Halstenbek/Itzehoe. Autodieb (25) fuhr auf Parkplatz frontal auf Beamten zu, der die Ausfahrt versperrte. Warum das kein versuchter Totschlag ist.
Radowslaw R. drohte wegen versuchten Totschlags eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Doch der 25-Jährige, der in Halstenbek mit einem gestohlenen Auto einen Polizisten anfuhr und einen zweiten mehrere Meter mitschleifte, kam vor dem Landgericht Itzehoe mit einer Bewährungsstrafe davon.
Die Schwurgerichtskammer ließ nach einer mehrmonatigen Verhandlung den Vorwurf des versuchten Totschlags fallen. Übrigblieben Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, fahrlässige Körperverletzung sowie unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Am Ende stand eine Gesamtstrafe von 13 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Beide Beamte wurden infolge des Vorfalls leicht verletzt.
Mildes Urteil: Staatsanwaltschaft und Verteidiger legen Revision ein
Ein mildes Urteil, das aus Sicht der Anklagebehörde nicht das letzte Wort in dem Verfahren sein soll. Nach Auskunft des Landgerichts Itzehoe hat die Staatsanwaltschaft fristgerecht Revision gegen den Richterspruch eingelegt.
Auch Verteidiger Gregor Jezierski will trotz des für seinen Mandanten günstigen Urteils diesen Weg gehen. Er hatte von Beginn des Verfahrens an stets betont, dass für ihn lediglich ein Freispruch infrage kommt.
Alles begann mit einem Autodiebstahl in Hamburg
Begonnen hatte alles in der Nacht zum 21. September 2023 mit dem Diebstahl eines Toyota RAV in Hamburg. Der Polizei gelang es um 7.25 Uhr, das Fahrzeug in Halstenbek aufzufinden. Es stand auf einem Parkstreifen im Bereich Altonaer Straße/Seestraße. Vier Beamte des Reviers Pinneberg legten sich dort auf die Lauer.
Um 12.07 Uhr bog ein schwarzer Audi A6, der mit drei Personen besetzt war, auf den Parkplatz des Krupunder Sees ein und hielt direkt vor dem zivilen Observationsfahrzeug der Beamten. Als zwei der Insassen zum gestohlenen Toyota gingen und Radowslaw R auf dem Seeparkplatz bereits gewendet hatte, versuchten zwei Beamte, den Audi an der Flucht zu hindern.
Angeklagter fährt frontal auf einen Beamten zu, der ihm den Weg versperrt
Den einen Beamten, der im Laufen durch das offene Fahrerfenster griff und sich zeitweise am Seitenspiegel festklammerte, schleift Radowslaw R. einige Meter mit. Der zweite Polizist hat sich mittlerweile mittig an der einzigen Ausfahrt des Parkplatzes postiert.
Der Angeklagte fährt mit dem Audi frontal auf den Beamten zu, stoppt nicht. Der springt in letzter Sekunde auf die Motorhaube und landet letztlich neben dem Fahrzeug, das mit quietschenden Reifen auf die Seestraße einbiegt und mit hohem Tempo in Richtung Bahnhof Krupunder davonrast.
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Die Szene im Bereich der Ausfahrt stand im Mittelpunkt des im März begonnenen Verfahrens. Die Frage war, ob dem Polizeibeamten genügend Zeit geblieben wäre, sich vor dem heranrauschenden Fahrzeug in Sicherheit zu bringen. Ein erstes Gutachten eines Unfallsachverständigen hatte dies verneint. Dieses wurde jedoch im Laufe des Verfahrens verworfen, weil der Gutachter seine Berechnungen nicht genau belegen konnte.
Ein zweiter Gutachter kam zu dem Schluss, dass dem Polizeibeamten Stefan M. (52) genau acht Sekunden Zeit geblieben wären, um die Gefahrenzone zu verlassen. Daher kam die Schwurgerichtskammer zu dem Schluss, dass der Angeklagte damit rechnen konnte, dass der Polizist Platz machen werde.
Angeklagter hat bereits neun Monate in Untersuchungshaft verbracht
Allein der Entscheidung des Polizeibeamten, stehenzubleiben und nicht zu flüchten, seien die weiteren Ereignisse zu verdanken. Daher sei der Vorwurf des versuchten Totschlags nicht haltbar. Weil der nicht vorbestrafte Angeklagte über eine positive Sozialprognose verfügte, beließen es die Richter bei einer Bewährungsstrafe von 13 Monaten.
Damit öffneten sich für Radowslaw R., dessen Flucht bereits am Bahnhof Krupunder endete, die Gefängnistüren. Der 25 Jahre alte Mann saß bis zum Urteil bereits neun Monate wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Nach dem Richterspruch konnte er in seine polnische Heimat zurückkehren.
Führerscheinsperre für Angeklagten gilt nur in Deutschland
Dort kann er auch wieder Autofahren. Denn die einjährige Führerscheinsperre, die das Gericht verhängte, gilt lediglich für Deutschland.