Scharbeutz/Pinneberg. Turbulentes Treffen der Landesverbände in Scharbeutz. Hinterher tauchen Indiskretionen auf. Jungpolitiker vermutet Kampagne vor Wahl.
Dieses turbulente Treffen hallt nach: Etwa 80 junge Frauen und Männer der FDP haben sich ein Wochenende lang an der Ostsee mit Politik beschäftigt. Doch statt über ihre Inhalte und Forderungen wird jetzt über einen anonym verbreiteten Brief gestritten, in dem von Hausverbot, Alkoholexzess und Schlägerei berichtet wird. Einer der Beteiligten, der Pinneberger Vorsitzende der Jungen Liberalen (JuLi), und die anderen Betroffenen der Jugendorganisation der FDP stellen den Vorfall aber anders dar.
Was war passiert? In dem anonymen Schreiben ist davon die Rede, dass es in Scharbeutz Beschwerden von anderen Herbergsgästen wegen Lärms und übermäßigen Alkoholkonsums gegeben habe, die zum überstürzten und von der Jugendherberge forcierten Auszug der Jungliberalen geführt haben sollen. Überdies soll es eine Schlägerei zwischen dem schleswig-holsteinischen Landesvorsitzenden Finn Flebbe (28) und dem Pinneberger Ortsvorsitzenden Lukas Ellgoth (23) gegeben haben, die mit einem blauen Auge von Flebbe endete. Doch dieser Darstellung widersprechen die Beteiligten vehement.
Alkohol durfte in Maßen, nicht in Massen getrunken werden
„Wir haben drei Tage lang inhaltlich diskutiert“, berichtet Lukas Ellgoth aus Pinneberg. Dafür hatten sich die Jungen Liberalen kompetente Gesprächspartner zu ihrem Treffen in der Jugendherberge Scharbeutz eingeladen: die Bundestagsabgeordnete Gyde Jensen und den früheren Landesminister Bernd Buchholz, beide FDP, sowie einen Jugendoffizier der Bundeswehr. Tourismus war eines der Hauptthemen, zu denen die JuLis jetzt ein Programm ausarbeiten wollen, um den Norden noch attraktiver für Gäste zu machen.
„Sicherlich stand auch Spaß miteinander auf dem Programm“, sagt Ellgoth. Auf lockerer Ebene sollten sich die jungen Politiker aus den Landesverbänden Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen näherkommen. Mit den Herbergseltern war auch vereinbart, dass abends Alkohol in Maßen getrunken werden durfte.
Doch diese Freiheit scheinen einige Heranwachsende ein wenig überzogen zu haben. Auf jeden Fall gab es in der Nacht Klagen anderer Gäste. Vor allem die Bewohner eines Zimmers fielen aus dem Rahmen, sodass die Leitung des Hauses froh war, am Sonntag schnell die JuLi-Gruppe aus dem Haus zu bekommen. Andere hätten sogar behauptet, dass der Tross mit den Worten „Bitte kommt nicht wieder“ verabschiedet wurde.
Jugendherberge Scharbeutz: „Hausverbot“ hat es für die Jungen Liberalen nicht gegeben
Ein „Hausverbot“, von dem der anonyme Briefeschreiber berichtet, hat es definitiv nicht gegeben. Das bestätigt auch Katharina Pauly, Sprecherin im Landesverband Nordmark des Deutschen Jugendherbergswerks. Wenn die Gruppe sich an den Werten des friedlichen Zusammenlebens in den Jugendherbergen halte, werde sie auch wieder aufgenommen und willkommen sein.
Um für eine Beruhigung der Situation zu sorgen, hat der amtierende Landesvorsitzende Finn Flebbe am Freitag noch einmal in der Jugendherberge das Gespräch gesucht. Die JuLis sind sogar dabei, eine weitere Tagung dort zu organisieren. Per Instagram wird ein Bild geteilt. Dazu heißt es: „Die Jugendherberge und wir sind uns einig: Auch weiterhin sollte es möglich sein, dass politische Jugendorganisationen spannende-Events zur politischen Bildung organisieren können. Deswegen freuen wir uns, auch zukünftig mit der Jugendherberge Scharbeutz kooperieren zu können. Das nächste Event ist bereits in Planung.“
Blaues Auge: Schlägerei sei nur freundschaftliche, aber schmerzhafte Rangelei gewesen
Ins Reich der Fantasie und möglicherweise der stillen Post scheint dagegen die angebliche Schlägerei zu gehören. „Wir sind privat dick befreundet“, sagt Flebbe, der selbst nicht in der Jugendherberge, sondern zu Hause übernachtet hatte. Er schildert das schmerzhafte Zusammentreffen so: „Wir sind am Sonntagmorgen schwimmen gegangen, haben Armdrücken gemacht und danach gerangelt. Dabei sind wir mit den Köpfen zusammengestoßen.“ Daher stamme das blaue Auge.
Auch Lukas Ellgoth muss eher schmunzeln, wenn er an die Kraftprobe am Strand denkt. „Wenn Sie sich uns beide anschauen, bin ich Finn körperlich immer unterlegen.“ Der sei schließlich bei der Bundeswehr gewesen.
Steckt eine politische Kampagne gegen den JuLi-Chef hinter dem anonymen Brief
Der Landesvorsitzende und sein möglicher neuer Vize können sich vorstellen, dass hinter der Veröffentlichung eine politische Kampagne stecken könnte. „Es ist schon auffällig, dass kurz vor der Neuwahl so ein anonymer Brief auftaucht“, sagt Flebbe. Das könne der Versuch sein, ihn oder andere zu diskreditieren. Aber es könne auch einfach Zufall sein, dass der Briefeschreiber erst mehrere Wochen nach dem Seminar in Scharbeutz möglicherweise nur Gehörtes verbreitet habe.
Tatsächlich stellt sich der JuLi-Chef an diesem Wochenende erneut beim Landeskongress in Neumünster zur Wahl. Spontan habe vor Kurzem ein weiterer Kandidat seinen Hut in den Ring geworfen. Auch für die übrigen Posten im Landesvorstand gibt es mehr Kandidaten als Aufgaben. Als Stellvertreter kandidiert beispielsweise der Pinneberger JuLi-Chef Lukas Ellgoth. JuLi-Landesverbands-Sprecher Jan Gooß betont: „Ich kann mir von keinem der Kandidaten vorstellen, so etwas initiiert zu haben oder mitzutragen.“
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Jetzt hoffen die Organisatoren des Landeskongresses, dass sich die Wogen glätten und beim Kongress mehr über Inhalte als eine aus dem Ruder gelaufene Freizeitaktivität diskutiert wird. Finn Flebbe mahnt: „In einer Gesellschaft, die sich immer mehr spaltet, sollte wieder mehr miteinander gesprochen werden, wenn es Probleme gibt.“