Helgoland. Fraktionschef Daniel Heinrich soll zu viele Sitzungen abgerechnet haben. Der Schwindel flog auf. Nun weigert er sich, zurückzutreten.

„Für das Miteinander“ wirbt die CDU auf Helgoland auf ihrer Homepage. Doch davon war in den vergangenen Wochen wenig zu spüren. Der Streit untereinander eskalierte so sehr, dass sich die Fraktion im Gemeinderat auflöste. Was ist da los, bei den Christdemokraten auf Deutschlands einziger Hochseeinsel?

Sven Kruse, der für die CDU die Interessen der Insel im Pinneberger Kreistag vertritt, ist noch immer fassungslos, wenn er an die jüngste Fraktionssitzung der Union auf Helgoland denkt. „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Ein altes Parteimitglied drohte dem Helgoländer CDU-Vorsitzenden Lothar Plumhof (50), er gehöre „am höchsten Kran aufgehängt“.

CDU-Ortsvorsitzender entsetzt über aggressive Attacken

Und auch dem Betroffenen, der erst seit ein paar Jahren auf der Insel lebt, ist der Schrecken auch Wochen später anzuhören. Fast 30 Jahre hatte er im Kreistag in Diepholz und im Stadtrat in Syke Kommunalpolitik gemacht, war dann aus Gesundheitsgründen nach Helgoland gezogen und hatte sich sofort wieder ehrenamtlich engagiert. Aber so eine rohe Form der Auseinandersetzung in der Politik sei ihm, der sich besonders für Soziales stark mache, völlig fremd. „Verpiss Dich, Zugezogene wollen wir hier nicht“, wurde ihm vorgeworfen.

Lothar Plumhof, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Helgoland, musste sich von alten Parteifreunden beschimpfen lassen: „Zugezogene wollen wir hier nicht.“
Lothar Plumhof, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Helgoland, musste sich von alten Parteifreunden beschimpfen lassen: „Zugezogene wollen wir hier nicht.“ © CDU Helgoland | CDU Helgoland

Was war der Anlass? Lothar Plumhof, Fachanwalt für Steuer- und Insolvenzrecht, war aufgefallen, dass ihm verhältnismäßig hohe Fraktionsgelder überwiesen worden waren. Er fragte im Rathaus nach. Gemeinsam stellte man fest, dass die Terminangaben nicht stimmen können, da beispielsweise nicht gleichzeitig Fraktions- und Ausschusssitzung stattfinden.

Streit eskaliert während der Fraktionssitzung

CDU-Fraktionschef Daniel Heinrich (68), ein alteingesessener Insulaner, musste wohl Fehler gemacht haben. Denn auch von anderer Seite gab es für sieben Sitzungen, die für Plumhof mit etwa 200 Euro honoriert wurden, keine Beteiligung oder Einladungen. Plumhof zahlte die Summe sofort zurück.

Bei einer Fraktionssitzung sollte der Fall aufgeklärt werden. Vom Kreisverband schickte man den Abgeordneten Kruse auf die Insel, der in Elmshorn lebt, um die Gemüter zu beruhigen. Doch statt Ruhe hineinzubringen, musste der sich erst einmal Rederecht verschaffen. Der bloßgestellte Fraktionschef Heinrich versuchte nach Auskunft von Sitzungsteilnehmern, den Parteifreund vom Festland des Raumes zu verweisen.

CDU-Fraktion fordert Daniel Heinrich zum Rücktritt auf

Das war umso erstaunlicher, da gleichzeitig mehrere nicht stimmberechtigte Mitglieder aus der alten CDU-Fraktion (2018-23) anwesend waren, allesamt Unterstützer von Daniel „Danny“ Heinrich. Zum Hintergrund: Die CDU hatte bei der Wahl im vorigen Jahr mehr als die Hälfte der Wählerstimmen eingebüßt. Nur noch Daniel Heinrich und der Neu-Helgoländer Plumhof bildeten die verkleinerte Fraktion.

Stimmberechtigt sind in der Fraktion aber nur die Gemeindevertreter und die bürgerlichen Mitglieder. Die forderten Daniel Heinrich zum Rücktritt auf und beschlossen, wenn er das innerhalb einer Frist nicht vollziehe, werde er ausgeschlossen. Nachdem die Frist verstrichen war, zogen die Helgoländer Konsequenzen.

Wählergemeinschaft unterstützt Plumhof bei Neuwahl

Beide Gemeindevertreter sind jetzt nur noch Einzelkämpfer. Da die CDU keinen Fraktionsstatus mehr hat, gibt es auch keine bürgerlichen Mitglieder mehr, die in den Ausschüssen mitarbeiten dürfen. Da die Freie Wählergemeinschaft die Arbeit von Lothar Plumhof als Sozialausschussvorsitzenden schätzt, bestimmte sie ihn, unterstützt von einigen anderen, auch künftig als Ausschussvorsitzenden.

Helgolands CDU-Fraktionschef Daniel Heinrich wollte sich am Freitag zu der Angelegenheit nicht weiter äußern. Das sei eine parteiinterne Angelegenheit. Das müsse die Kreisgeschäftsstelle klären. Doch die ist mit dem Kreisparteitag, der am Sonnabend in Ladiges Gasthof in Holm wegen der Kreisvorsitzentscheidung turbulent genug werden könnte, vollauf ausgelastet.

Ex-CDU-Fraktionschef soll wutentbrannt ins Rathaus gestürmt sein

Sowohl Lothar Plumhof als auch Sven Kruse berichten, dass sich Daniel Heinrich anfangs gegen den Vorwurf der falsch abgerechneten Fraktionsgelder verwahrt habe. Er leiste so viel für die Gemeinde, dieses Geld habe er allemal verdient. Doch am Ende soll er wutentbrannt den Betrag im Rathaus im Bürgermeisteramt in bar auf den Schreibtisch geknallt haben.

Die Auseinandersetzung und die mögliche Selbstbedienung von Steuergeldern ist auf der Insel natürlich ein großes Thema. Da alle Politiker damit unter Generalverdacht fallen, ähnlich fahrlässig und strafbar zu handeln, haben die anderen vier Fraktionen im Gemeinderat jetzt eine gemeinsame Erklärung abgegeben.

Wählergemeinschaft, SPD, Grüne und SSW werben um Vertrauen für Gemeinderat

„Wir bedauern es sehr, dass wir, als von Euch und Ihnen gewählte Gemeindevertreter das in uns gesetzte Vertrauen auf solch eine Art und Weise auf die Probe gestellt sehen“, heißt es in der „Bekanntmachung“ von Wählergemeinschaft, SPD, Grünen und SSW. „Die Unstimmigkeiten innerhalb der CDU schaden dem Ansehen der Inselpolitik und rütteln am Vertrauen auf richtige politische Entscheidungen innerhalb der Gemeindevertretung.“

Die vier Fraktionen versprechen, sich „im Rahmen unserer politischen Möglichkeiten um eine schnellstmögliche Beruhigung der Situation“ zu bemühen. Über diesen Vorstoß wundert sich wiederum der CDU-Abgeordnete Sven Kruse. Der Gemeinderat habe mehrheitlich die Chance verpasst, eine Strafanzeige wegen der falschen Abrechnungen zu stellen.

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Währenddessen versucht auch Bürgervorsteher Gunther Nagel (Freie Wählergemeinschaft), die Situation zu beruhigen – vergebens. Es gebe so viele große Probleme für die Insel. Diese Angelegenheit hätte man im Gespräch klären können. Das sehen nicht alle so, denn eine falsche Abrechnung wäre eine Straftat.