Pinneberg. Duschen gesperrt, Toiletten auf dem Hof, Scheiben kaputt: Gewerkschaft schockiert über Bedingungen für 175 Polizei- und Kripobeamte.

Die Toiletten nicht nutzbar, die Duschen gesperrt. Eine schusssichere Scheibe, die aus dem Rahmen fällt. Dies sind nur einige Mängel im völlig veralteten und maroden Gebäude des Polizeireviers in Pinneberg. Die Gewerkschaft der Polizei beklagt den „desaströsen Zustand“ der Immobilie und die „unhaltbaren Zustände“ vor Ort.

Etwa 175 Mitarbeiter von Schutz- und Kriminalpolizei arbeiten täglich in dem 1982 eingeweihten Dienstgebäude an der Elmshorner Straße. Einer von ihnen ist Marcel Kretschmer, der dort als Revierführungsbeamter und stellvertretender Leiter des Polizeireviers tätig ist.

Polizeirevier in Pinneberg marode: Jeden Tag sind Handwerker im Haus

Er bestätigt die Angaben der Polizeigewerkschaft. „Der Zustand des Gebäudes ist erschreckend.“ Jeden Tag seien mittlerweile Handwerker im Haus, die verzweifelt versuchen würden, wenigstens die schlimmsten Mängel zu beseitigen. Jedoch ohne messbaren Erfolg.

Bereits seit Jahren sind die gravierenden Probleme in dem Pinneberger Dienstgebäude öffentlich bekannt. Schon 2016 griff das NDR-Fernsehen das Thema der maroden Immobilie auf. Dort existieren nicht nur schwerwiegende Mängel in der Infrastruktur des Gebäudes, sondern die Räumlichkeiten sind auch viel zu klein. „Es wurden in den vergangenen Jahren bereits diverse Organisationseinheiten ausgelagert“, weiß Kretschmer.

Dieser Toilettencontainer im Hinterhof steht den etwa 175 Mitarbeitern im Polizeirevier Pinneberg zur Verfügung.
Dieser Toilettencontainer im Hinterhof steht den etwa 175 Mitarbeitern im Polizeirevier Pinneberg zur Verfügung. © HA | HA

Mehrere Einheiten der Kriminalpolizei sind nach Tornesch beziehungsweise an einen zweiten Standort innerhalb Pinnebergs umgezogen. Das stellt die Beamten nicht nur organisatorisch vor Herausforderungen, sondern führt auch für das Land als Dienstherr zu erheblichen Kosten.

Immerhin verfügen die ausgelagerten Ermittler über bessere Arbeitsbedingungen als ihre Kollegen am Hauptsitz. Dort sind inzwischen alle Toiletten im Gebäude gesperrt. Bereits 2016 gab es in den Toilettenräumen üble Geruchsbelästigungen, inzwischen haben sich die maroden Leitungen völlig zugesetzt und sind aktuell nicht mehr nutzbar.

Für 175 Mitarbeiter steht ein Toilettencontainer auf dem Hof zur Verfügung

„Hinten auf dem Hof ist ein Toilettencontainer aufgestellt worden, den die Kolleginnen und Kollegen nutzen müssen“, berichtet Kretschmer. Besucher, die etwa während der Wartezeit mal müssen, müssen sich das verkneifen. „Besuchertoiletten sind nicht mehr vorhanden“, so Kretschmer weiter. Auch die Toiletten im Gewahrsamszellentrakt sind gesperrt.

Kollegen, die im Sommer in der Dienstkleidung ins Schwitzen kommen, müssen auf das Duschen verzichten. Teilweise stand zuletzt noch eine Dusche für 70 Männer zur Verfügung. Laut dem Vize-Revierleiter ist diese aktuell ebenfalls nicht nutzbar. Im Winter fiel die Heizung tagelang aus, Feuerwehr und THW halfen mit Wärmegeräten aus.

Ein Blick in die gesperrten Sanitärräume im Gebäude. Hier sind die Abwasserleitungen derart marode, dass eine Reparatur seit Jahren fehlgeschlagen ist.
Ein Blick in die gesperrten Sanitärräume im Gebäude. Hier sind die Abwasserleitungen derart marode, dass eine Reparatur seit Jahren fehlgeschlagen ist. © HA | HA

Zu allem Überfluss fiel vor Kurzem im Wachbereich eine schusssichere Scheibe ohne Vorwarnung aus dem Rahmen und krachte in das Büro des Dienstgruppenleiters. Verletzt wurde zum Glück niemand.

„Spätestens jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, der nicht mehr hinzunehmen ist“, schreibt der Vorstand der Regionalgruppe Segeberg-Pinneberg der Gewerkschaft der Polizei. Die Verbandsvertreter fordern die zuständige Polizeiführung in Bad Segeberg und die Landespolitik auf, die Arbeitsbedingungen der Einsatzkräfte im Pinneberger Revierbereich „wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen“.

Vize-Revierleiter beklagt die ständige Flickschusterei am Gebäude

„Leider tut sich hier seit Jahren nichts“, bedauert Vize-Revierleiter Kretschmer. Er beklagt die ständige Flickschusterei, die seit Langem betrieben werde. Eine Abhilfe sei jedoch nicht erfolgt, stattdessen sei über die Jahre vieles noch schlimmer geworden.

Bereits 2018 war öffentlich die Rede davon, dass die Toiletten im Revier ständig überlaufen und die Fallrohre sich zugesetzt haben. Damals hieß es, dass die Sanitärleitungen in dem 1982 gebauten Gebäude abschnittsweise komplett herausgerissen und erneuert werden sollen. Bauarbeiten sind auch erfolgt, erfolgreich waren sie nicht.

Bereits 2018 war den Polizisten in Pinneberg ein Neubau avisiert worden

Schon vor sechs Jahren hieß es zudem, dass es in Pinneberg auf einen kompletten Neubau des Reviers hinauslaufen werde. Damals wollten Finanz- und Innenministerium diese Option prüfen lassen, auch nach verfügbaren Flächen in der Kreisstadt suchen. Als zweite Option stand die Vergrößerung am bisherigen Standort im Raum, die durch die Übernahme des bisherigen Jobcenters erreicht werden sollte.

2018 sollte dieses Projekt höchste Priorität genießen, hieß es. „Passiert ist nichts“, fasst es Kretschmer zusammen. Er kämpfe täglich gemeinsam mit Revierleiter Patrick Melber y Baric darum, die Motivation der Kollegen hochzuhalten. „Die Kolleginnen und Kollegen machen einen tollen Job, aber wir brauchen endlich zumutbare Arbeitsbedingungen“, so der Vize-Revierleiter.

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Man stelle keine großen Ansprüche, betont Kretschmer. Und man wisse auch, dass das jetzige Gebäude nicht den Erfordernissen einer modernen Polizeiarbeit entsprechen würde. Die Mitarbeiter würden bereits seit Jahren improvisieren, vieles sei zu klein, die Räume zu eng. Aber unter den aktuellen Bedingungen falle es schwer, jeden Tag motiviert zur Arbeit zu kommen.

Zuständig für das Gebäude im Landesbesitz ist das Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH). Vom landeseigenen Unternehmen ist zu hören, dass die Suche nach einem Alternativstandort in Pinneberg ebenso vom Tisch ist wie die Erweiterung um das benachbarte Gelände des Jobcenters.

GMSH hat eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen

Stattdessen sei im Auftrag des Landes zuletzt eine Machbarkeitsstudie erstellt worden, wie das Erweiterungsprojekt auf dem bestehenden landeseigenen Grundstück realisiert werden könne. Umfangreich und sehr zeitaufwendig seien dabei mehrere Varianten geprüft worden.

Das Ergebnis: ein Erweiterungsbau im vorderen Grundstücksbereich, der an das vorhandene Dienstgebäude anschließen wird. Der Altbau solle nach Bezug des Neubaus komplett entkernt und vollständig saniert werden.

„Diesen Juni haben wir vom Finanzministerium den Auftrag erhalten, eine sogenannte Finanzierungsunterlage Bau für den Erweiterungsneubau zu erstellen, sodass wir nun mit der Genehmigungs- und Ausführungsplanung beginnen können“, teilt GMSH-Sprecherin Barbara Müller auf Anfrage mit.

Im ersten Halbjahr 2025 sollen konkrete Planungen für einen Erweiterungsbau beginnen

Dafür werde eine europaweite Ausschreibung für ein Planungsbüro vorbereitet. Die Bauvoranfrage für den Erweiterungsneubau sei bereits an die Stadt gegangen. Müller: „Wir rechnen in Kürze mit einer positiven Entscheidung. Parallel wird die Raumbedarfsanerkennung des Polizeireviers aktualisiert.“

Noch in diesem Jahr solle mit der Projektvorbereitung und dem Start der europaweiten Vergabeverfahren zur Einschaltung eines Planerteams begonnen werden. Der Planungsstart werde für das erste Halbjahr 2025 anvisiert.

„Während der Planungs- und Bauphase werden alle dringend notwendigen Arbeiten im Bestandsgebäude erledigt, damit die Polizei dort auch weiterhin arbeiten kann“, verspricht die GMSH-Sprecherin.