht offen ist.“