Quickborn/Ellerau. Quickborn rechnet als erfolgreiche Klägerin damit, dass die Baugenehmigung zurückgezogen wird. Der US-Investor äußert sich noch nicht.

Erleichterung auf der einen, Innehalten bis zur Sprachlosigkeit auf der andern Seite. „Das Logistikzentrum in Ellerau darf vorerst nicht gebaut werden“, lautete nun das für viele in seiner Deutlichkeit überraschende Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Schleswig. Doch wie geht es jetzt weiter?

Die fünf geplanten, jeweils 10.000 Quadratmeter großen Hallen für das Logistikzentrum des US-Konzerns Hillwood sind längst im Bau. Aber aus der Deutschlandzentrale des Konzerns in Frankfurt ist dazu nichts zu hören. Presseanfragen wurden bislang nicht beantwortet.

US-Projekt in Ellerau: Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann ist hochzufrieden

Dafür sagt Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann, der die zunächst aussichtlos erscheinende Klage gegen das Projekt in der Nachbargemeinde vor einem dreiviertel Jahr angestrengt hat: „Wir sind hochzufrieden. Hillwood hat keine Zukunft in Ellerau.“ Ein Massenlogistikzentrum lasse sich dort nicht realisieren. „Ich habe viele Reaktionen von Anliegern aus Quickborn und Ellerau gehört, die das alle sehr freut, die erleichtert sind und denen regelrecht eine Last abfällt.“

Sein ehrenamtlicher Amtskollege, Elleraus Bürgermeister Ralf Martens, ist ebenfalls nicht zu erreichen. Er hatte bis zuletzt auf eine einvernehmliche Lösung mit Hillwood gesetzt. Die ist durch den erfolgreichen Rechtsstreit Quickborns nun Makulatur.

Jetzt liege der Ball zunächst beim Kreis Segeberg, heißt es aus dem Quickborner Rathaus. Die dortige Bauaufsichtsbehörde müsse entscheiden, ob sie den  Widersprüchen aus Quickborn und Ellerau gegen die erteilte Baugenehmigung für das Logistikzentrum am AKN-Bahnhof Tanneneck stattgeben wird. Die Prozesskosten hätten ohnehin nun der Kreis Segeberg und Hillwood zu tragen.

Segebergs Kreissprecherin Müller: „Wir werden die OVG-Begründung studieren“

Dazu teilt Segebergs Kreissprecherin Sabrina Müller auf Anfrage mit: „Mit dem Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Stadt Quickborn gegen die durch den Kreis erteilte Baugenehmigung angeordnet. Der Kreis Segeberg hat weiterhin die Aufgabe, über den Widerspruch gegen die erteilte Baugenehmigung zu entscheiden. Hierfür wird sich der Kreis zunächst eingehend mit der Begründung des OVG befassen. Für den Bauherrn bedeutet der Beschluss des OVG einen Baustopp.“

Quickborns Bürgermeister Beckmann kann  und mag sich nicht vorstellen, dass der Kreis Segeberg jetzt nicht die Baugenehmigung zurückzieht. „Es wäre schon erstaunlich, wenn der Kreis Segeberg es besser zu wissen glaubte als die drei Berufsrichter des Oberverwaltungsgerichts.“ Und die hätten auf einer 32 Seiten umfassenden Begründung klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es weder dem Zustand der Straßen noch der Sicherheitslage für die Anwohner oder der  Verkehrslage zuträglich wäre, wenn die von Hillwood in der Baugenehmigung angegebenen bis zu 1600 Lkw-Fahrten am Tag über die Bahnstraße und Friedrichsgaber Straße von und zur A7 vom Logistikzentrum führen.

OVG kassiert die Reduzierung des Lkw-Verkehrs aus der Baugenehmigung

Dass Hillwood mitten im Verfahren im Dezember vor dem Verwaltungsgericht plötzlich nur noch 1080 Lkw-Fahrten am Tag einräumte, ließ das OVG nicht gelten. „Die Erschließung des Vorhabens ist nicht gesichert“, heißt es im Beschluss. Es sei mit „mit einem durch das Logistikzentrum verursachten zusätzlichen werktäglichen Verkehr von insgesamt 350 Pkw-Fahrten und 1600 Lkw-Fahrten zu rechnen.“

55.000 Euro hat die Stadt Quickborn in letzter Minute für eine mikroskopische Verkehrsanalyse für die Bahnstraße ausgegeben, die das zusätzliche Verkehrsaufkommen genau analysiert und simuliert hat. Das Ergebnis war und ist eindeutig: „Die Erschließung des Geländes von Hillwood ist nicht gesichert“, fasste es Ingenieurbüro-Chef Wolfgang Nolte zusammen. In den Spitzenzeiten, wenn stündlich 140 statt wie bisher 40 Lkw die Bahnstraße und die Friedrichsgaber Straße zur A7-Anschlusstelle entlangführen, würde der gesamte Verkehr für zwei bis vier Stunden zum Erliegen kommen.

55.000 Euro hat Quickborn in eine mikroskopische Verkehrssimulation investiert

Die Autofahrer müssten allein auf der Bahnstraße mit bis zu zehn Minuten Wartezeit an den Ampeln rechnen. „Für die Fahrt zur Autobahn werden sie eine halbe Stunde brauchen“, sagte Nolte. Sein Ingenieurbüro ist bestens vertraut mit dieser Örtlichkeit. Bereits vor sieben Jahren ist es vom Bahnunternehmen AKN damit beauftragt worden, den Bahnübergang Bahnstraße/Buchenweg am Bahnhof Tanneneck für eine sichere Fußgängerquerung zu überplanen. Dies ist auch die Zufahrt zum Hillwood-Gelände.

Die Ingenieure des Halstenbeker Verkehrsbüros dänekamp und partner, Christian Klafs (von rechts) und Wolfgang Nolte mit Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann bei der Vorstellung ihres mikroskopischen Verkehrsanalyse für die Bahnstraße.  
Die Ingenieure des Halstenbeker Verkehrsbüros dänekamp und partner, Christian Klafs (von rechts) und Wolfgang Nolte mit Quickborns Bürgermeister Thomas Beckmann bei der Vorstellung ihres mikroskopischen Verkehrsanalyse für die Bahnstraße.   © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Dort gibt es bislang keine Ampel für die Fußgänger und nicht einmal einen Zebrastreifen oder eine Verkehrsinsel zur sicheren Überquerung der Bahnstraße zum Bahnhof – obwohl es ein Schulweg für viele Schüler in Quickborn und Ellerau ist. Nach jahrelanger Planung hatte das Halstenbeker Ingenieurbüro dänekamp und partner den Bau einer sogenannten Bahnübergangs- und Straßensicherungsanlage (BÜSTRA) vorgeschlagen, die eine abgestimmte Lichtzeichenanlage mit Steuerung der Bahnschranken an diesem Bahnübergang vorsah. Die Fußgänger hätten dann sicher über die Bahnstraße laufen können.

Bürgermeister Beckmann hofft, dass der Bahnübergang endlich gebaut wird

2,7 Millionen Euro sollte diese BÜSTRA-Anlage kosten, die in diesem Jahr gebaut werden sollte. Sie ist dann aber durch das Hillwood-Projekt hinfällig geworden und müsste neu überplant werden, teilte das Verkehrsministerium der Abgeordneten Annabell Krämer auf ihre Anfrage mit. Quickborns Bürgermeister Beckmann hofft jetzt durch das OVG-Urteil, dass die fix und fertig geplante BÜSTRA-Anlage endlich gebaut werden könnte. „Das wäre wichtig für die Sicherheit der Kinder und aller dortigen Anwohner.“

Aber die Stadt Quickborn stellt sich mit ihrem juristischen Beistand auf mehrere Szenarien ein. Die aus Sicht von Quickborn (und wohl auch Ellerau) einfachste Lösung wäre es, wenn der Kreis Segeberg die Baugenehmigung für das Hillwood-Projekt zurückzieht. „Dann haben wir unser Ziel erreicht“, sagt Beckmann. Hillwood könnte dann zwar noch widersprechen und dagegen klagen. Was nach dem OVG-Urteil aber kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte.

Verwaltungsgericht gab zunächst Recht: Haftungsansprüche kommen nicht in Betracht

Auch etwaige Haftungsansprüche gegen den Kreis Segeberg dürften nach Einschätzung des Quickborner Rechtsbeistandes kaum in Betracht kommen. Da der Kreis Segeberg im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Schleswig in erster Instanz gewonnen hat, würde es am Verschulden fehlen, wenn sich – wie nun geschehen - hinterher herausstellt,  dass die Baugenehmigung rechtswidrig erteilt wurde.

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Sollte der Kreis Segeberg wider Erwarten die Baugenehmigung nicht zurückziehen, werde Quickborn gegen den Kreis Segeberg klagen und durch das OVG-Urteil auch gute Aussicht auf Erfolg haben, heißt es aus dem Quickborner Rathaus.

Ob Hillwood seine Baupläne jetzt reduziert, ist fraglich - Konzern äußert sich nicht

Hillwood könnte sich auch mit der neuen Rechtslage arrangieren und seinerseits einen neuen Bauantrag stellen. Dieser müsste dann aber das komplette Verfahren neu durchlaufen mit der Maßgabe des neuen Bebauungsplanes, den die Gemeindevertretung Elleraus mit Veränderungssperre im Februar für das zehn Hektar große Areal beschlossen hat.

Demnach wurde der alte B-Plan von 1962 aufgehoben und das Industriegebiet in ein einfaches Gewerbegebiet umgewandelt, in dem als „übergeordnetes Planungsziel“ festgelegt ist,  dass sich jede künftige Gewerbeansiedlung zwischen Bahnstraße, Buchenweg und Werner-von-Siemens-Straße verträglich in die vorhandene „gemeindetypische Gewerbestruktur“ einpassen müsse.