Elmshorn. Weltweit führende Firma für Oberflächenbeschichtung, die H. Börger & Co. GmbH, hat Betrieb eingestellt. Wie es so weit kommen konnte.

Es ist nur ein einzelnes Wort. Aber hinter ihm verbirgt sich das ganze, fatale Schicksal einer Firma, die in ihrem Bereich als Marktführer gelistet wurde. Denn wer im Internet zum Beispiel bei northdata.de – einer Wirtschafts-Recherchedatenbank – nach der H. Börger & Co. GmbH in Elmshorn sucht, ahnt Übles beim Blick auf die kleine Klammerbemerkung hinter dem Firmennamen. Da ist „(i. L.)“ zu lesen – ausgeschrieben: in Liquidation.

Und auch im Klartext taucht das Wort auf. Es steht am Ende des zum Eintrag gehörenden, grafischen Zeitstrahls für den auf Anlagenbau und Oberflächenbeschichtungsverfahren spezialisierten Betrieb: „6.8.2024 Liquidation“. Ein trauriges Ende für eine Firmengeschichte, die in dieser grafischen Darstellung auch drei eingetragene Patente aus dem Gebiet der Pulverbeschichtung aufführt (2005, 2019, 2020). Eine weitere Untermauerung des technischen Know-hows von H. Börger.

Firmeninsolvenz: Der schlimmste Fall ist für H. Börger & Co. eingetreten; der Betrieb ist eingestellt.

Doch viele widrige Umstände, die sich häuften, haben die Elmshorner Hightech-Firma in einen wirtschaftlichen Strudel getrieben, der nicht mehr aufzuhalten war (das Abendblatt berichtete im Juni 2024 über die vielfältigen Gründe). Der Betrieb mit zuletzt 30 Mitarbeitern hat nach zwei Monaten in vorläufiger Insolvenzverwaltung nun die Eröffnung des Hauptverfahren hinnehmen müssen. Und das Worst Case Szenario ist eingetreten: Der Betrieb wurde eingestellt.

Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Dr. Klaus Pannen aus Elmshorn hat mit seiner Kanzlei bislang rund 1000 Betriebe vor der Liquidation bewahrt. Doch bei der Elmshorner H. Börger & Co. GmbH war nichts mehr zu retten.
Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Dr. Klaus Pannen aus Elmshorn hat mit seiner Kanzlei bislang rund 1000 Betriebe vor der Liquidation bewahrt. Doch bei der Elmshorner H. Börger & Co. GmbH war nichts mehr zu retten. © Anne Dewitz / HA | Anne Dewitz

Das Abendblatt hat mit Insolvenzverwalter Dr. Klaus Pannen darüber gesprochen, warum in diesem Fall eine Rettung der technisch innovativen und weltweit anerkannten Firma nicht mehr möglich war.

Hamburger Abendblatt: Guten Tag, Herr Pannen. Würden Sie bitte auch für die juristisch nicht bewanderten Leser erläutern, was die Eröffnung des Insolvenz-Hauptverfahrens nun für die H. Börger & Co. GmbH bedeutet.

Professor Dr. Klaus Pannen: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedeutet, dass die Verfügungsbefugnis über den Geschäftsbetrieb sowie sämtliches Vermögen der H. Börger & Co. GmbH nunmehr zum Stichtag der Insolvenzeröffnung vollständig auf den Insolvenzverwalter übergegangen ist. Dies hat zur Folge, dass lediglich der Insolvenzverwalter berechtigt ist, für die H. Börger & Co. GmbH zu handeln und Erklärungen abzugeben.

Was ist in den vergangenen Wochen geschehen oder auch nicht eingetreten, sodass nun der Betrieb eingestellt wurde?

Nachdem im Insolvenzeröffnungsverfahren kein Investor für die Übernahme des gesamten Geschäftsbetriebs der H. Börger & Co. GmbH mit den drei Geschäftszweigen im Anlagenbau, Oberflächenbeschichtung und Handel gefunden werden konnte, musste der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung die Entscheidung treffen, ob der Geschäftsbetrieb unter seiner Aufsicht rentabel mit dem Ziel der Sanierung fortgeführt werden kann, um die vorhandene und zu erwartende Insolvenzmasse, von der schlussendlich die Gläubiger partizipieren sollen, nicht weiter zu schmälern. Da der Geschäftsbetrieb jedoch mit erheblichen Fixkosten belegt und die Kalkulation der verschiedenen Aufträge aufgrund der aktuell sehr schwankenden Marktpreise für Rohstoffe und weiteres Arbeitsmaterial äußerst schwierig ist, musste zum Schutz der Gläubiger und Erhalt der Insolvenzmasse die Betriebseinstellung erfolgen.

Wie groß war die Chance, in dem kurzen Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung das Hauptverfahren oder zumindest die Schließung zu vermeiden?

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stand bereits bei Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung fest, da die Schuldnerin erheblichen Altverbindlichkeiten ausgesetzt war und ist, die nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von maximal drei Wochen gedeckt werden konnten. Hierbei ist jedoch zwingend dahingehend zu differenzieren, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mit der grundsätzlichen Einstellung des Geschäftsbetriebs gleichzustellen ist. Wenn ein Geschäftsbetrieb rentabel geführt werden kann, kann auch im eröffneten Insolvenzverfahren die Fortführung durch den Insolvenzverwalter mit dem Ziel der Sanierung erfolgen oder aber der Geschäftsbetrieb im Rahmen eines sogenannten Betriebsübergangs auf eine andere Gesellschaft oder Rechtsträger übertragen werden. Dieses Vorgehen haben Dr. Pannen Rechtsanwälte als Insolvenzverwalter bereits in diversen anderen Insolvenzverfahren praktiziert und auf diese Weise erfolgreich Geschäftsbetriebe saniert – beispielsweise den Lübecker Flughafen. 

Was muss geschehen, damit die Firma erhalten werden kann?

Der Erhalt der H. Börger & Co. GmbH wäre nur mit einem Investor möglich gewesen, der frisches Kapital eingebracht hätte. Diesbezüglich habe ich im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens mit verschiedenen Interessenten Gespräche und Verhandlungen geführt. Dabei haben jedoch alle potenziellen Investoren das Risiko in der erheblichen und aufgrund der aktuellen Marktlage schlussendlich derzeit nur schwer kalkulierbaren Kostenstruktur des Unternehmens gesehen.

Und da konnte auch die gute Marktstellung des Unternehmens nichts Positives mehr bewirken?

Zwar sollte die H. Börger & Co. GmbH den Auftrag für ein Projekt im hohen sechsstelligen Bereich erhalten. Allerdings konnte trotz intensiver Bemühungen aufgrund der ungewissen Preisentwicklung der Märkte keine Kalkulation erfolgen, die schlussendlich einen sicheren Gewinn ausweisen konnte. Dies war schließlich auch der Umstand, der zum Insolvenzverfahren führte. Zwar hatte die H. Börger & Co. GmbH volle Auftragsbücher, allerdings führte die umfassende Preissteigerung auf den Märkten dazu, dass zu zuvor ausgehandelten Projektpreisen nicht mehr gewinnbringend gearbeitet werden konnte.

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Sind in den vergangenen zwei Monaten neue Probleme aufgetreten, die bei Eröffnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung noch nicht absehbar waren?

Nein. Es stand von Beginn an fest, dass die Sanierung und Fortführung des Geschäftsbetriebs nur mit einem externen Investor gelingen würde.

Traut sich die Kanzlei, eine vorsichtige Prognose abzugeben?

Eine Prognose kann derzeit nicht abgegeben werden. Zunächst geht es nun darum, sämtliche Forderungen der H. Börger & Co. GmbH aufzunehmen und zu prüfen sowie die Vermögenswerte zu veräußern bzw. noch offenen Forderungen einzuziehen. Über die Dauer des Verfahrens sowie die Quotenaussichten der Gläubiger kann derzeit keine gesicherte Auskunft erteilt werden.