Kreis Pinneberg. Konjunkturumfrage des Unternehmensverbandes zeichnet ein düsteres Bild. Umsätze, Aufträge und Personalbestand sind weiter rückläufig.
Die konjunkturelle Lage der Wirtschaft im Kreis Pinneberg hat sich seit Sommer weiter verschlechtert. Das ist das Ergebnis der aktuellen Umfrage des Unternehmensverbandes Unterelbe-Westküste, an der sich 110 der 400 Mitgliedsbetriebe von Wedel bis Sylt beteiligt haben. Das historische Tief, das die Wirtschaft im Kreis bereits vor einem Jahr lähmte, ist in diesem Jahr noch weiter abgerutscht, stellte Verbands-Geschäftsführer Ken Blöcker jetzt vor.
„Das zweite Halbjahr 2024 verlief nach Ansicht der Unternehmerinnen und Unternehmer bundesweit noch schlechter als das erste Halbjahr“, bilanziert Blöcker. Für jeden zweiten befragten Unternehmer sieht die Lage noch düsterer als noch im Juni – und da wurde diese schon als miserabel beurteilt. Nur jedem achten Betrieb geht es demnach besser.
Unternehmer zeichnen bitteres Stimmungsbild: Kein Aufschwung für 2025 in Sicht
Und es ist aus Sicht der befragten Manager im Kreis Pinneberg wenig Hoffnung in Sicht, erklärt Blöcker anhand des Datenmaterials. „Für das Jahr 2025 wird nicht mit einem konjunkturellen Aufschwung in Deutschland gerechnet“, fasst er das Ergebnis der Befragung zusammen. 40 Prozent der Befragten fürchten sogar, dass die Konjunktur hierzulande noch weiter abstürzt. „Es ist keine Aussicht auf Besserung vorhanden.“
Diese miese Stimmung erkläre sich vor allem daraus, dass Deutschland im internationalen Vergleich nahezu überall in den vergangenen Jahren zurückgefallen sei und nun „fundamentale Standortprobleme“ habe, beschreibt Blöcker die Entwicklung. „Das Risiko einer De-Industrialisierung nimmt kontinuierlich zu, größere Mittelständler wandern ab, kleine Mittelständler geben das Geschäft auf. Nächstes Jahr erleben wir voraussichtlich das dritte Jahr in Folge Rezession und stecken in einer hausgemachten echten Wirtschaftskrise fest.“
Zwei Drittel sind unzufrieden mit wirtschaftlicher Lage
Nur 32 Prozent der befragten Unternehmer im Kreis Pinneberg beurteilten ihre persönliche Wirtschaftslage als gut. Das ist der zweitschlechteste Wert in den vergangen drei Jahren. Vor einem, Jahr waren es sogar nur 26 Prozent, die dies sagten. Im Sommer waren es immerhin noch 37 Prozent. Jeder vierte Betriebschef im Kreis klagt über sinkende Aufträge. 40 Prozent der Befragten halten ihn für zu gering. Dass sich daran etwas im neuen Jahr ändern werde, glauben oder hoffen nur 12 Prozent der Manager.
Immerhin hat sich die Auslastung in den Betrieben leicht verbessert. „Die durchschnittliche Auslastung der Unternehmen liegt derzeit bei 83 Prozent“, referiert der Verbandschef und urteilt: „Das ist aber zu wenig. Es zeigt sich, dass sich die wirtschaftliche Misere manifestiert hat, ohne sich jedoch noch weiter zu verschlechtern.“ Denn seit der Herbstbefragung vor einem Jahr sei dieser Wert von 80 über 82 auf jetzt 83 Prozent gestiegen. Die 90-Prozent-Werte von 2022/23 sind aber längst noch nicht wieder erreicht.
Investitionsstau nimmt auch in den Betrieben des Kreises zu
Das führte auch zu einem Rückgang der eigenen Investitionen, führt Blöcker weiter aus. „Nur jedes achte Unternehmen hat in diesem Jahr die Investitionen erhöht.“ Vor drei Jahren tat dies noch jedes dritte Unternehmen. Immerhin will jeder fünfte Betriebschef im neuen Jahr wieder mehr investieren, was ein kleiner Lichtblick am sonst eher düsteren Horizont zu sein scheint.
Die weitere wirtschaftliche Verschlechterung hat auch erstmals seit Jahren wieder negative Auswirkungen auf den Arbeitskräftemarkt gehabt, erklärt Mitgeschäftsführer Sebastian Koch. Jeder vierte Betrieb beschäftigt weniger Mitarbeitende als noch im Sommer. „Die Unternehmer sind inzwischen mit Neueinstellungen und einer Aufstockung des Personalbestandes zurückhaltender als in der Vergangenheit.“ Ohnehin klage jeder dritte befragte Manager, dass die Verfügbarkeit von Fachkräften mangelhaft bis ungenügend sei.
Der Fachkräftemangel nimmt in den nächsten Jahren stark zu
Wobei der Kreis Pinneberg im Vergleich zu den anderen Regionen des Unternehmensverbandes da noch besser dastehe, so Verbandschef Koch. Doch die Prognosen ließen Schlimmes erahnen. „Die Gesamtarbeitskräftelücke in Schleswig-Holstein von derzeit 35.000 Menschen wird auf 330.000 Personen bis zum Jahr 2035 ansteigen und sich damit fast verzehnfachen. Es ist daher trotz der temporären Entspannung wieder mit deutlichen Verschärfungen zu rechnen.“
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Der Mangel an Fachkräften gehört laut der Konjunkturumfrage neben den als zu hoch eingestuften Arbeits- und Lohnnebenkosten zu den gravierendsten Problemen der hiesigen Wirtschaft – nach dem Aufwand für bürokratische Hemmnisse. 84 Prozent der Befragten würden unter der Bürokratie leiden, erklärt Blöcker. Von 442 Vorschlägen, die die Wirtschaftsverbände eingereicht hätten, um den Aufwand zu reduzieren, seien nur elf im inzwischen vierten Bürokratieabbaugesetz berücksichtigt worden.
Der Stundenlohn ist in Deutschland höher als im EU-Durchschnitt
Immerhin: Zumindest die Luftfahrtindustrie und der Schiffbau würden zurzeit noch gute Aufträge bringen, erklärt der Moorreger Unternehmer Hannes Kock. Sein 44 Mitarbeiter zählender Betrieb stellt Werkzeuge für die Zerspanungstechnik her und bereitet diese auf. „Der Maschinenbau und die Bauwirtschaft aber haben massive Probleme“, sagt Kock.
Wegen der Inflation seien die Löhne und Gehälter in den vergangenen Jahren merklich gestiegen, was die Betriebe nun aber vor große Herausforderung stelle, so Blöcker weiter. Denn erstmals seit einem Jahrzehnt sei die 40-Prozent-Marke bei den Sozialbeiträgen überschritten worden. „Die Sozialversicherung muss dringend reformiert werden“, fordert der Unternehmensverband. „Die Explosion der Lohnzusatzkosten beispielsweise durch die Pflegeversicherung wirken wie eine Strafsteuer auf Beschäftigung.“ So liege eine Arbeitsstunde hierzulande um ein Drittel über dem EU-Durchschnitt von 30,50 Euro.