Bönningstedt/Ellerau. Vorwurf im Sportgerichtsprozess: Kreisliga-Spiel musste wegen Bedrohung eines Schiedsrichters abgebrochen werden. Die Details.
„Besuchen Sie uns doch mal. Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit uns und lassen sich davon überzeugen, dass wir friedfertige Menschen sind.“ Klingt gut, dieser Vorschlag von Cem Sentürk, Trainer des TSV Stellingen 88 in der Fußball-Kreisliga.
Dumm nur: Schiedsrichter R. aus den Reihen des SV Rugenbergen hat in der Partie der Stellinger am 2. Spieltag in der Staffel 7 gegen den SC Ellerau, die er in der 84. Minute abbrach, einen ganz anderen Eindruck zumindest von einer Person im TSV-Team gewonnen.
Deshalb kommt es jetzt zu einem Sportgerichtsprozess mit einer schweren Anschuldigung. Im Raum steht der Vorwurf, ein Stellinger Spieler habe Schiedsrichter-Assistent P. (SV Halstenbek-Rellingen) mit folgenden Worten bedroht: „Ich stech dich ab.“
Einschüchterungsversuche gegen Schiedsrichter-Assistenten hörten nicht auf
Die Einschüchterungsversuche hörten nicht auf. R. sah sich veranlasst, die Partie vorzeitig zu beenden. Am Ende forderte er sogar Polizeischutz an. Zwei Polizistinnen geleiteten R., eine Vereinsgefährtin, die ebenfalls an der Seitenlinie amtierte, und P. vom Rasen erst zur Umkleidekabine und dann zum Pkw. Auf der Polizeiwache unweit der Wolfgang-Meyer-Sportanlage erstattete R. Strafanzeige wegen Bedrohung.
Auch an seinem 39. Geburtstag zwei Tage später beschlich ihn noch ein unangenehmes Gefühl. Aus dem Spiel-Protokoll, das der DFB in seinem Portal „fußball.de“ veröffentlichte, strich er aus Angst vor einem Racheakt sicherheitshalber alle drei Namen der beteiligten Unparteiischen. „Das war das Krasseste, was ich in zwölf Jahren als Schiedsrichter erlebt habe“, sagt R.
„Wir haben diese Person ganz sicher identifiziert“
Dabei hatte er nach drei Gelb-Roten Karten für die Stellinger wegen einer Unsportlichkeit (35.), provokativen Jubels nach dem 3:1 (68.) und wegen wiederholter Fouls (84.) das neue Stopp-Konzept des DFB angewendet, um die Wogen zu glätten. An der Mittellinie rief er die Kapitäne zu sich und bat um Besonnenheit.
Tatsächlich lief der Stellinger Spielführer dann auch zu den Zuschauern auf der Sitzplatztribüne und forderte zur Ruhe auf. Es soll dann einer der Stellinger Gelb-Rot-Sünder, der nach seinem Platzverweis auf der Tribüne Platz genommen hatte, gewesen sein, der weiterhin pöbelte und drohte. „Wir haben diese Person ganz sicher identifiziert“, betont R.
Als Thomas Kröger, Trainer des SC Ellerau, später Nachforschungen bei Zuschauern anstellte, bekam er nichts Gegenteiliges mitgeteilt. „Ich selber stand zu weit weg, um die Äußerungen verstehen zu können. Aber ein Fan bestätigte mir, diese Drohung mit dem Abstechen ebenfalls gehört zu haben. Mehrere Umstehende haben genickt, als er mir das erzählte.“
TSV Stellingen: Coach sträubt sich gegen ein Schuldeingeständnis
Die Stellinger müssen nun damit rechnen, dass ihre verdiente 3:1-Führung in eine 0:3-Niederlage umgewertet wird. Zusätzlich sind der Abzug von drei weiteren Zählern und eine empfindliche Geldstrafe denkbar. TSV-Coach Sentürk sträubt sich gegen ein Schuldeingeständnis. „Wer was gesagt hat, wird noch zu klären sein.“ Tatsächlich kommt es beim Sportgericht immer mal wieder zu unerwarteten Wendungen und überraschenden Erkenntnissen.
11. August 2023: Pinnebergs Schiedsrichter-Obmann Michael Wischer (SV Lieth) missfallen Kommentare von Fans des SC Egenbüttel gegenüber Akteuren des HFC Falke, die er als rassistisch einstuft. „Um ein Zeichen zu setzen“, pfeift er die Partie eine Minute zu früh ab und vermerkt im Spielbericht einen Spielabbruch. Die Rellinger werden empfindlich zur Kasse gebeten, dürfen aber die Punkte (1:0) behalten. Am Ende der Saison ist der SC Egenbüttel das mit Abstand fairste Team der Bezirksliga West.
Ähnliche Vorfälle aus anderen Fußball-Ligen
14. Februar 2024: Marcus Fürstenberg, Trainer des SSV Rantzau (Landesliga), wird beschuldigt, einen der Schiedsrichter-Assistenten beim 4:1 über den SC Poppenbüttel vulgär beleidigt zu haben. Die Barmstedter präsentieren den Video-Gegenbeweis. Der Linienrichter muss zugeben, dass er sich komplett irrte.
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16. März 2024: Im Bezirksliga-Spitzenspiel beim FC St. Pauli III (Staffel Süd) steuert der Klub Kosova einem klaren Erfolg (3:0) entgegen. Als sich ein Kosova-Akteur die Rote Karte einhandelt, beglückt er den Schiedsrichter mit einer Botschaft. „Wir sehen uns nach dem Spiel.“ Abbruch, doch Kosova darf die Punkte behalten. „Weil diese Bemerkung aus zehn bis 15 Metern Entfernung keine unmittelbare Bedrohung darstellt“, urteilt der Sportrichter – und erntet einen Sturm der Entrüstung.