Wedel. Besuch des Wirtschaftsministers bei Vincorion in Wedel. Firma fertigt moderne Sicherheitstechnik für den Kampfpanzer Leopard 2.
Ein Ministerbesuch bei der Wedeler Rüstungsschmiede mit Kernbotschaft. Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen ließ sich am Freitagvormittag von Geschäftsführer Stefan Stenzel die Firma Vincorion Advanced Systems GmbH zeigen, die an der Feldstraße mit 450 Beschäftigten wichtige Bauteile für den Kampfpanzer Leopard 2 und den Schützenpanzer Puma herstellt.
Dabei forderte Minister Madsen die Bundesregierung auf, die Exportbeschränkungen für Rüstungsgüter zu lockern und die deutsche Wehrindustrie mehr an dem 100-Milliarden-Euro-Aufrüstungsprogramm des Sondervermögens der Bundeswehr zu beteiligen. Bislang sei davon bei den 30 Wehrtechnikunternehmen in Schleswig-Holstein kaum etwas angekommen, kritisierte Madsen. „Die meisten Aufträge sind ins Ausland gegangen.“
Kampfpanzer Leopard 2: Wehrtechnik aus Wedel – Minister Madsen ist beeindruckt
Diese Aussage konnte Vincorion-Chef Stenzel nur bestätigen. Noch vor eineinhalb Jahren sollte sein Unternehmen, das bis vor einem Jahr noch zum Jenoptik-Konzern gehörte, 200 Puma-Schützenpanzer mit hochmoderner elektronischer Steuerungs- und Stabilisierungstechnik ausrüsten. Dann seien die Aufträge plötzlich storniert worden, als das 100-Milliarden-Programm verkündet wurde. Und nun sei der Auftrag auf 50 Panzer reduziert worden.
„Die Wehrtechnik für einen Panzer bringt uns rund 500.000 Euro ein“, erklärte der Rüstungsbetriebschef auf Abendblatt-Nachfrage. Der gesamte Auftrag habe nun ein Volumen von rund 25 Millionen Euro. Der ursprüngliche Auftrag hätte dem Wedeler Unternehmen somit das Vierfache eingebracht. „Aber wir sind abhängig von der Politik. Wenn sie nicht bestellt, können wir nicht verkaufen. Und wir können auch nicht auf Vorrat produzieren.“
Wedeler Firma rechnet mit deutlicher Umsatzsteigerung
Dennoch rechnet Stenzel für das laufende Jahr mit „einer deutlichen Umsatzsteigerung“, sagte er bei einem Rundgang durch die Produktionshallen. Der Umsatz würde auf rund 160 Millionen Euro steigen, sagte er. Zudem soll die Zahl der Mitarbeitenden um 70 Köpfe erheblich ausgeweitet werden.
„Wir suchen aktuell Mechatroniker, Elektroingenieure, Industriekaufleute und auch Sachbearbeiter.“ Das öffentliche Image der Rüstungsindustrie sei besser geworden, ist Stenzels Eindruck. „Wir haben jetzt einige Leute eingestellt, die gezielt in der Rüstungsindustrie arbeiten wollten“, erklärte der Vincorion-Chef. „Offenbar dreht sich die Wahrnehmung.“
Minister Madsen: Demokratie braucht gut ausgestattete Wehrindustrie
Allerdings gelte dies noch nicht für die Banken und Kreditinstitute. Ein Fischereibetrieb komme leichter an Kredite, sagte Stenzel. Und auch der ehemalige Mutterkonzern Jenoptik wollte vor einem Jahr seine wehrtechnische Abteilung, die früher einmal zu AEG-Telefunken mit bis zu 3000 Beschäftigten und dann zu ESW mit etwa 700 Beschäftigten gehörte, unbedingt loswerden, weil die Investoren den Rüstungsanteil auf unter zehn Prozent senken wollten, erklärte Stenzel. Nun gehöre das Unternehmen in Wedel britischen Finanzinvestoren.
Wirtschaftsminister Madsen kann das nicht nachvollziehen. Ohne eine gut ausgestattete Wehrindustrie könne unsere Demokratie nicht geschützt werden. Darum habe er sich bei seinem Amtsantritt als Wirtschaftsminister vorgenommen, die 30 Rüstungsbetriebe in Schleswig-Holstein zu besuchen und zu unterstützen. „Sie gehören zur Schlüsseltechnologie in Deutschland.“
Vincorion-Chef: „Sicherheit ist die Mutter aller Nachhaltigkeit.“
Zudem sei sie ein wichtiger Arbeitgeber. Allein in Kiel arbeitete mehr als die Hälfte aller Industriebeschäftigten für die Rüstungsindustrie. Darum habe er sich gewundert, als ihm bei seinem Besuch beim Panzerhersteller Rheinmetall in Kiel und Düsseldorf berichtet wurde, dass die Zahl der Panzer hierzulande von 3000 auf nur noch 300 abgebaut worden sei.
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Auch bei der Europäischen Union in Brüssel sei er vorstellig geworden und habe gefordert, die Kreditbeschränkungen für die Wehrindustrie aufzuheben, weil diese angeblich nicht nachhaltig sei, erklärte Madsen. Aber die Erwartungshaltung, nachts ruhig schlafen zu können, halte er sehr wohl für nachhaltig, sagte Madsen. Und Vincorion-Chef Stenzel ergänzte: „Sicherheit ist die Mutter aller Nachhaltigkeit.“ Dazu passt auch der Firmenslogan von Vincorion: „Jeder Mensch verdient ein sicheres Leben.“
Kampfpanzer Leopard 2: Vincorion ist gut aufgestellt
Mit der Rellinger Firma Autoflug, die insbesondere Sicherheits- und Wehrtechnik wie Schleudersitze für die deutsche Luftwaffe produziert, habe er auch schon gesprochen, sagte Minister Madsen.
Sein Eindruck in Wedel sei, dass es sich bei Vincorion um „eine gute Firma handelt, die Wichtiges leistet und der ein gutes Betriebsklima herrscht“, sagte Madsen. Einige Beschäftigten arbeiteten bereits in zweiter und dritter Generation am Standort Wedel. Das bestätigte dann Betriebsratsvorsitzende Inga Stute, die seit 42 Jahren im Betrieb arbeite, wie sie sagte, was Minister Madsen kaum glauben wollte.