Wedel. Dank neuer Aufträge ist der Technologiekonzern Vincorion auf Wachstumskurs. Was der Wedeler Rüstungszulieferer alles plant.

Der Begriff „Zeitenwende“, den Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 genutzt hatte, wurde zum Wort des damaligen Jahres in Deutschland gekürt. Und die Umschreibung für einen Paradigmenwechsel hin zu einer neuen Sicherheitspolitik mit erheblicher militärischer Aufrüstung bleibt aufgrund der weltweit aufflammenden Vielzahl an Kriegen und Krisen weiter aktuell.

Auch die deutsche Bundeswehr soll wehrfähig aufgestellt werden. Von hohen Ausgaben für Militärtechnik in Europa profitiert im Kreis Pinneberg auch der Wedeler Betrieb Vincorion, der in der Feldstraße unter anderem Technik für Verteidigung und Luftfahrt produziert. Für Panzer wie den Leopard II – oder auch das Luftabwehrsystem Patriot.

Aufrüstung: Vincorion-Umsatz soll Marke von 160 Millionen Euro deutlich übertreffen

Das Unternehmen Vincorion könne im ersten Halbjahr 2024 seinen Wachstumskurs fortsetzen, heißt es auf Abendblatt-Anfrage. „Durch neue Bestellungen wird das Unternehmen seine Produktionskapazität anpassen, die im kommenden Jahr im guten zweistelligen Prozentbereich ausgebaut werden soll – an allen drei Standorten – in Wedel, Altenstadt und Essen“, erklärt Sascha Brüning, Vice President Business Development & Sales bei Vincorion.

Das Vincorion-Gelände befindet sich in der Wedeler Feldstraße.
Das Vincorion-Gelände befindet sich in der Wedeler Feldstraße. © Vincorion | VINCORION

Die Geschäftsführung sei optimistisch, die hohen Wachstumsprognosen von 160 Millionen Euro Umsatz im Vorjahr „jetzt deutlich übertreffen zu können“. Denn: Vincorion hat kürzlich wichtige Aufträge erhalten und neue Entwicklungen vorgestellt. Für Fachkräfte auf Jobsuche, etwa Industriemechaniker, sind das ebenfalls gute Neuigkeiten. Die Aufträge sorgten nämlich auch für zusätzliche Beschäftigung an allen Standorten.

Technologiebetrieb sucht für Standort Wedel 80 neue Mitarbeiter

„Aber insbesondere am Hauptsitz in Wedel sind neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt. Die Personalabteilung des Unternehmens mit rund 800 Mitarbeitern schätzt, dass im zweiten Halbjahr noch 80 neue Mitarbeiter eingestellt werden“, heißt es aus der Vincorion-Zentrale.

Vincorion
Wedel: Vincorion-Teamleiter Philipp Krone an der Maschine, die die elektronischen Leiterplatten fertigt. © Frederik Büll | Frederik Büll

Ein Höhepunkt des ersten Halbjahres sei aus Sicht des Militärzulieferers die Einführung einer Waffenstabilisierung der neuesten Generation für Kampf- und Schützenpanzer gewesen, die Vincorion auf der Verteidigungsmesse Eurosatory in Paris Mitte Juni vorgestellt hatte.

Panzer Leopard II und Co: Waffenstabilisierung aus Wedel

„Vincorion ist seit Jahrzehnten im Industriekreis für seine Waffenstabilisierungen unter anderem im Kampfpanzer Leopard und Schützenpanzer Puma anerkannt, welche dafür sorgt, dass die Hauptkampfwaffe auch bei hoher Geschwindigkeit und auf unebenem Gelände präzise auf ihr Ziel gerichtet bleibt“, heißt es in der Mitteilung des Betriebs.

Sascha Brüning ist Vice President Business Development & Sales bei Vincorion.
Sascha Brüning ist Vice President Business Development & Sales bei Vincorion. © VINCORION | VINCORION

Vincorion-Systeme können individuellen Ansprüchen der Panzerhersteller angepasst werden

„Gleichzeitig können unsere Systeme den individuellen Ansprüchen der Panzerhersteller angepasst werden“, erklärt Brüning. Das Unternehmen sei sehr stolz darauf, „dass wir uns auch im ersten Schritt für den neuen Leopard 2 A-RC 3.0 der Firma KNDS hierfür qualifizieren konnten.“ Diese Münchner Rüstungsfirma produziert unter anderem solche Kettenfahrzeuge.

Brüning sagt: „Die Ukraine zeigt, dass schwere Kampfpanzer weiterhin unerlässlich im Gefecht der verbundenen Waffen sind. Wir spüren dies auch in der Industrie und im Zuge der jüngsten Kampfpanzer-Bestellungen hat auch Vincorion wichtige Aufträge erhalten.“

Mit Wedeler Technik: Nato-Partner Norwegen erhält 54 Leopard II-Panzer

Dazu zählen etwa 54 Panzer vom Typ Leopard 2 A8, die an den Nato-Partner Norwegen geliefert werden. Und: Weitere Lieferungen für Deutschland und Partnerländer seien fest eingeplant, „was mehr als 500 Systemlieferungen in den kommenden Jahren bedeutet“.

Bundesverteidigungsminister Pistorius besucht Panzerbataillon 203
Ein Leopard II A6 Kampfpanzer mit Tarnnetzen behangen. Mit Elektronik von Vincorion bleibt die Kanone auch bei voller Fahrt stabil. © picture alliance / Kirchner-Media | David Inderlied

Vincorion hat im ersten Halbjahr auch einen Exklusiv-Vertrag mit KNDS abgeschlossen, der etwa auch das gepanzerte Transportfahrzeug Boxer herstellt. Dieses Fahrzeug lässt sich aus militärischer Sicht individuell nutzen, beispielsweise als mobiles Lazarett, als Führungsfahrzeug mit Kommandozentrale oder auch als Schützenpanzer mit Kanone im Turm.

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Für die Stromversorgung aller nötigen Utensilien in den verschiedenen Boxer-Varianten sorgt Vincorion mit neuen Generatoren, „welche noch mal eine deutliche Leistungssteigerung gegenüber dem Generator der ersten Generation mitbringt“. Laut Brüning sei der Boxer eines der national und internationalen Erfolgsmodelle der deutschen Industrie, die Fahrzeugfamilie des Boxers wachse immer weiter in neuen Varianten.

Patriot-Luftabwehr: Vincorion schließt millionenschweren Wartungsvertrag ab

Im Bereich der Stromversorgung für taktische Aggregate für Feldlager und Luftverteidigung ist die Wedeler Technikfirma ebenfalls vertreten. So konnte sich Vincorion nach eigenen Angaben einen Auftrag über 67 Millionen Dollar für die Wartung des Luftabwehrsystems Patriot mit den USA sichern.

Das Flugabwehrraketensystem Patriot (22.07.2024)
So funktioniert das Flugabwehrraketensystem Patriot. Die Infografik ist angelehnt an das System der Bundeswehr. Vincorion liefert Technik und hat einen Wartungsvertrag mit den USA unterschrieben.  © DPA Images | dpa-infografik GmbH

Das Patriot-System sei nach Vincorion-Angaben ein weltweit anerkanntes und hochmodernes Flugabwehrsystem, das eine wichtige Rolle bei der Abwehr von ballistischen Raketen, Marschflugkörpern und Kampflugzeugen spielt.

USA, Deutschland und Nato – „bedeutende Säule der Luftverteidigung“

Sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für Deutschland und die Nato stelle das System eine bedeutende Säule der Luftverteidigung dar. Die Wedeler Firma liefert die Stromversorgung für den „Launcher“, der die Patriot-Raketen trägt, für das Radar und den Feuerleitstand.

Die USA hätten mit dem Wartungsvertrag aus Vincorion-Sicht einen wichtigen Schritt für die Einsatzbereitschaft ihrer Patriot-Raketenabwehrsysteme gemacht. „Die Patriot-Systeme spielen eine sehr wichtige Rolle beim Schutz der Zivilbevölkerung und von wichtigen Infrastrukturen“, so der Vize-Präsident.

Durch Aufträge wie diesen werde die Bedeutung „unserer täglichen Arbeit bewusst, denn unsere Wartungsdienstleistungen tragen zur Einsatzbereitschaft dieser Verteidigungssysteme bei – und damit zur Sicherheit der Menschen, die es schützt.“