Kummerfeld. KSV-Aktive haben erstmals an den German Open teilgenommen. Fünfmal gibt es einen Podestplatz. Was den Sport so attraktiv macht.

Vor zwölf Monaten noch konnte Anna Auricchio mit dem Begriff Pickleball herzlich wenig anfangen. Kürzlich bei den German Open, einem international besetzten Turnier in Gelsenkirchen, aber hatte sie bereits ein erstes, intensives Erfolgserlebnis. Gemeinsam mit ihrer Klubkameradin Meike Schuhmacher holte sie im Damendoppel die Silbermedaille.

Pickleball Trendsport: Seit den German Open ist Anna Auricchio „endgültig angefixt“

Das gleiche Kunststück gelang ihr in der Mix-Konkurrenz: „Ich muss zugeben, dass ich vorm Turnier tierisch aufgeregt war. Doch dann es lief super“, erzählt Anna. Trotzdem wurmte sie die Dreisatz-Endspielniederlage. Denn in der Vorrunde hatten sie dieselben Gegnerinnen bereits besiegt, der Titelgewinn wäre also drin gewesen. Jedenfalls ist die Kummerfelderin nun endgültig angefixt, ist „ganz, ganz stolz“, auf ihre Turnierleistung.

Stinski Auricchio
KSV-Spartenleiter Axel Stinski mit German Open-Medaillengewinnerin Anna Auricchio. © Werner Langmaack | Werner Langmaack

Auch mit der Gesamtausbeute war die Delegation aus dem Norden hochzufrieden. In der Hoffnung nach NRW aufgebrochen, wenigstens einen Podiumsplatz zu schaffen, kamen am Ende derer fünf zustande: einmal Gold, dreimal Silber, einmal Bronze. Eine starke Bilanz, die Spartenleiter Axel Stinski so erklärt: „Wir legen den Schwerpunkt zwar auf den Breitensport, haben aber auch einige ambitionierte Spieler in unseren Reihen. Die haben fleißig trainiert und sich gezielt auf Gelsenkirchen vorbereitet. Im Nachhinein würde ich sagen: Es waren sogar noch ein paar Top-Platzierungen mehr drin.“

Medaillengewinner
Pickleball German Open 2023 in Gelsenkirchen: Vier der glücklichen Medaillengewinner des Kummerfelder SV: Mona Beckemeyer (v.l., Bronze), Anna Auricchio  (Silber), Meike Schuhmacher (Silber), Thomas Berger (Silber). Nicht abgebildet Timo Stinski (Silber 3,0). © Kummerfelder SV | Kummerfelder SV

Weil auf Turnieren diverse Gruppen nach Altersklassen und Spielstärke formiert werden, die sich dann untereinander messen und Medaillen ausspielen, lassen sich krasse Leistungsunterschiede einebnen, gibt es mehr Möglichkeiten Erfolge zu feiern. Diese flache Hierarchie, die Abwendung von Perfektion und Professionalismus, zählt zu den Vorzügen dieser Sportart.

Pickleball ist eine Mischung aus Tennis-, Squash- und Tischtenniselementen

Pickleball ist eine Mischung aus Tennis-, Squash- und Tischtenniselementen, wird auf Badmintonfeldern mit niedriger gehängten Netzen und überwiegend in Doppeln gespielt. Der meist gelbe Kunststoffball ist durchlöchert, was als aerodynamische Bremse wirkt. Die Kugeln fliegen ungefähr mit einem Drittel der Geschwindigkeit eines Tennisballs durch die Luft. Nicht zuletzt dadurch wird das Hin und Her im Wettkampf entschleunigt, was positive Auswirkungen hat, beginnend damit, dass Sehnen und Gelenke weit weniger belastet werden. Gleichwohl kommen zuweilen umkämpfte Ballwechsel mit hoher Dynamik zustande.

Selbst Steffi Graf ist begeistert von dem neuen Trendsport

Erfunden wurde die Sportart vor mehr als fünfzig Jahren in Florida, in den dortigen Rentner-Resorts. Deutschlands einstige Tennis-Ikone Steffi Graf, 54, befindet sich zwar noch nicht im Ruhestand, hat aber dennoch Feuer gefangen. Der Zeitschrift „Gala“ erzählte sie vor nicht allzu langer Zeit, dass Pickleball ihr neuer Lieblingssport sei: „Es ist einfach und schnell zu lernen“, so die „Gräfin“. Kummerfelds Stinski ergänzt: „Neulinge brauchen eine Viertelstunde Einweisung, dann können sie schon loslegen.“ Fortschritte stellten sich schnell ein, es komme Freude auf.

Mittlerweile wird in knapp 70 Klubs Pickleball gespielt

Die ersten deutschen Vereine gründeten sich 2013. Mittlerweile wird in knapp 70 Klubs Pickleball gespielt. Die Bewegung zentriert sich in Nordrhein-Westfalen. Ende vorigen Jahres stieß der Kummerfelder SV als Pionier für Schleswig-Holstein hinzu – und wurde vom Landessportverband bereits mit erstem Lorbeer bekränzt. Beim Wettbewerb „Sterne des Sports“ 2023, der Vereine auszeichnet, die mit ihrem gesellschaftlichen Engagement einen Beitrag für die Menschen in der Region leisten, belegte die Kummerfelder Pickleball-Crew Rang zwei.

Pickleball
Das Luftbild belegt es: Vier Pickleball-Felder finden auf der Fläche eines Tenniscourts Platz. © MTV Gifhorn | MTV Gifhorn

Abteilungschef Stinski hofft, dass die Auszeichnung ihm hilft, seinen Plan zu realisieren, künftig auch unter freiem Himmel Pickleball anbieten zu können. Dazu muss er zunächst die Klubgremien überreden, einen von fünf relativ wenig genutzten Tennisplätzen umzuwidmen, was zumindest nutzungsökonomisch sinnvoll wäre. Denn auf einen Tenniscourt passen vier Pickleball-Spielflächen, die vermutlich stark frequentiert wären. Immerhin betreiben in Kummerfeld schon heute 65 Personen das Rückschlagspiel – Tendenz steigend.

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Auffällig, dass dieser Sport auf gesteigertes Interesse bei den betagteren Bevölkerungsgruppen stößt. Nicht wenige haben das Berufsleben schon hinter sich. Der älteste Akteur in der Kummerfelder Truppe ist bereits 84. Im Vergleich dazu ist Andrea Kurschus, die vom Handball kommt, eine junge Hüpferin: Jahrgang 1959.

Andrea Kurschus sorgt für ein einheitliches Pickleball-Trikot beim Kummerfelder SV

Als weibliches Vorstandmitglied hat sie sich dafür stark gemacht, dass die Abteilung demnächst eigene Trikots bekommt, ganz klassisch bepflockt mit dem Pickleball-Logo, dem Vereinsnamen und – auf Wunsch und gegen geringen Aufpreis – dem des jeweiligen Spielers.

Kurschus
Vorstandsmitglied Andrea Kurschus präsentiert das neue Abteilungstrikot für die Pickleballer. © Werner Langmaack | Werner Langmaack

Die Vereinheitlichung der Kleidung soll zugleich einen Beitrag zur Geschlossenheit der Gruppe leisten. Kurschus plädierte für ein grün-blaues Shirt („Schwarz oder Rot haben ja alle“) und setzte sich durch. Die Hemden sind in Arbeit. Ihr selbst gefällt am Pickleball die ganzkörperliche Beanspruchung und die freundschaftliche Atmosphäre.

Für 2024 hat sich Anna Auricchio eine Goldmedaille vorgenommen

Auch Klubkameradin Anna Auricchio, die früher Tennis und Tischtennis spielte, ist hellauf begeistert: „Das ist endlich eine Sportart, bei der ich jedes Mal gern zum Training gehe.“ Sie will weiter mit dem Ziel an sich arbeiten, über Ranglistenpunkte das nächsthöhere Leistungslevel zu erklimmen („Mit 37 bin ich doch noch jung!“) und kündigt an: „Nächstes Jahr fahre ich wieder zu den ‚German Open‘.“ Dann will sie mit einer Goldmedaille in den Kreis Pinneberg zurückkehren.