Pinneberg. Die Pinneberger Kickboxerin hat reelle Aussichten, in Athen ihren ersten großen, internationalen Titel zu holen.
Am Freitag, zwölf Uhr mittags, soll die Lufthansa-Maschine vom Hamburg Airport abheben – mit Kurs Athen. Dort beginnen am Wochenende die Kickbox-Europameisterschaften. Die Pinnebergerin Pia Lindemann steuert auf den größten Triumph ihrer an Erfolgen ohnehin reichen Ringkarriere zu. „Ich werde in der Weltrangliste an Eins geführt, also gelte ich bei der EM quasi automatisch als Favoritin“, skizziert die Speditionskauffrau die Ausgangslage.
Bei der WM im vorigen Jahr war sie Dritte geworden, hatte aber im Laufe des Frühjahrs 2024 auf Ranglistenturnieren etwa in Amsterdam oder Zagreb eifriger gepunktet als ihre schärfsten Konkurrentinnen aus Polen, Ungarn und der Türkei. Ihr erklärtes „Minimalziel“ für Athen: ein Podiumsplatz.
Kickbox-Europameisterschaft: Grippaler Infekt bremste die Vorbereitung
Seit Wochen freilich bremst ein hartnäckiger grippaler Infekt die Vorbereitung. Pia schiebt das Ärgernis beiseite: „Bis zum Beginn der EM bin ich bestimmt damit durch.“ Bereits im Frühjahr hatte sie sich eine komplizierte Bänderverletzung im linken Fuß zugezogen, die sie wochenlang außer Gefecht setzte. Klar, dass die Trainingsintensität unter Verletzung und Krankheit litt.
Die Folge: Lindemann legte an Gewicht zu, sodass sie bis zum ersten Wiegen in Athen noch ein gutes Kilo abspecken muss, um im Limit ihrer Gewichtsklasse, dem Halbschwergewicht, zu bleiben. Die Obergrenze liegt bei 70 Kilo.
Bei allem Selbstvertrauen, das Pia Lindemann ausstrahlt, weiß sie, dass bei einem hochkarätigen Turnier, in dem von Beginn an im K.o.-Modus gefightet wird, viel passieren kann – von schlechter Tagesform über den „lucky Punch“ einer Kontrahentin bis hin zu zweifelhaften Kampfrichterurteilen.
Kickboxen: Gegnerinnen aus Osteuropa sind bärenstark
Deshalb hofft sie, in der ersten Runde als Top-gesetzte Boxerin ein Freilos zu bekommen. Dann blieben nur noch zwei Ringschlachten bis zum Finale. „Der Europameistertitel wäre mein Traum, aber dazu muss ich bärenstarke Gegnerinnen aus Osteuropa bezwingen“, sagt die 29-Jährige. „Und dabei dürfen wir nicht vergessen, dass einige aus dem Juniorinnenbereich neu hinzukommen. Die kenne ich nicht, deren Fähigkeiten sind kaum einzuschätzen.“ Oftmals handele es sich um staatlich geförderte Nachwuchstalente, „gewissermaßen ‘ne Wundertüte“, sagt Lindemann, die im Gegensatz zu denen einem Vollzeitjob nachgeht.
Ohnedies lägen die Fähigkeiten der Spitzenathletinnen „nur um Nuancen auseinander“. Die bisher auf diesem Niveau erlittenen Niederlagen waren keineswegs von der Güte, dass die Deutsche sich nicht eine siegreiche Revanche vorstellen könnte.
Pia Lindemann begann als 13-Jährige mit dem Kickboxen
Ihr Kampfstil ist offensiv ausgerichtet, wobei sie naturgemäß stets Gefahr läuft, ausgekontert zu werden. Ihre Stärke sieht sie bei den Fuß-Kicks, die sie einst beim Taekwondo erlernte. Als 13-Jährige begann sie im Jahr 2009 dann mit dem Kickboxen. Sie bewies zwar Talent, doch es mangelte an Kontinuität. Denn berufsbedingt musste Pia immer wieder Pausen einlegen. Zwischenzeitlich war sie gar für sieben Jahre raus aus der Szene.
Ihr Bruder Leon jedoch mochte sich damit partout nicht abfinden. Er betreibt selbst den Sport und drängte seine Schwester unermüdlich, wieder anzufangen mit dem Kickboxen. Vor drei Jahren entschloss Pia sich zu einem Comeback: „Seitdem bin ich in Deutschland in meiner Gewichtsklasse ungeschlagen.“
Kickboxen: Jahresurlaub geht regelmäßig für Trainingslehrgänge drauf
Nebenher ist die Trägerin des Schwarzen Gürtels auch noch als Kampfrichterin tätig. Zudem hat sie den Trainerschein für Kickbox-Breitensport gemacht. Mangelndes Engagement kann ihr also niemand vorwerfen. Der Jahresurlaub geht regelmäßig für mehrtägige Fahrten zu Trainingslehrgängen innerhalb Deutschlands und Wettkampfturnieren im In- und Ausland drauf. Private Ferienreisen sind einstweilen gestrichen.
Lesen Sie auch
Die regelmäßigen Laufeinheiten an der frischen Luft des Pinneberger Stadtwalds, dem Fahlt. können dieses Manko kaum aufwiegen. Das substanzielle Boxtraining indes absolviert Lindemann in Hamburg-Bramfeld, wo sie mit den besten Trainern und Sparringspartnerinnen der Region arbeiten kann.
Coach Frank Feuer sorgt sich zwar ein wenig wegen des krankheitsbedingten Trainingsrückstands, ist aber vom Können seines Pinneberger Schützlings überzeugt: „Pia kämpft technisch sehr variabel und verfügt über eine stabile Physis. Deshalb traue ich ihr den Europameistertitel auf jeden Fall zu.“