Appen/Uetersen. Appener Rinderzüchter setzt auf Galloways und stressfreies Leben auf den Weiden in Uetersen. Warum die Drei seine Glückszahl ist.

  • Philip Deskau liebt seine flauschigen Tiere, obwohl er aus keiner Bauernfamilie stammt.
  • Mit den beiden Burenziegen Turbo und Kompressor fing es 2010 an.
  • Auf dem letzten Weg in die Schlachterei werden die Tiere in ihren von Kindheit an gewohnten Anhängern gebracht – stressfrei.

Mitten in Uetersen grast eine kleine Rinderherde. Bunt sind die Tiere, die bei Spaziergängern und Besuchern im nahen Rosen-Stadion für viel Aufmerksamkeit sorgen. Das sind doch keine Galloways, oder? Wem gehören die Tiere? Passen Rinder noch mitten in die Stadt. Fragen über Fragen.

Auf dem nahe gelegenen Bauernhof, der schon seit mehr als einem halben Jahrhundert nicht mehr bewirtschaftet wird, gibt es die ersten Antworten. Ein Landwirt aus Appen soll der Pächter sein. Und der lässt sich nicht lange bitten. Er verabredet sofort einen Termin und erzählt gern seine Geschichte.

Vom Industriemechaniker zum Rinderzüchter aus Leidenschaft

Philip Deskau heißt der junge Mann. Er liebt seine flauschigen Tiere, obwohl er weder aus einer Bauernfamilie stammt noch irgendwie sonst als junger Mensch etwas mit Tieren zu tun hatte. Auf das Rind kam er über Umwege. Ursprünglich lernte er Industriemechaniker. Doch die Arbeit bei einem großen Schiffbau-Unternehmen machte ihm zu wenig Spaß.

Die kleine Galloway-Herde lebt mitten in Uetersen auf einer Weide zwischen Jahnstraße und Kleiner Sand. Dieser Bauernhof ist jetzt als Wohnhaus umgebaut.
Die kleine Galloway-Herde lebt mitten in Uetersen auf einer Weide zwischen Jahnstraße und Kleiner Sand. Dieser Bauernhof ist jetzt als Wohnhaus umgebaut. © Michael Rahn | Michael Rahn

Und weil er am liebsten selbst bestimmt, wo es langgeht, gründete Philip Deskau vor etwa 20 Jahren eine eigene Firma mit Schwerpunkt Landschaftsbau. Da der Mann am liebsten selbst zupackt und dabei kaum zu bremsen ist, benötigte er irgendwann einen Ausgleich, irgendwas mit Tieren. „Das entspannt mich total.“

Mit den Ziegen Turbo und Kompressor fing es an

Mit den beiden Burenziegen Turbo und Kompressor fing es 2010 an. Es folgten Geflügel, Schafe, bis Philip Deskau in einer Kleinanzeige entdeckte, dass eine Kuh mit Kalb zu verkaufen sei. Genügend Erfahrungen mit der Tierwirtschaft hatte der Appener nun gesammelt. Jetzt wollte er mehr und wollte diese entspannten Galloways, die oft mit den braunen, zotteligen und behornten Highlands verwechselt werden.

Die bunten Galloways sind sehr neugierig.
Die bunten Galloways sind sehr neugierig. © Michael Rahn | Michael Rahn

Mittlerweile gehören 170 Rinder zu seinem landwirtschaftlichen Unternehmen, allesamt braune, weiße, graue, schwarze, gefleckte Galloways. Die grasen vor allem auf Naturschutzflächen in Wedel und Moorgebieten in Rellingen sowie am Funkturmsee in Pinneberg. „Diese Tiere sind ideal für diese Flächen“, sagt Philip Deskau. Sie seien nur halb so schwer wie die anderen in Norddeutschland beliebten Robustrinder, die Highlands.

„Ich gehe jeden Morgen mit Freude an die Arbeit“

„Ich gehe jedem Morgen mit Freude an die Arbeit“, erzählt der 41-Jährige. 36 Mitarbeiter gehören mittlerweile zu seinen Unternehmen. Ein Teil ist wie der Chef morgens um 5.30 Uhr zum gemeinsamen Frühstück im Betrieb, und dann geht es los. Der Gartenbau bleibt dabei Deskaus Leidenschaft Nummer eins.

Die Weide zwischen Jahnstraße und Kleiner Sand gehörte ursprünglich zu diesem Bauernhof. Die Eigentümer haben das Gebäude – auf dem Foto im Bild sind die Vorfahren zu erkennen – zum Wohnhaus umgebaut.
Die Weide zwischen Jahnstraße und Kleiner Sand gehörte ursprünglich zu diesem Bauernhof. Die Eigentümer haben das Gebäude – auf dem Foto im Bild sind die Vorfahren zu erkennen – zum Wohnhaus umgebaut. © Michael Rahn | Michael Rahn

Nur wenn der Chef eine Auszeit benötigt, dann fährt er auch mal spontan auf die Weide, spricht mit seinen Tieren oder sieht ihnen einfach zu. „Wenn jetzt die Kälber von ihren Müttern gesäugt werden, vergesse ich alles drumherum.“ Dann werden aus einer kurzen Pause auch mal schnell ein paar Stunden Auszeit.

Mitarbeiter willkommen, die für ihren Job brennen

Für den eigentlichen Job des Herdenmanagements hat Philip Deskau eine vertraute Person angestellt: Heidi Harzmann, ebenfalls 41. Sie ist jeden Tag auf allen Weiden unterwegs, bewegt jedes Tier, um Verletzungen und Krankheiten rasch festzustellen. Doch die Tiere fühlen sich wohl, sind so kräftig und gesund, dass der Tierarzt nur äußerst selten aktiv werden muss.

Als Herdenmanagerin ist Heidi Harzmann (41) seit vier Jahren im Einsatz. 
Als Herdenmanagerin ist Heidi Harzmann (41) seit vier Jahren im Einsatz.  © Michael Rahn | Michael Rahn

Auch Heidi Harzmann, gelernte Lageristin und vielfältig begabte Handwerkerin, hat sich wie der Chef ihr Wissen um die Tiere erst sehr spät beigebracht. „Mir ist nicht wichtig, was jemand für Zeugnisse hat“, sagt Deskau. Entscheidend sei, ob jemand lernfähig sei und für eine Sache brenne. Und so findet sich unter den drei Personen, die für die Landwirtschaft bei Deskau tätig sind, nur ein gelernter Landwirt.

Als „Heidi“ den Bullen allein von der Weide auf den Anhänger führte

Alle drei verstehen ihr Handwerk, und die Tiere lieben sie. Das ist für Außenstehende oft nicht so einfach zu verstehen. Als Heidi Harzmann, von Statur klein und schmal, weil gerade niemand anders da war, einen Bullen von der Weide in den Anhänger führen musste, riefen besorgte Augenzeugen beim Chef an: „Weiß die Frau, was sie tut?“

Das Bild aus dem Stadtarchiv zeigt den Bauernhof zwischen Jahnstraße und Kleiner Sand im Jahr 1966. Von der Jahnstraße aus gesehen ist linker Hand heute eine Tankstelle.
Das Bild aus dem Stadtarchiv zeigt den Bauernhof zwischen Jahnstraße und Kleiner Sand im Jahr 1966. Von der Jahnstraße aus gesehen ist linker Hand heute eine Tankstelle. © Stadtarchiv Uetersen, Slg. E. Stoffer | Stadtarchiv Uetersen/Sammlung E. Stoffer

Philip Deskau konnte alle beruhigen. „Heidi“ wisse genau, was möglich ist. Und die Tiere vertrauen ihr und den anderen, die sich um sie kümmern. Zumeist waren die Menschen bereits bei der Geburt dabei. Auch auf dem letzten Weg in die Schlachterei, entweder zu Fülscher nach Seestermühe oder in die Landschlachterei Burmeister in Viöl, werden sie in ihren von Kindheit an gewohnten Anhängern gebracht – stressfrei.

Philip Deskau und die Glückszahl Drei

Und irgendwie ist die Drei die Glückszahl für Philip Deskau. Denn schon als Baby gab es gleich dreifachen Nachwuchs im Hause der Eltern, neben Philip kamen zwei Schwestern zur Welt. Die eine kümmert sich vornehmlich um das dritte wirtschaftliche Standbein, den Hofladen von Philip Deskau, von dem aus Fleisch und Wurst zu 100 Prozent aus eigener naturnaher Haltung verkauft werden. Nur die andere Schwester ist fernab des Dorfes beschäftigt, auch mit Tieren, in einer Pferdeklinik.

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100 Prozent aus dem heimischen Betrieb: Drillingsschwester Yvonne kümmert sich um den Verkauf im Hofladen. © Michael Rahn | Michael Rahn

Die Kunden lieben das kleine Geschäft in der Ortsmitte, in dem neben den eigenen Produkten aus Rindfleisch auch Wild aus der Region verkauft wird. Denn neben Gartenbau und Rinderzucht gibt es für Philip Deskau noch eine dritte Leidenschaft: die Jagd. Für den überzeugten Appener ist klar: Er geht nicht nur einem der schönsten Berufe nach, sondern gleich drei davon: Geschäftsmann, Tausendsassa und Naturbursche.