Halstenbek/Rellingen. Neue Stromtrassen werden unterhalb der A23 durchgezogen. Warum es dabei Schwierigkeiten gibt und wie der Zeitplan aussieht.

Autofahrer, die im Stau stehen, machen ihrer Wut in sozialen Netzwerken Luft. Auf der A23 sind im Bereich Krupunder beidseitig eine Baustelle und Spursperrungen eingerichtet, nur Bauarbeiter sind keine zu sehen, lautet der mehrfach geäußerte Vorwurf.

Und er trifft auch zu. Denn tatsächlich wird auf der A23 gar nicht gebaut, sondern die Arbeiten spielen sich unterhalb der Fahrbahn ab. Dort wird seit dem 2. Dezember fleißig gebohrt.

A23: Neun Erdkabelleitungen werden unterhalb der Fahrbahn durchgezogen

Die Firma NordNetz, eine 100-prozentige Tochter von Schleswig-Holstein Netz (SH Netz), ist dabei, neue und leistungsfähigere Stromkabel zu verlegen. Das Abendblatt hat die Baustelle besucht, die leider auch Auswirkungen auf den oberirdischen Teil, sprich die Autobahn, hat und zu langen Staus führt.

„Wir verlegen insgesamt neun Erdkabelleitungen unterhalb der Fahrbahn“, erklärt Projektleiter Fabian Liebold von SH Netz. Ausgangspunkt ist das Umspannwerk an der Halstenbeker Gärtnerstraße, das zwischen dem Media Markt und dem Autohaus Etehad liegt.

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Bauleiter Dennis Fischer (rechts) und Projektleiter Fabian Liebold studieren die Baupläne für die neun neuen Stromleitungen, die vom Umspannwerk an der Gärtnerstraße ausgehen. © Arne Kolarczyk | Arne Kolarczyk

„Die große Herausforderung ist, dass die Kabel unterhalb der Autobahn hindurchgeführt werden müssen“, sagt Bauleiter Dennis Fischer. Das passiert an drei verschiedenen Punkten – zwei in der Nähe der Abfahrt Krupunder, der dritte Bohrpunkt liegt auf Höhe des Roller-Möbelhauses.

Für jede Leitung werden zunächst drei Leerrohre mit einem Durchmesser von 125 Millimeter benötigt. Für die neun Leitungen müssen also 27 Bohrvorgänge erfolgen. Der Netzbetreiber setzt dabei auf das sogenannte Horizontalbohrspülverfahren.

Bohrungen
Drei dieser Baugruben sind entlang der A23 im Bereich Krupunder ausgehoben worden. Hier liegen bereits die Leerrohre, die von dem Umspannwerk aus durch den Boden gebohrt worden sind. Sie werden dann mit den Leerrohren, die unter der A23 durchgezogen werden, verbunden. © Arne Kolarczyk | Arne Kolarczyk

Die etwa vier Meter langen Bohrstangen starten auf der süd-westlichen Seite der A23, die in diesem Bereich zu Halstenbek gehört, und kommen mehrere Stunden später auf der anderen Seite in Rellingen wieder ans Tageslicht. In den Bohrkanal werden später die Leerrohre und dann die Stromleitungen selbst verlegt.

Bauaktivitäten auf beiden Seiten der A23, nicht aber auf der Autobahn

Dank dieses Verfahrens sind Bauaktivitäten auf beiden Seiten der A23 zu sehen, nicht jedoch auf der Autobahn selbst. Und dennoch lassen sich Sperrungen und damit erhebliche Behinderungen auf der Autobahn nicht verhindern.

Denn mindestens einmal pro Tag muss ein Techniker die Fahrbahn betreten, um den unterirdischen Verlauf des Bohrers zu orten, um diesen quasi sicher auf die andere Seite führen zu können. Für diese Aktivitäten müssen im Bereich der Anschlussstelle Krupunder die Überholspuren und die Standstreifen gesperrt werden.

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Das Umspannwerk an der Gärtnerstraße ist Ausgangspunkt der neuen Stromleitungen. Davon zeugt eine weitere Baugrube auf dem Areal des Werkes. © Arne Kolarczyk | Arne Kolarczyk

Markierungen auf den gesperrten Spuren dokumentieren den jeweiligen Verlauf des Bohrers. „Wir sind bemüht, die Einschränkungen auf den Verkehr so gering wie möglich zu halten und danken den Betroffenen für ihr Verständnis“, sagt Joshua Klande, Leiter des Technikstandortes von SH Netz in Uetersen.

Für die Autofahrer bedeutet das: In beiden Richtungen stehen seit dem 2. Dezember nur die jeweiligen Hauptfahrstreifen zur Verfügung. In der Folge bilden sich insbesondere in den Verkehrsspitzenzeiten längere Staus. Und das wird auch noch länger so bleiben.

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Markierungen auf dem Parkplatz von Roller und Möbel Schulenburg zeigen den unterirdischen Verlauf der Leitungen. © Arne Kolarczyk | Arne Kolarczyk

„Wir haben bis 5 Uhr am 23. Dezember Zeit, die Arbeiten abzuschließen“, sagt Bauleiter Fischer. Dieser Termin sei mit der Autobahn GmbH so abgestimmt. In diese Zeitplanung ist laut Fischer ein Puffer eingebaut, damit die Arbeiten auch tatsächlich im Zeitplan abgeschlossen werden können.

Dieser Zeitplan, das räumt der Bauleiter ein, war schon ins Wanken geraten. „Die Bohrungen verlaufen sehr schleppend.“ Das Problem sei im Untergrund begründet. So habe man es nicht mit gewachsenem Boden, sondern mit aufgeschüttetem Material für den damaligen Bau der Autobahn zu tun.

Untergrund macht die Bohrungen schwierig und zeitaufwendig

So muss sich der Bohrer insbesondere durch Sand vorarbeiten. Dadurch, so berichten es die Experten, fällt der Bohrkanal sehr schnell wieder zusammen. Die Folge: Es muss ein zusätzlicher Arbeitsgang eingelegt werden. So wird der entstandene Kanal unmittelbar nach dem Bohren mit Bentonit aufgefüllt, damit er nicht wieder einbricht.

Das Problem: Durch den zusätzlichen Aufwand verzögern sich die Bohrungen. Die Projektverantwortlichen haben darauf reagiert und einen zweiten Bohrer angefordert, der am Montag, 9. Dezember, vor Ort eintreffen wird und zunächst am zweiten der drei Bohrpunkte zum Einsatz kommt.

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Farbliche Markierungen finden sich auch auf den gesperrten Fahrspuren der A23. Sie dokumentieren den Verlauf der Bohrkanäle. © Arne Kolarczyk | Arne Kolarczyk

„Der zweite Bohrer war nicht geplant. Aber mit seiner Hilfe sind wir sicher, den Zeitplan einhalten zu können“, erläutert Fischer. Möglicherweise könne man auf diese Weise sogar die Arbeiten etwas früher beenden. Aber nur vielleicht.

8500 Meter an neuen Stromkabeln werden beginnend vom Umspannwerk aus verlegt. Auf dem Gelände wurde auch bereits ein neuer Trafo errichtet. Neben den Bohrpunkten auf Halstenbeker Gebiet sind in Rellingen oberirdische Bautätigkeiten an der Schwalbenstraße, der Hempbergstraße, der Heidestraße und der Kellerstraße zu sehen.

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Mit diesem Joystick kann Stefan Boguslawski den Bohrer bis auf die andere Autobahnseite dirigieren. © Arne Kolarczyk | Arne Kolarczyk

An letzterer Straße, genauer gesagt an der Ecke Kellerstraße/Hermann-Löns-Weg, liegt der Hauptprofiteur der neuen Leitungen. Dort errichtet die dataR GmbH derzeit ein großes Rechenzentrum, das 2026 in Betrieb genommen werden soll.

Und das Rechenzentrum benötigt eine große Strommenge. Sie kann das bisher dort vorhandene Netz nicht liefern. Daher baut die NordNetz für 1,1 Millionen Euro das Stromnetz aus. Davon werden auch viele Bürger in Rellingen profitieren, die automatisch an das neue, moderne Stromnetz angeschlossen werden.

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Bauleiter Dennis Fischer (links) und Projektleiter Fabian Liebold leiten die Bohrungen unterhalb der A23 für die neun neuen Stromkabel. © Arne Kolarczyk | Arne Kolarczyk

Für die Kunden geschehen die Baumaßnahmen weitgehend unbemerkt. „Die alten Stromkabel übernehmen weiterhin die Versorgung bis zur Inbetriebnahme der neuen“, sagt Projektleiter Liebold. Die neun neuen Leitungen seien extra auf drei unterschiedliche Bohrpunkte aufgeteilt worden, damit im Falle einer Beschädigung das Stromnetz nicht zum Erliegen kommt. Auf diese Weise werde eine Redundanz erreicht.

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Die Planung für diese Bauarbeiten laufen bereits seit Monaten. Ein früherer Termin für die Bohrungen war jedoch nicht möglich, da umfangreiche Abstimmungen mit den beteiligten Institutionen wie etwa der Autobahn GmbH notwendig waren. Begonnen haben die Arbeiten bereits im September, mit der Unterquerung der A23 läuft derzeit die schwierigste Phase.

Im Februar sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Dann schließt sich ein zweiter Bauabschnitt an, der aber nichts mehr mit der A23 zu tun hat und von einer Fremdfirma ausgeführt wird. Im Rahmen der Netzerneuerung entstehen in Rellingen außerdem vier fernsteuerbare Ortsnetzstationen.

Vier fernsteuerbare Ortsnetzstationen sollen Netz sicherer machen

Sie sind mit modernster Technik ausgestattet und können über die zentrale Netzleitstelle von SH Netz in Rendsburg ferngesteuert werden. Auf diese Weise sollen sich Probleme im Netz schneller identifizieren und beheben lassen.