Elmshorn. In Parks oder am Strand ist Roundnet oder Spikeball längst Trend. Nun wird das besondere Spiel in Elmshorn sogar im Verein betrieben.

Spätestens im vorigen Sommer dürfte es jedem, der mit offenen Augen durch die Welt läuft, schon mal aufgefallen sein: in Parks oder an Stränden packten kleinere Gruppen ein trampolinartiges Netz aus und bewarfen es mit Bällen. Was ist das, was ziemlich cool und easy aussieht, bei näherem Hinsehen aber doch nicht ganz ohne ist?

Die Antwort: Roundnet oder wahlweise Spikeball heißt der neue Trendsport, der im Winter ebenso gut in der Halle gespielt werden kann. Inzwischen gibt es sogar Ausrüstungsteile, die ein Spikeballmatch selbst im Wasser ermöglichen. Mit einem simplen Ballwurf und anschließendem Return ist es jedoch beileibe nicht getan.

Trendsport Serie: Beim Spikeball stehen die Spieler um ein Netz herum

Die Komplexität des Spielgeschehens hat eine simple Ursache: Die Spieler stehen einander nicht wie üblich frontal gegenüber, sondern gruppieren sich um das besagte Netz von 90 Zentimetern Durchmesser. „Durch das 360-Grad-Prinzip entstehen verschiedenste Abweichungen von dem, was wir normalerweise von Sportarten gewohnt sind“, erklärt Niklas Stolz, Leiter der neuen Abteilung beim Elmshorner MTV.

Stolz
Niklas Stolz ist Roundnet-Abteilungsleiter beim EMTV und zeigt das Namen gebende Netz mit einem Durchmesser von 90 Zentimetern. © Werner Langmaack | Werner Langmaack

Er selbst – Musik- und Sportlehrer im Hauptberuf – hatte einmal ein Roundnet-Set zum Geburtstag geschenkt bekommen. Danach schmorte das Komplett-Set erst einmal eine ganze Weile im Schrank, weil Stolz sich abstrakt nicht vorzustellen vermochte, dass ihm das Spiel gefallen könnte. Tat es aber, als er es dann doch eines Tages dem Praxistest unterzog. „Einmal gespielt, und es hat mich gepackt“, skizziert Stolz den Vorgang.

Roundnet kombiniert Eigenschaften mehrerer Disziplinen

Die Sportart kombiniere diverse Eigenheiten aus Disziplinen, die der 32-Jährige vorher schon betrieben hat. „Taktische Elemente aus dem Volleyball paaren sich mit technischen aus Tennis und Tischtennis“, sagt Stolz. Außerdem habe Roundnet etwas „Friedliches“, man spiele mehr mit- als gegeneinander. Selbst wenn der sportliche Ehrgeiz langsam wächst, bleibe der Wunsch nach „sozialer Interaktion“ dominant, sagt Stolz im Pädagogen-Slang.

Roundnet gruppe
Niclas Büchel (v.l.), Rieke Meier, Eva Sachse, Urte Jacobs, Alexander Thoms, Niklas Stolz, Dietlind Ochterbeck von der Roundnet-Gruppe des EMTV mit ihren Sportgeräten: Das Spiel ist weder selbsterklärend noch kinderleicht. © Werner Langmaack | Werner Langmaack

Vor ziemlich genau einem Jahr schlug er Funktionären des EMTV die Aufnahme der neuen Sportart in ihr Portfolio vor und stieß auf positive Resonanz. Nach einer organisatorischen Anlaufphase gründete sich im Oktober 2023 eine Spikeball-Abteilung, der aktuell ungefähr ein Dutzend Aktive angehören.

Spaß und Zusammenarbeit sind wichtiger als sportlicher Erfolg

Zu denen zählt Urte Jacobs (49). Sie beschreibt sich selbst als „Ball-affin“ und hat im September mit dem Spikeball begonnen. Zwar sei sie recht schnell mit dem neuen Spiel zurechtgekommen, habe jedoch inzwischen feststellen müssen, dass „technisch-taktisch noch Luft nach oben ist“. Spaß und Zusammenhalt seien ihr aber um einiges wichtiger als Wettkampferfolge.

Roundnet Duo
Alexander Thoms und Urte Jacobs betreiben noch nicht lange Roundnet beim EMTV, sind aber schon Feuer und Flamme für den neuen Trendsport. © Werner Langmaack | Werner Langmaack

Klubkamerad Alexander Thoms (41) hat früher unter anderem Fuß- oder Basketball gespielt, fühlt sich jetzt jedoch am Rundnetz heimisch: „Das hier ist ein körperliches Komplettpaket“, begründet der Schiffskapitän seine neue Leidenschaft. Hand, Auge, Kraft, Beweglichkeit, Kommunikation und speziell die Reaktionsschnelligkeit würden bei diesem Spiel gefordert.

Roundnet ist auch ein Training für den Kopf

Wem das nicht reicht: Sogar das Gehirn profitiert laut Aussage des Verbandes „Roundnet Germany“: „Spikeball erfordert schnelle Entscheidungen, taktisches Denken und das Vorhersagen der gegnerischen Züge. Diese geistige Herausforderung schärft Reaktions- und Entscheidungsfähigkeit und hilft dabei, die kognitiven Fähigkeiten zu verbessern.“

Was dem Betrachter sofort auffällt: Es gibt keine Spielfeldbegrenzungen und damit keine Ausbälle. Auch Schläger gehören nicht zum Equipment. Die Bälle werden mit der Handfläche geschlagen. Da das Spielgerät lediglich 65 Gramm wiegt und mit einer speziellen Beschichtung sowie flachen Noppen versehen ist, zischt es nicht etwa wie ein Flummy durch die Luft.

Um den Spielfluss nicht zu unterbrechen, sollten immer ausreichend Bälle vorhanden sein

Flugweite und Schnelligkeit sind überschaubar. Jedenfalls sollte für eine ausreichende Anzahl an Bällen gesorgt sein. Denn durch allzu häufiges Zurückholen weit weg gesprungener Kunststoffkugeln wird der Spielfluss ansonsten störend unterbrochen.

Stolz
Roundnet-Abteilungsleiter Niklas Stolz macht es vor: Im Spiel wird der Ball mit der bloßen Hand geschlagen. © EMTV | EMTV

Zum technischen Repertoire guter Spieler gehört der von anderen Ballspielarten entliehene Topspin. Um diese Technik anständig hinzubekommen, muss man sie allerdings fleißig üben. Wie Roundnet ganz allgemein weder selbsterklärend noch kinderleicht ist. Und solange unvermeidliche, technische Anfängerfehler nicht ausgemerzt sind, will auch ein flüssiges Spiel kaum zustande kommen. Niklas Stolz: „Man muss halt Geduld mitbringen, um sich das nötige Ballgefühl anzueignen und koordinative Besonderheiten zu erlernen.“

Die Spielregeln unterliegen noch einem ständigen Wandel

Nicht nur seine Gruppe beim EMTV befindet sich im Entstehungsprozess. Ständig werden landesweit die Spikeballregeln verändert, angepasst, ein Spielbetrieb mit Ligen, Tabellen und Meisterschaften wächst langsam heran. Immerhin wurde 2023 bereits das erste deutsche Meisterteam gekürt. Es kam aus Köln und feierte seinen Triumph nicht weniger enthemmt als in fast allen anderen Sportarten. Auf Youtube-Videos kann sich das jeder anschauen.

Weitere Regeln sind zu beachten. Um das Netz herum liegt eine „No-Hit-Zone“, von wo aus der Spielball nicht aufs Netz geschlagen werden darf. Anfänger allerdings, empfehlen Experten, sollten zunächst ohne eine solche Verbotszone spielen, um die Schlagtechnik leichter erlernen zu können.

Das penible Regelwerk sorgt für Chancengleichheit

Grund für die Abstandsregel: Je flacher der Schlagwinkel, desto längere, interessantere Ballwechsel kommen zustande. Am Strand und auf der Wiese wird auf solche Details meist weniger geachtet, auf Turnieren hingegen penibel. Nur über ein verbindliches Regelwerk lässt sich Chancengleichheit im Wettkampf herstellen.

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Beim EMTV wollen sie sich dem ernsthaften Ligabetrieb sukzessive nähern. Um die eigene Leistungsstärke zu testen und sich bei anderen Teams Tricks und Techniken abzugucken, sollen Starts bei offenen Turnieren mit Freizeitcharakter den nächsten Entwicklungsschritt bilden.

Die Elmshorner Spikeballer suchen noch einen Teamnamen

Um dort einen halbwegs professionellen Auftritt hinzulegen, braucht es einen griffigen Beinamen. Denn wie etwa beim Eishockey schmücken sich Roundnet-Teams vorzugsweise mit Namen aus dem Tierreich, die heißen dann „Aale Altona“ oder „Karlsruher Kojoten“.

Momentan ist, der Alliteration wegen, „Elche Elmshorn“ im Gespräch. Davon sind indes nicht alle überzeugt. Wer hat eine zündende Idee? Die Elmshorner Spikeball-Pioniere würden Anregungen von außen wohlwollend prüfen. Vorschlag aus der Abendblatt-Redaktion: Wie wäre es mit „Erdmännchen“?