Barsbüttel/Glinde. Täter geben sich als Kind in Notlage aus. Barsbüttelerin überweist 1300 Euro. Auch zwei Glinder fallen auf die Masche herein.
„Hallo Papa. Mein Mobiltelefon ist kaputt, dies ist die neue Nummer, die du speichern kannst. Bist du heute zu Hause?“ Wer solche oder ähnlich formulierte Nachrichten per WhatsApp erhält, sollte Vorsicht walten lassen. Denn meistens sind Straftäter die Absender und nicht die eigenen Kinder. Immer öfter nutzen Betrüger den Messengerdienst, um ihre Opfer zu Überweisungen zu veranlassen. „In den vergangenen Wochen hat die Masche auch im Kreis Stormarn zugenommen“, sagt Sandra Kilian, Sprecherin der regionalen Polizeidirektion.
So erhielten in Barsbüttel zwei Frauen im Alter von 70 und 71 Jahren Anfang Mai und Ende April entsprechende Nachrichten von angeblichen Kindern. Die 71-Jährige überwies im Zuge des Chats tatsächlich 1300 Euro und wurde erst stutzig, als es schon zu spät war. Die 70-Jährige durchschaute den Schwindel dagegen. Sie leistete keine Zahlung, sondern informierte die Polizei.
Glinder Opfer sind 64 und 67 Jahre alt
In Glinde waren Betrüger in der ersten Maiwoche gleich zweimal erfolgreich. Dort überwiesen ein 67 Jahre alter Mann und eine 64 Jahre alte Frau im Glauben, ihren Kindern aus einer Notlage zu helfen, jeweils einen geringeren vierstelligen Geldbetrag.
Im kurz hinter der Stormarner Kreisgrenze gelegenen Aumühle hatte eine Rentnerin (84) schon die Überweisung von rund 2500 Euro veranlasst, als ihre Hausbank den Vorgang stoppte. Weil die Empfängerdaten nicht stimmten und der Betrag nicht gebucht werden konnte, meldete sich ein Bankmitarbeiter bei der Seniorin. Erst da flog der Betrugsversuch auf, und die Frau erstattete Strafanzeige. Auch bei ihr hatte sich der Täter per WhatsApp-Nachricht von einer unbekannten Nummer als Sohn ausgegeben. Angeblich habe er sein Handy verlegt. Kurz darauf folgte die Frage, ob man für ihn Überweisungen tätigen könne, da es zu Problemen mit dem Onlinebanking aufgrund des verlorenen Smartphones käme.
Sicherheitshalber mit den Kindern telefonieren oder persönlich sprechen
„Leider fallen aktuell immer wieder Menschen auf den WhatsApp-Trick herein“, sagt Polizeisprecherin Sandra Kilian. Die Ermittler raten dazu, sensibel mit Nachrichten von unbekannten Rufnummern umzugehen. „Die einfachste Methode, die Echtheit des Kontakts zu überprüfen, ist ein Telefonat oder ein persönliches Gespräch mit der genannten Person“, so Kilian.
Landesweit hat sich die Zahl der angezeigten WhatsApp-Betrugsfälle zwischen Dezember 2021 und April 2022 mehr als verdoppelt. 437 Taten wurden gemeldet. In 91 Fällen hatten die Betrüger Erfolg und erbeuteten insgesamt mehr als 255.000 Euro. Auch in den anderen Hamburger Randkreisen Segeberg und Pinneberg gibt es Dutzende Fälle. „Die starke Zunahme kann auch damit zu tun haben, dass die Fälle einfach mehr angezeigt werden, weil die Leute durch die Aufklärung und Berichterstattung gewarnt sind“, sagt Lars Brockmann, Sprecher der Polizeidirektion Bad Segeberg.
Täter drängen auf Sofortüberweisungen
„Auffällig ist, dass die Betrüger ihre Opfer unter dem Vorwand der finanziellen Notlage zu Sofort- oder Echtzeitüberweisungen drängen“, so Brockmann. „Hier besteht keine Chance auf Rückbuchung.“ Die Mobilfunknummern, die die Täter anschreiben, stammen nach den Erkenntnissen der Polizei überwiegend aus Datendiebstählen im Internet, aber auch aus öffentlichen Verzeichnissen. Es sei zudem von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da viele Versuche sofort gelöscht und gar nicht angezeigt werden.
Die Polizei warnt davor, Informationen wie persönliche Daten oder Kontoverbindungen preiszugeben. Handynummern sollten auch nicht im Internet veröffentlicht werden. Profilfotos etwa auf Facebook sollten zudem nur für die eigenen, echten Kontakte sichtbar sein, um Rückschlüsse auf familiäre Verhältnisse auszuschließen. Wer dennoch auf die Betrüger hereinfällt, sollte sich schnellstmöglich an seine Bank wenden und die Möglichkeit einer Rückbuchung prüfen lassen.
Nummern von Handys und Bankkonten führen oft ins Leere
Um die Täter ermitteln zu können, versuchen die Beamten, den Besitzer der verwendeten Handynummer ausfindig zu machen. Doch führt die Spur häufig ins Leere, da anonyme Rufnummern genutzt werden, die im Darknet oder in Geschäften erworben werden können. Zum Teil werden auch SIM-Karten mit falschen oder Fantasie-Personalien gekauft. Ein anderer Ermittlungsansatz sind die Kontodaten, auf die das Geld fließt. „Wir stellen fest, dass das Geld nur kurzzeitig auf dem ersten Konto verbleibt und sehr zügig weiter ins Ausland überwiesen wird“, sagt Lars Brockmann. Üblich sei es auch, dass Betrüger mit falschen oder gestohlenen Personalien Konten eröffnen und von dort die erlangten Summen ins Ausland transferieren. Dort kann die Polizei nur dann ermitteln, wenn ein Rechtshilfeersuchen über die Staatsanwaltschaft gestellt und von dem Staat bestätigt wird.
Laut Brockmann agieren die Täter häufig von professionellen Callcentern im Ausland aus. Allerdings führten Ermittlungen auch zu Gruppierungen, die aus Deutschland operieren.