Heidgraben. „Den Anblick werde ich nie vergessen.“ Heidgrabenerin kann den kleinen Waldemar retten. Was sie nun im Namen des Tierschutzes fordert.

Waldemar mag‘s weich. Am liebsten schleckt das Igelmännchen in Heidgraben Babybrei mit Hühnchen, den es mit seiner Zunge hungrig in das kleine Mäulchen schaufelt. Kauen kann der kugelige Kerl nicht mehr: Waldemars Oberkiefer und seine kleine Nase wurden von einem Mähroboter komplett zerfetzt.

Dass er heute ein so munterer Igel ist und fleißig frisst, hat er tierlieben Menschen zu verdanken, die aufgepasst und ihn aufgepäppelt haben. Menschen wie Wenke Ziehrock, die Waldemar bei sich ein Zuhause gegeben hat. Emsig flitzt der durch sein großzügiges Gehege im ersten Stock ihres Einfamilienhauses. Mit dem ihm noch verbliebenen Unterkiefer stupst er sein Plüschtierchen hin und her. Ein Moment, der die 53-Jährige immer wieder berührt.

Heidgrabenerin päppelt den verletzten Igel seit Dezember 2023 auf

Wenke Ziehrock fängt an zu erzählen. Vom 23. Dezember 2023, als vor ihrer Haustür ein Bekannter steht, in der Hand eine federleichte Stachelkugel. Es ist das Igelchen mit dem späteren Namen Waldemar, das in seinen Garten gelaufen war und sich dort unermüdlich hin und her bewegte. Vorsichtig legt Wenke Ziehrock den kleinen Kerl in einen mit Zeitungspapier ausgelegten Wäschekorb. Stellt diesen auf den beheizten Fußboden, Futter und ein Wasserschälchen hinzu. Und wartet geduldig ab, bis sich das Stacheltierchen nach und nach auskugelt.

Geretteter Igel: Dass Waldemar heute ein so munteres Kerlchen ist, hat er tierlieben Menschen zu verdanken.
Geretteter Igel: Dass Waldemar heute ein so munteres Kerlchen ist, hat er tierlieben Menschen zu verdanken. © Wenke Ziehrock | Wenke Ziehrock

„Den Anblick werde ich nie vergessen. Ich habe geschrien vor Entsetzen“, sagt die Frau mit den langen dunklen Haaren. „Kein Gesichtchen war zu erkennen, nur ein offener Unterkiefer.“ Plötzlich, so erzählt sie weiter, habe sich der kleine Igel auf die Seite gelegt und ein Pfötchen nach ihr ausgesteckt. „Als wollte er mir zurufen: ,Hilf‘ mir bitte, ich möchte leben‘.“ Das war für die Heidgrabenerin ein Zeichen.

Igel-Rettung: Quickborner Tierärztin startete die Erstversorgung

„Mein Lebensgefährte und ich haben uns gleich ins Auto gesetzt und sind zum Not-Tierdienst nach Quickborn gefahren.“ Mit der Befürchtung, dass Waldemar wohl eingeschläfert werden müsste. Doch Tierärztin Kirsten Meyer von der mobilen Tierpraxis Blue Moon beschließt, dem kleinen Igel, dessen Wunden, so das Ergebnis ihrer Untersuchung, bereits fünf bis sechs Wochen alt waren, eine Chance zu geben. Vier Monate lang päppelt sie das nur 270 Gramm leichte Tierchen auf, versorgt es medizinisch.

Mit Erfolg: Seit Ende April 2024 ist Waldemar wieder in Heidgraben bei Wenke Ziehrock. Ein properes, 600 Gramm schweres Kerlchen, das zwar nicht mehr draußen allein leben kann, aber wieder Freude am Fressen, Laufen und Leben hat. Jetzt erst recht! Denn Waldemar ist nicht mehr allein! Charlotte, ein Igelweibchen, ist nach zweiwöchiger Genesungsphase in der Tierarztpraxis von Kirsten Meyer vor wenigen Tagen ebenfalls im Hause Ziehrock eingezogen. Auch Charlotte ist Opfer eines Mähroboters, dessen Messer ihr Näschen und ihren Kiefer brutal vertikal durchgeschnitten und so halbiert hat.

Wildtier des Jahres: Igel unter Artenschutz – Köln erlässt Nachtfahrverbot für Mähroboter

Igel zählen nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu den besonders geschützten Arten. 2024 hat die Deutsche Wildtierstiftung den Igel zum Wildtier des Jahres gewählt, um auf das Problem der rückläufigen Igelbestände aufmerksam zu machen. Grund genug für die Stadt Köln, mit Wirkung vom 1. Oktober 2024 als erste Großstadt ein Nachtfahrverbot für Mähroboter zum Schutz von Igeln und Kleintieren zu erlassen.

Heidgrabener Igel-Station: Auch Waldemars Mitbewohnerin Charlotte ist Opfer eines Mähroboters, dessen Messer ihr Näschen und ihren Kiefer brutal vertikal durchgeschnitten und so halbiert hat. 
Heidgrabener Igel-Station: Auch Waldemars Mitbewohnerin Charlotte ist Opfer eines Mähroboters, dessen Messer ihr Näschen und ihren Kiefer brutal vertikal durchgeschnitten und so halbiert hat.  © Bianca Bödeker | Bianca Bödeker

Die Verbotszeiten orientieren sich an den Hauptaktivitätszeiten des Igels sowie den Sonnenuntergangs- bzw. Sonnenaufgangsuhrzeiten. Sie beginnen bereits während der Hauptdämmerungszeiten: 30 Minuten vor Sonnenuntergang bzw. 30 Minuten nach Sonnenaufgang.

Die Begründung: „Igel sind deshalb so verletzungsgefährdet, weil sie in der Dämmerung und nachts nach Nahrung suchen und bei Kontakt mit dem Mähroboter nicht flüchten, sondern sich zusammenrollen. Hierbei kann es passieren, dass sie überrollt und verletzt oder gar getötet werden. Diese Gefahrenquelle kann leicht vermieden werden, indem die Nutzung der Geräte auf den Tag beschränkt wird.“

Laubsauger und -bläsert sind ebenfalls Feinde des Igels

Auch auf Laubsauger oder -bläser sollte verzichtet werden. Die Tiere könnten eingesaugt oder weggeblasen werden. Laubhaufen sind den Igeln übrigens ein wunderbarer Unterschlupf, um ihren fünf bis sechs Monate langen Winterschlaf abzuhalten.

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Damit sich diese überhaupt in den Winterschlaf rollen können, müssen sie sich ein ordentliches Fettpolster anfressen. Wer sie dabei unterstützen möchte, kann gern ein kleines Schälchen mit Katzenfutter oder Haferflocken herausstellen. Das steht auch bei Wenke Ziehrock im Garten – hier wohnt derzeit eine Igelmutter mit sechs Kindern, die alle noch ein wenig an Gewicht zulegen müssen für den Winterschlaf.

Station in Tornesch: Schon die Mutter Karin Ziehrock pflegte mehr als 25 Jahre die Igel

Seit ihrer Kindheit schlägt das Herz der 53-Jährigen für die kleinen Stacheltiere. Viele Schicksale habe sie gesehen und begleitet, sagt sie. An der Seite ihrer vor neun Jahren verstorbenen Mutter Karin Ziehrock, die mehr als 25 Jahre lang in ihrer Igelstation in Tornesch gemeinsam mit vielen Helfern aus dem Kreis Tausende Igel vor dem Tod gerettet hat. Wenke Ziehrock wünscht sich, dass weitere Tierärzte im Kreis Pinneberg und darüber hinaus dem Beispiel von Tierärztin Kirsten Meyer folgen. Und schwerverletzte Igel nicht gleich einschläfern, sondern, wenn noch ein Funken Hoffnung besteht, ihnen die Chance zu geben, weiterzuleben.

Diese Igel brauchen wirklich Hilfe

Laut Naturschutzbund Deutschland benötigen diese Igel Hilfe:

• Igeljunge, die tagsüber außerhalb des Nestes angetroffen werden. Sie sind meist unterkühlt und mutterlos.

• Tiere, die längere Zeit in Fallen ohne Wasser und Nahrung waren.

• Kranke Igel. Sie erkennt man daran, dass sie tagaktiv und abgemagert sind, kraftlos und zittrig laufen, apathisch oder schwach sind. Ein auffälliges Zeichen ist, dass sich kranke Igel kaum einrollen. Auch Igel mit starkem Floh-, Wurm- und Zeckenbefall sind hilfsbedürftig.

• Verletzte Igel. Die Ursache für mögliche Verletzungen sind vielfältig. Oft sind es Schnitt-, Stich-, Biss- oder Brandverletzungen.

• Igel, die nach Wintereinbruch tagsüber herumlaufen.

Immer wieder werden den Tierschutzvereinen untergewichtige und kranke kleine Igel gemeldet, die dringend der Fürsorge bedürfen, damit auch sie mit einem Gewicht von rund 500 Gramm in ein Winterquartier überführt werden können. Wer einem Jungtier ein Zuhause in einem mit Zeitungspapier ausgelegten Karton oder ähnliches geben möchte und es so lange versorgen kann, bis es das notwendige Gewicht erreicht hat, bitte melden!

Wenden Sie sich dazu gern an die Tierschutzvereine im Kreis:

Tierschutzverein Tornesch und Umgebung e.V.
Postfach 2216
25438 Tornesch
0176 / 45 92 58 87
www.tierschutzverein-tornesch.de
info@tierschutzverein-tornesch.de

Tierschutzverein Elmshorn und Umgebung e.V.
Justus-von-Liebig-Straße 1
25335 Elmshorn
04121 / 849 21
www.tierheim-elmshorn.de
info@tierheim-elmshorn.de

Tierschutzverein Pinneberg und Umgebung e.V.
Am Hafen 52
25421 Pinneberg
0176 / 57 09 04 41
www.tierschutzverein-pinneberg.de
kontakt@tierschutzverein-pinneberg.de