Wedel. Autos und Fußgänger dürfen neue Einbahnstraße bei Lidl zum Wedeler Recyclinghof nutzen. Was Kritiker jetzt fordern.

Ein Auto düst in den Puttener Weg. Es ist eine kleine Straße, gut 200 Meter lang, die auf Höhe des leer stehenden Schnellrestaurants Burger King an der B431 zwischen Möbelhaus Knutzen und Lidl am Seitenausgang des GAB-Recyclinghofs in Wedel hindurch zum Kronskamp führt. Am Ende der Straße müssen Autos nach links Richtung Industriestraße abbiegen.

Ob der Fahrer die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung von 10 km/h wirklich einhält? Unklar. Aber definitiv weicht er oder sie den Fahrbahnschwellen zur Geschwindigkeitsreduzierung im Puttener Weg nach rechts aus, um möglicherweise die Stoßdämpfer seines Wagens zu schonen. Immerhin: Es sind keine Fußgänger auf dem mit einer weißen Linie abgetrennten Streifen unterwegs.

Gefahr an der B431? Wedeler warnen vor Problemen im Puttener Weg

Es sind solche potenziellen Gefahrensituationen in diesem Verbindungsweg, vor denen SPD-Ratsherr Wolfgang Rüdiger (76) und der Wedeler Erfinder und Diplom-Ingenieur Volker König (79), der 1968 erblindete und seitdem für die Integration sehbehinderter Menschen im Alltag echte Pionierarbeit leistet, warnen. Zuletzt sorgte dieses Duo im vergangenen Sommer dafür, dass nach einer Beschwerde der Wedeler S-Bahnhof nach Umbauarbeiten umgehend seinen taktilen Leitstreifen zurückerhielt.

Der Puttener Weg führt von der B431 in Wedel zum Kronskamp – und ist circa 200 Meter lang. Früher diente die Abkürzung oft als „Schleichweg“. Lkw sind verboten, die Höchstgeschwindigkeit für Autos beträgt 10 km/h. Rechts von der Markierung dürfen Fußgänger auf der immer schmaler werdenden Gasse laufen. 
Der Puttener Weg führt von der B431 in Wedel zum Kronskamp – und ist circa 200 Meter lang. Früher diente die Abkürzung oft als „Schleichweg“. Lkw sind verboten, die Höchstgeschwindigkeit für Autos beträgt 10 km/h. Rechts von der Markierung dürfen Fußgänger auf der immer schmaler werdenden Gasse laufen.  © Frederik Büll | Frederik Büll

Die Stadt Wedel hatte die zuvor undurchsichtige Verkehrssituation vom 8. Juli an neu geregelt – und den Puttener Weg zur Einbahnstraße deklariert, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Auch König und Rüdiger stimmen zu, dass sich die Lage durch diese Entscheidung der Stadt generell verbessert habe. Davor habe es noch mehr „Kuddelmuddel“ gegeben.

„Schleichweg“ an B431 in Wedel könnte für Chaos sorgen

Denn: Zuvor konnten Autos, Radfahrer und Fußgänger auf diesem abkürzenden „Schleichweg“ schließlich in beide Fahrtrichtungen unterwegs sein. Dies ist offiziell verboten, wie auch die Durchfahrt für Lkw. Radfahrer müssen entweder absteigen und auf dem Fußweg auf der rechten Seite schieben – oder auf der Fahrbahn strampeln.

Was ebenfalls Achtsamkeit erfordert: Die Ausfahrt des Recycling-Hofs mündet direkt in den Puttener Weg. Ausfahrende müssen nach rechts schauen – und auch nach links, ob da nicht vielleicht doch ein Verkehrsrowdy das „Durchfahrt verboten“-Schild missachtet

Puttener Weg an der B431: Der weiße Kastenwagen droht die Fahrbahnmarkierung zu überfahren.
Puttener Weg an der B431: Der weiße Kastenwagen droht die Fahrbahnmarkierung zu überfahren. © Frederik Büll | Frederik Büll

Kritik gibt es vor allem an dem gut zwölf Zentimeter breiten Markierungsstreifen für die Fußgänger, der den circa drei Meter breiten Fußweg abtrennt. Durch die Parkbuchten verengt sich diese Gasse dann noch weiter auf nur noch etwa 1,75 Meter. König schlägt vor, zum Abtrennen für die Sicherheit einen Noppen-Stein statt der lediglich aufgemalten Farbmarkierung einzusetzen.

Diese Variante, von ihm entwickelt, ist bereits in Elmshorn – und auch in Wedel – im Einsatz. Dieser Stein sei gut mit einem Blindenstock zu ertasten, und die Erhebungen seien auch beim Herauftreten zu merken: „Die Schuhbreite beträgt in der Regel sieben Zentimeter, die beiden Noppen sind jeweils zehn Zentimeter lang und haben einen Abstand von fünf Zentimeter zueinander.“ Zudem würde auch der Autofahrer oder sehende Spaziergänger beim versehentlichen Überqueren einen Widerstand bemerken – im Vergleich zu einer herkömmlichen aufgemalten Fahrbahnmarkierung.

Riesiges Problem für Sehbehinderte: Elektroautos sind kaum wahrnehmbar

Für seine zahlreichen sinnvollen Erfindungen, beispielsweise am Mast ertastbare Straßenschilder in geringer Höhe, habe er keinerlei Einkünfte erhalten. Eine Patent-Anmeldung sei nicht möglich. Es gehe ihm dabei stets um die Sache, die Sicherheit, und den Vorteil für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.

Und König spricht darüber hinaus ein riesiges Problem für Sicht-eingeschränkte Menschen an, das andere im Straßenverkehr nicht oder nur in geringem Maße hätten: „Fahrzeuge mit Elektro-Motoren sind für uns kaum zu hören. Umso sinnvoller sind vernünftig voneinander abgetrennte Fahrbahnbereiche.“

Noppen-Stein in Göttingen. Diese für sehbehinderte Menschen überlebenswichtige Fahrbahnmarkierung ist 2005 vom Wedeler Ingenieur Volker König entwickelt worden. Der Stein wird vom Betonsteinwerk Knapp in Muggensturm produziert. Der Vertrieb erfolgt über die Hamburger Firma GSL mbH. Im Kreis Pinneberg liegt der taktile Stein in Elmshorn und in Wedel im Straßenraum.
Noppen-Stein in Göttingen. Diese für sehbehinderte Menschen überlebenswichtige Fahrbahnmarkierung ist 2005 vom Wedeler Ingenieur Volker König entwickelt worden. Der Stein wird vom Betonsteinwerk Knapp in Muggensturm produziert. Der Vertrieb erfolgt über die Hamburger Firma GSL mbH. Im Kreis Pinneberg liegt der taktile Stein in Elmshorn und in Wedel im Straßenraum. © Frederik Büll | Frederik Büll

Beide fordern die Verwaltung zum Handeln auf. Ein solcher Leitstreifen sei ja auch im Wedeler Hasenkamp eingesetzt worden. König und Rüdiger missfällt zudem, dass aus ihrer Sicht das Thema Barrierefreiheit in Wedel gänzlich zum Erliegen gekommen sei. „Die Inklusion bleibt in Wedel aktuell komplett auf der Strecke“, meint Rüdiger.

Einbahnstraßenregelung der Croningstraße sorgt für Umwege

Doch zurück zum Straßenverkehr: In dem Bereich der Bundesstraße 431 müsse die Gesamtsituation beobachtet werden. Die Croningstraße, die am Mc Donald‘s vorbeiführt, könne laut Rüdiger ebenfalls nur von der B431 aus in eine Richtung befahren werden. „Der Individualverkehr, also Autos, Motorräder und andere, sowie die Radfahrer müssen daher einen Umweg in Kauf nehmen und bis zur Industriestraße fahren. Von dort kommen sie dann in den Puttener Weg/Kronskamp. Meiner Befürchtung nach werden die Radfahrer dann auch auf dem Gehweg in beide Richtungen fahren.“

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Das Polizeirevier Wedel lässt über die zuständige Pressestelle mitteilen, dass bisher keinerlei Beschwerden eingegangen seien. Auch zu Unfällen sei es bislang im Puttener Weg von 2019 an nicht gekommen. Die Verkehrsaufsicht der Stadt Wedel hat ebenfalls keine Beschwerden vernommen.

„Durch die Einrichtung der Einbahnstraße besteht kein Begegnungsverkehr mehr. Aufgrund dieser Änderung hat sich die Möglichkeit ergeben, die Verkehrsfläche durch eine Markierungslinie in einen Fahrbereich und einen Gehbereich zu unterteilen“, heißt es aus der Verwaltung.

Stadt Wedel: Verkehrsaufsicht sieht Verbesserung der Verkehrsströme

Dies sei insbesondere für die Ausfahrt vom Recyclinghof von besonderer Bedeutung, da sich der Fußweg durch die Einbahnstraßenregelung nunmehr im westlichen Bereich befindet und sich die Kunden des Recyclinghofes und die Fußgänger keinen gemeinsamen Verkehrsraum mehr teilen müssten. „Die Neuregelung hat sich zum Schutz der dortigen Verkehrsteilnehmer und zur Steuerung der Verkehrsströme verbessert“, erklärt die Verkehrsaufsicht.

Der Puttener Weg sei mittels Markierungslinie lediglich in einen Fahrbereich und einen Gehbereich unterteilt: „Dieses war beziehungsweise ist möglich, da die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit 10 km/h ist und ein Lkw-Durchfahrtsverbot besteht. Es ist jedoch baulich weder eine Fahrbahn noch ein Gehweg vorhanden. Somit kann auch keine ‚Barrierefreiheit‘ hergestellt werden.“

Bei einer künftigen Sanierung könnte die Barrierefreiheit hergestellt werden

An diesem „Knoten“-Bereich würde es aus Sicht der Stadt Wedel für Sehbehinderte beziehungsweise blinde Menschen dann ohnehin komplexer werden, „da sich dort alle Verkehrsarten treffen, nicht getrennt geführt werden und sich somit gegenseitig arrangieren müssen“. Etwa durch Rechts-vor-Links. Allerdings: „Wenn zukünftig der Puttener Weg saniert werden sollte, könnte baulich eine entsprechende Barrierefreiheit hergestellt werden.“

Unterdessen stoppen Mutter und Kind mit ihren Fahrrädern ordnungsgemäß in den Mittagsstunden am Anfang der Einbahnstraße im Puttener Weg ab – und schieben vorschriftsmäßig immerhin gut die Hälfte der Strecke ihre Räder über den Fußweg. Doch auf dem menschenleeren Weg entschließen sie sich dann doch für eine restliche Tour fahrend auf dem Fußweg.