Kreis Pinneberg. Verband sieht nach Befragung der Firmenchefs im Kreis erste Anzeichen für wirtschaftliche Erholung. Und das hat vor allem einen Grund.
Nach einer katastrophalen Rückmeldung beim letzten Mal scheint die Talsohle nun durchschritten, aber von einem Wirtschaftsaufschwung im Kreis Pinneberg kann dennoch keine Rede sein. Dafür hat es im ersten Halbjahr zu massive Umsatz- und Auftragseinbrüche gegeben. Das ist das Ergebnis der Konjunkturumfrage des Unternehmensverbandes Unterlebe-Westküste bei seinen etwa 400 Mitgliedern von Wedel bis Sylt. Auf den Personalbestand hat dies bislang noch keine Auswirkung gehabt. Der ist nahezu gleich geblieben.
Aber viele Unternehmer auch aus dem Kreis Pinneberg machen sich große Hoffnungen, wenn im Jahr 2028 die neue Batteriefabrik des schwedischen Konzerns Northvolt mit 3000 neuen Arbeitsplätzen in Betrieb geht, deren Sogwirkung von Heide aus bis in die Unterlebe strahlen soll.
Northvolt-Ansiedlung: Katastrophal düstere Zahlen aus Winter scheinen überholt
Vor einem halben Jahr sah es noch sehr düster aus für den Kreis Pinneberg, führte Verbandschef Ken Blöcker aus. „Da waren unsere Daten aus der halbjährlichen Befragung so katastrophal schlecht wie noch nie“, sagte der Verbandssprecher. „Jetzt aber scheint eine Kehrtwende einzutreten und Licht am Horizont zu leuchten.“ Das sei zwar noch kein Aufschwung, aber „der tiefe Fall ist beendet“.
Tatsächlich haben sich die Umfrageergebnisse im Vergleich zum Winter schon recht deutlich zum Besseren gedreht. Damals schätzten noch fast 80 Prozent der befragten Unternehmen die wirtschaftliche Entwicklung als schlecht ein. Jetzt fürchtet nur noch jeder fünfte Manager eine Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Situation. Etwas mehr als jeder dritte Befragte sieht seinen Betrieb in einem guten Fahrwasser. Vor sechs Monaten glaubte das nur jeder vierte. Noch vor zweieinhalb Jahren, im Winter 2021, sprachen noch fast 60 Prozent von einer guten Geschäftslage. Es sei also noch reichlich Luft nach oben, warnt Blöcker vor zu viel Euphorie.
Kreis Pinneberg geht es wieder schneller besser als der Westküste
Wobei sich wirtschaftlich wieder ein deutliches Süd-Nord-Gefälle zeige, erklärte Verbands-Mitgeschäftsführer Sebastian Koch. Im Kreis Pinneberg seien die Konjunkturdaten wieder erheblich besser als die an der Westküste. Das liege wohl vor allem daran, dass die Hamburg-nahen Regionen sich durch die Wirtschaftskraft der Hamburger Metropolregion schneller erholten als die in Nordfriesland. Im Norden kämen die positiven, aber auch die negativen Ausschläge immer erst später an.
Die Kerndaten der Halbjahresumfrage geben diese Einschätzungen ziemlich genau wieder. Bei 40 Prozent der befragten Betriebe sind die Aufträge im ersten Halbjahr zurückgegangen. Das befürchten jetzt nur noch 20 Prozent für das zweite Halbjahr. Die Kapazitätsauslastung liegt durchschnittlich bei rund 80 Prozent, nur knapp über dem Wert im Winter. Vor genau einem Jahr liefen die Maschinen und Dienstleistungen mit fast 90 Prozent Auslastung noch ziemlich auf Hochtouren.
Pinneberger Firmenchef: Der deutsche Maschinenbau ist in turbulenten Zeiten
Ein Wert von über 90 Prozent sei „eine gute, gesunde Auslastung“ für einen mittelständischen Betrieb, erläuterte Jan Metzger, Inhaber in fünfter Familiengeneration des Dichtungsherstellers C. Otto Gerckens in Pinneberg, der mit 255 Mitarbeitenden 40 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet. „Als Zulieferbetrieb für den Maschinenbau merken wir zurzeit, dass der Absatz doch stark ins Stocken geraten ist.“ Gerade der deutsche Maschinenbau habe durch seine technologische Schlüsselstellung viele Jahre die Wirtschaft hierzulande angekurbelt. „Das ist jetzt spürbar ruhiger geworden“, ist Metzgers Erfahrung. Auch diese Branche mache gerade „turbulente Zeiten“ durch.
Interessant ist, wie die Unternehmer für ihr Unternehmen vorsorgend dem Fachkräftemangel begegnen. Da sagten trotz der zurzeit schwierigen Wirtschaftslage mehr als zwei Drittel der befragten Manager, dass sie sofort jemanden neu und zusätzlich einstellen würden, sofern der die nötige Qualifikation mitbringe. Das bedeute, dass die meisten Unternehmer lieber heute vorsorgen möchten als morgen nicht mehr das nötige Personal zu haben, so Blöcker. Kein Wunder: Landesweit sollen nach demografischen Studien bis 2035 rund 180.000 Fachkräfte fehlen. Auch hier liegen die Antworten an der Westküste höher, weil die Betriebe dort nicht die gleichgroße Auswahl an Fachkräften wie im Hamburger Umland haben, sagt Verbandsgeschäftsführer Koch.
Bis 2035 fehlen in Schleswig-Holstein 180.000 Fachkräfte
Dennoch plane ein Fünftel der befragten Unternehmer, im nächsten Halbjahr Personal abzubauen. Doch das würde wohl überwiegend über Kurzarbeiterregelungen als über Entlassungen geschehen, ist Verbandssprecher Blöcker überzeugt. Denn durch Kurzarbeit blieben die Fachkräfte ja größtenteils dem Unternehmen erhalten. Zumal jeder zweite Firmenchef die Verfügbarkeit von Fachkräften als zurzeit mangelhaft oder ungenügend darstellt. Nur knapp ein Drittel hält sie für zumindest befriedigend. „Gut“ und „sehr gut“ hat kein einziger Unternehmer hierbei angegeben.
Und so machen sich viele Unternehmer große Hoffnung vom baldigen Northvolt-Sog. Zu Beginn des Jahres hatte dazu bereits eine Studie für die Westküstenregion ergeben, dass zusätzlich zu den 3000 direkten Arbeitsplätzen in Heide weitere etwa 9000 Arbeitsplätze in Zulieferbetrieben neu entstehen würden, 1550 davon allein im Kreis Pinneberg.
Es bedürfe eines Koordinators, der die Infrastruktur für Northvolt ingangsetzt
Diese Prognosen decken sich nun auch mit den Erwartungen der befragten Unternehmer. So gehen zwei Drittel von ihnen davon aus, dass die Ansiedlung der schwedischen Batteriefabrik die gesamte Wirtschaft in der Region mitreißen wird. In Dithmarschen selbst liegt diese positive Erwartung sogar bei 75 Prozent. Zwar befürchten auch hier im Kreis Pinneberg 16 Prozent der befragten Unternehmer, dass sie Mitarbeitende an Northvolt verlieren könnten. Zugleich aber glauben 42 Prozent, dass sie dadurch neue Fachkräfte gewinnen werden. Ebenso viele sehen Chancen, dass sie durch Northvolt neue Aufträge und Geschäftsfelder erreichen könnten.
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Allerdings müssten Staat, Land und Kommunen hierbei noch erhebliche Hausaufgaben machen, warnt Verbandssprecher Blöcker. „Es braucht einen Zeitplan und ein Gesamtkonzept.“ Am besten sollten sich erfahrene Industriemanager in den Wirtschaftsförderungsgesellschaften oder im Auftrag von Land und Kommunen darum kümmern. Denn die nötige Infrastruktur, was die Wohnungen und Kita-Plätze für die Familien der künftigen Northvolt-Mitarbeitenden angeht, sei längst noch nicht auf den Weg gebracht. Und natürlich müsse auch die Bahnanbindung von Hamburg nach Heide endlich verbessert werden, am besten, indem endlich das seit Jahren geplante dritte und vierte Fernbahngleis zwischen Pinneberg und Elmshorn gebaut werde.