Kreis Pinneberg/Hamburg. Auf Betriebshöfen der KViP stehen alle Fahrzeuge still. Auch VHH-Linien sind betroffen. Wie lange und wo genau gestreikt wird.

Der ZOB in Elmshorn ist am Donnerstagvormittag nahezu verwaist. Der Stadtbusverkehr steht still, alle Fahrzeuge sind im Depot geblieben. Auch auf den anderen Linien der KViP im Kreis Pinneberg geht nichts. Die Gewerkschaft Verdi hat die Busfahrer in Schleswig-Holstein zum Warnstreik aufgerufen – zunächst befristet bis zum Betriebsschluss am Freitag.

Eigentlich war die Streikgefahr im Busverkehr längst gebannt. Doch weil die Arbeitgeber des Omnibusverbands Nord (OVN) in letzter Sekunde den bereits ausgehandelten Tarifabschluss platzen ließen, sind die Busfahrer in den Ausstand getreten.

Streik bei Busfahrern: Arbeitgeber erklären Einigung am letzten Tag für nichtig

Auch der Kreis Pinneberg ist betroffen, weil die Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP) ebenfalls OVN-Mitglied ist. Die KViP hat an ihren Haltestellen Aushänge angebracht und auf vier ganztägige Streiktage hingewiesen, an denen das Unternehmen betroffen sein wird.

Demnach fallen die Fahrten auf allen Linien der KViP inklusive des Stadtbusverkehrs in Elmshorn am Donnerstag, 10. Oktober, sowie am Freitag, 11. Oktober, aus. Gleiches gilt nach Unternehmensangaben auch für Dienstag, 15. Oktober, und den nachfolgenden Mittwoch, 16. Oktober. Diese Daten nennt die KViP auch auf ihrer Homepage, bezeichnet sie jedoch als voraussichtliche Streiktage. Auch die Schülerbeförderung ist vom Streik betroffen.

KViP fährt auch im Auftrag der VHH

Nicht betroffen sind die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), die über einen Haustarif verfügen. Allerdings ist die KViP quasi als Subunternehmer auf einigen Linien der VHH am Hamburger Rand aktiv. Diese Fahrten fallen nun streikbedingt aus. Aktuell sind viele Busnutzer verunsichert, weil sie nicht wissen, ob ihr Bus fährt oder nicht.

Insgesamt fährt die KViP direkt auf 23 Linien im Kreis, den Stadtbusverkehr in Elmshorn mitgerechnet. Diese Fahrten fallen komplett aus. Teilausfälle kann es zudem auf folgenden Linien im Kreis Pinneberg geben: Linie 2 Schenefeld – U S Berliner Tor, Linie 3 Schenefelder Platz – Rathausmarkt – Rothenburgsort, Linie X95 Bf. Pinneberg – Hamburg Airport, Linie 189 S Wedel – S Blankenese, Linie 195 U Niendorf Nord – Bf. Pinneberg, Linie 289 S Wedel – Moorwegsiedlung – S Wedel, Linie 295 U Garstedt - Bf. Pinneberg und Linie 384 Schnelsen, Kalvlohtwiete – S Elbgaustraße – Schenefelder Platz.

Ver.di hatte auf Mitgliederbefragung verzichtet

Was ist passiert? Am 3. September hatten Verdi und die Arbeitgeber des Omnibusverbands Nord (OVN) sich auf einen Lohn- und Gehaltstarifvertrag verständigt. Im Anschluss begann eine sogenannte Erklärungsfrist. Sie wird beispielsweise benötigt, falls die Gewerkschaft ihre Mitglieder über die mögliche Annahme des Tarifkompromisses befragt.

In diesem Fall hatte Verdi darauf verzichtet. „Unsere Tarifkommission hat frühzeitig der Vereinbarung zugestimmt“, berichtet Schischefsky. Die Arbeitgeberseite habe dann jedoch am letzten Tag der Frist erklärt, den Tarifvertrag nicht unterzeichnen zu wollen.

Gewerkschaft hält Argumentation der Arbeitgeber für falsch

Begründet worden sei dies laut dem Verdi-Sprecher mit Kürzungen von Landesmitteln für den ÖPNV durch die Kieler Regierung, sodass die vereinbarten finanziellen Rahmenbedingungen nicht mehr erfüllbar seien. Schischefsky hält diese Argumentation für „definitiv falsch“.

Er spricht davon, dass die Mittel nicht gekürzt, sondern nur auf dem bisherigen Stand eingefroren worden sind. Außerdem sei dies bereits vor der Tarifeinigung bekannt gewesen. Schischefsky: „Für die Beschäftigten, die sich im Kern auf vier große Unternehmen im Land verteilen, ist die Erklärung der Arbeitgeberseite in keiner Weise nachvollziehbar und man fragt sich, ob das nicht von Anfang an so von den Vertretern der kleinen Busunternehmen geplant war, um auf Zeit zu spielen, denn die Argumente sind bei näherer Betrachtung schlicht irreführend.“

Neuer Tarifvertrag wäre rückwirkend zum 1. Juli in Kraft getreten

Der Gewerkschaftssprecher verweist auf die Homepage der Arbeitgeber, wonach diese den Tarifabschluss mit einer Lohnsteigerung von 4,06 Prozent bewertet hätten. „Wo wollen die denn mit ihrem Verhalten hin? Soll da ein Prozent herauskommen? Das geht gar nicht.“

Der neue Tarifvertrag hätte rückwirkend zum 1. Juli 2024 in Kraft treten und Gültigkeit bis zum 30. Juni 2026 haben sollen. Zunächst hätten zwölf Leermonate gegolten, dann wären zum 1. Juli 2025 und 1. Februar 2026 Lohnerhöhungen von jeweils 137,50 Euro gefolgt.

Tarifeinigung sah zwei Lohnerhöhungen und Inflationsprämie vor

Auch eine Inflationsausgleichsprämie, zahlbar noch 2024, in Höhe von 850 Euro gehörte zu der Einigung. „Wir als Gewerkschaft hätten damit gut leben können. Wir hatten nicht der Eindruck, dass ein besseres Ergebnis erzielbar gewesen wäre“, so Schischefsky weiter.

Zum OVN gehören aktuell rund 80 private Busunternehmen aus Hamburg und Schleswig-Holstein mit etwa 1700 Bussen und circa 3000 Beschäftigten, wobei es sich mehrheitlich um kleine Unternehmen handelt. Eine Ausnahme ist die Kreisverkehrsgesellschaft in Pinneberg (KViP) mit Sitz in Uetersen, die 160 Mitarbeiter beschäftigt und 60 Busse auf die Straße bringt.

Auch der Stadtbusverkehr in Elmshorn fällt streikbedingt aus

Nutzer der vielen kreisweiten Linien der KViP – das Unternehmen ist auch für den Stadtbusverkehr in Elmshorn zuständig – müssen sich in den nächsten Tagen auf viele Komplettausfälle einstellen. Verdi kündigt als Streiktage bereits den 10., 11., 14., 15., 16. und 17. Oktober an.

Welche Unternehmen in Schleswig-Holstein an den genannten Tagen bestreikt werden, will die Gewerkschaft erst kurz vorher ankündigen. „Wir werden jeweils am Vorabend um 18 Uhr kommunizieren, wo für den nächsten Tag Streikaufrufe erfolgen“, so der Gewerkschaftssprecher. Die Gewerkschaft will durch die kurzfristige Ankündigung die Eskalationsstufe erhöhen.

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„Die Busfahrer waren nach der Erklärung der Arbeitgeber so sauer, dass sie ihre Busse am liebsten sofort stehengelassen hätten“, berichtet Schischefsky. Nach seinen Angaben hat die Tarifkommission der Gewerkschaft einstimmig umfangreiche Maßnahmen beschlossen.

Sie sollen den Arbeitgebern deutlich machen, „dass die Beschäftigten nicht die Zeche für falsche Kalkulationen und vermeintliche Mittelkürzungen zahlen werden“. Und der Verdi-Sprecher sagt weiter: „Es gibt einen Eskalationsfahrplan, der aber durch eine Unterzeichnung der Vereinbarung jederzeit gestoppt werden kann.“

Auch der Schülerverkehr sowie der Schienenersatzverkehr werden bestreikt

Die Gewerkschaft will Ernst machen und bestimmte Bereiche, die bisher nicht bestreikt wurden, dieses Mal mit einbeziehen. Dazu zählen etwa Schienenersatzverkehre oder der Flughafenzubringer Kilius, der zwischen dem Hamburger Flughafen und Kiel pendelt. Auch die Schülerverkehre werden bestreikt.

Für Mittwoch, 16. Oktober, kündigt die Gewerkschaft eine Demonstration der Busfahrer vor der Geschäftsstelle des OVN in Kiel an. Nach dem vorerst letzten Streiktag am 17. Oktober werde sich die Tarifkommission erneut zusammensetzen, kündigt Schischefsky an.

Gewerkschaft schließt auch unbefristeten Arbeitskampf nicht aus

„Wir gucken, was der Arbeitgeber macht.“ Bisher habe dieser außer der Rückzugsankündigung keinerlei Vorschläge gemacht. Der Verdi-Sprecher schließt im Extremfall auch eine Urabstimmung mit dem Ziel eines unbefristeten Arbeitskampfes nicht aus.

„Wir bedauern sehr, dass es uns nicht gelungen ist, in unseren politischen Gesprächen mit Landräten und Ministerium zu erreichen, dass in den bestehenden Verkehrsverträgen Preismechanismen verankert werden, die fortan die tatsächliche Kostenentwicklung der Busunternehmen vor Ort real abbildet“, so der OVN-Verhandlungsführer und Vorsitzender Klaus Schmidt in einer Pressemitteilung.

OVN will mit Verdi gemeinsame und tragfähige Lösung finden

Er spricht von einer Streichliste, die von der Landesregierung vor wenigen Tagen verkündet wurde und in der „für uns völlig unerwartet auch der ÖPNV enthalten ist“. Daher seien für die OVN die „mit der gefundenen Tarifeinigung verbundenen Kostensteigerungen für das Personal schon im kommenden Jahr nicht mehr gegenfinanziert“. Der OVN strebe, wenn auch unter geänderten Vorzeichen, ein gemeinsames und tragfähiges Ergebnis gemeinsam mit Verdi an.