Klein Nordende. Anneke Borbe stammt aus Klein Nordende, begann bei der SV Lieth. Warum sie nun in der Bundesliga aus Bremen zum VfL Wolfsburg wechselt.
Vom Tabellenkeller der Bundesliga in die Champions League: Für Torhüterin Anneke Borbe (22) geht dieser Traum in Erfüllung. Die 1,80 Meter große gebürtige Pinnebergerin, aufgewachsen in Klein Nordende, hat nach acht Jahren beim SV Werder Bremen den Schritt zum VfL Wolfsburg gewagt – zu einer der ersten Adressen im europäischen Frauen-Fußball.
Fußball Torhüterin: Anneke Borbe hat nun viele Nationalspielerinnen als Teamkameradinnen
In der Autostadt werden den Spielerinnen professionelle Bedingungen geboten, die Qualität im Training ist hoch, der Kader des VfL liest sich wie die Aufstellung der deutschen Nationalmannschaft: Alexandra Popp, Lena Oberdorf, Jule Brand, Merle Frohms. Wolfsburgs Sportlicher Leiter Ralf Kellermann verteilte in einem TV-Interview bereits Vorschusslorbeeren an seine Torfrauen: „Mit Merle Frohms, Lisa Schmitz und Anneke Borbe sind wir konkurrenzfähig, egal wer zwischen den Pfosten steht.“
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Das Abendblatt wollte im Gespräch erfahren, wie sich ihr sportlicher Weg aus Anneke Borbes Sicht gestaltet hat.
Wie sind Sie zum Fußball gekommen? Sie stammen doch eigentlich aus einer Volleyball Familie.
Anneke Borbe: Das ist wie bei so vielen durch meinen großen Bruder entstanden. Der ist irgendwann zum Fußballtraining gegangen, und ich wollte natürlich unbedingt mit. Dann bin ich mitgegangen und beim Fußball geblieben. Mein Bruder hat sich dem Druck der Familie ergeben und ist dann zum Volleyball gewechselt.
Haben Sie bei Ihrem ersten Verein SV Lieth gleich mit Jungen zusammengespielt?
Ich habe von Anfang an mit Jungs gespielt und das auch, bis es fast eigentlich nicht mehr ging. Also mein erstes Mädchenteam war dann die U17 bei Werder Bremen. Davor habe ich durchgängig auch immer als einziges Mädchen in einer Jungsmannschaft gespielt.
Wie sind Sie dann ins Tor gekommen? Und warum?
Diese Idee hatte meine damalige Trainerin, die das einfach mal ausprobieren wollte. Ich glaube, wir hatten einfach keinen festen Torwart und dann habe ich gemerkt, dass man da weniger laufen muss… Und so bin ich im Tor geblieben, aber natürlich auch, weil es mir Spaß gemacht hat.
Warum der Wechsel zum SC Nienstedten?
Bei meinem Heimatverein SV Lieth ist irgendwann eine Spielvereinigung gegründet worden, weil zu wenig Spieler da waren. Nienstedten zählt auch zum Hamburger Fußball-Kreis, die waren nochmal ein bisschen größer als der SV Lieth. Und mein damaliger Stützpunkttrainer trainierte dort. Dann lag es nahe, dass ich dort hingehe.
Wie sind Sie zum Stützpunkttraining ins weit von Pinneberg entfernte Jenfeld gekommen? Alleine per Bahn und Bus?
Es gab Sichtungsturniere und dabei wurden nicht nur die Jungs für den Stützpunkt, sondern auch Mädchen für die Hamburger Auswahl mitgesichtet, die dann in Jenfeld trainiert hat. Und überall, wo ich Training hatte, hat mich tatsächlich meine Mutter hingefahren. Meine Mutter kennt viele Ecken in Deutschland, weil sie sehr viele Stunden im Auto verbracht hat, um mich von A nach B zum Training zubringen.
Warum kam dann 2015 der Wechsel zu Werder Bremen? Haben Sie von einer Karriere im Profifußball geträumt?
Der SV Werder Bremen war der erste Verein, der auf mich zukam, bei dem ich in einem reinen Mädchenteam spielen konnte. Natürlich hat die Entfernung eine Rolle gespielt, weil es eben in Hamburg nicht so wirklich etwas gab. Dann wurde es eben Bremen, wo ich auch ein relativ gutes Gefühl hatte von Anfang an.
Wie lange sind Sie nach Bremen gependelt? Wie lief so ein Tag ab?
Ich habe innerhalb einer Woche an sehr vielen verschiedenen Orten trainiert. Ich hatte zweimal Mannschaftstraining in Hamburg bei Nienstedten, dorthin sind wir mit dem Auto gefahren. Dann hatte ich einmal in der Woche in Jenfeld Training, dort sind wir ebenfalls mit dem Auto hingefahren. Und dann hatte ich freitags in Bremen Training. Auch da bin ich zwei Stunden mit dem Auto hingefahren und manchmal noch abends zurück. Wenn wir am nächsten Tag gespielt haben, habe ich bei einer Teamkollegin übernachtet. Ich hatte damals ein Zweitspielrecht, also ich habe in dieser Zeit mit Jungs und Mädchen gespielt. Es waren viele Stunden im Auto und somit viele Hausaufgaben, die im Auto erledigt wurden.
Umzug nach Bremen: mit 16? Was hielten Ihre Eltern davon?
Ja, der Umzug war mit 16 ungefähr. Ich bin in eine WG gezogen mit Nina Lührßen, also auch mit einer jungen Spielerin zusammen. Am Anfang waren da schon Bauchschmerzen da bei den Eltern, aber es gab eben nicht die Möglichkeit, in ein Internat zu ziehen. Werder hat aber so ein Haus, in dem viele junge Spieler und Spielerinnen wohnen, und da sind wir dann zu zweit eingezogen. Es stellte sich dann raus, dass es doch funktioniert – und so war das dann der nächste Schritt.
Wo sind Sie in Bremen zur Schule gegangen?
Ich war auf der Obervieland-Schule, also links der Weser, habe da 2019 mein Abitur gemacht. Ich bin auf diese Schule gegangen, weil sie eine „Eliteschule des Fußballs“ war, die eng mit Werder zusammengearbeitet hat. Nach dem Abitur habe ich dann relativ schnell ein Studium angefangen, das aber nach knapp anderthalb Jahren hingeschmissen, weil es für mich nicht gut funktioniert hat.
Sind Sie bei Werder also direkt in den Profifußball eingestiegen?
Ich bin direkt in den Profifußball, wenn man ihn so nennen will, eingestiegen, was allerdings nur mit sehr großer Unterstützung meiner Eltern möglich war.
Mit 16 Jahren kam das Debüt in der 1. Liga: Gegen wen? Wie lief es?
Das war gegen Jena auswärts und ich habe relativ kurzfristig davon erfahren. Lena Pauels, unsere damalige Stammtorhüterin bei Werder, hatte sich verletzt. Wir haben 2:2 gespielt, und an das Spiel selbst kann ich mich gar nicht so genau erinnern, weil ich so überwältigt war. Gerade so jung und dann so kurzfristig, ohne sich richtig darauf vorzubereiten zu können, im Tor zustehen. Es war aber ein schönes Gefühl.
Was war Ihr bislang bestes Spiel?
Mein bestes Spiel – das weiß ich gar nicht genau. Also ich werde mich mein Leben lang an das Spiel im Weserstadion mit Werder gegen Freiburg erinnern. Das war ein einfach ein Highlight vor 20.000 Menschen. Dank der Ultras war es super laut und das wird mir sehr lange in Erinnerung bleiben.
In Bremen haben Sie sich als Torfrau in der Bundesliga etabliert, jetzt sind Sie zu einer der besten Adressen im europäischen Frauenfußball gewechselt. Das Team ist gespickt mit Nationalspielerinnen, die Konkurrenz ist groß. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in Ihre erste Saison in Wolfsburg? Mit Merle Frohms steht hier die Nationaltorhüterin zwischen den Pfosten…
Mit relativ wenig Erwartungen und mit sehr viel Vorfreude. Und mit der Haltung, dass ich mich einfach von vielen Dingen nicht überraschen lassen will, aber dass ich einfach extrem viele neue Erfahrungen sammeln werde. Wie erwähnt, meine erste Profistation war ja in Bremen, und seitdem ich da mit 16 Jahren in der Bundesliga angefangen habe, habe ich nicht viel anderes gesehen. Nun freue ich mich einfach auf alle Erfahrungen, die ich hier machen kann, auf alle Möglichkeiten, die ich hier bekomme. Also unter dem Strich weniger Erwartungen, mehr Vorfreude.
Ihr Vorbild soll Nadine Angerer sein? Warum?
Sie war früher mein Vorbild, weil sie einfach die deutsche Nummer eins war, als ich in dieses Konstrukt Leistungsfußball reingekommen bin mit der Hamburger Mädchen-Auswahl. In dieser Zeit stand sie im Tor der Nationalmannschaft – und dann lag es auch irgendwie nahe, dass sie ein Vorbild wurde. Mittlerweile steht sie schon so ein bisschen für das Torwartspiel vergangener Tage, so dass sich da sicherlich auch neue Vorbilder herauskristallisiert haben.
Bei den Herren werden die Torleute zunehmend in den Spielaufbau miteinbezogen, ein extremes Beispiel ist beim HSV Daniel Heuer-Fernandes. Wie sehen Sie dieses Torwartspiel?
Ich glaube, dass das nicht nur bei den Männern so ist, sondern auch bei den Frauen. Letztendlich sind es ja viele Vorteile, wenn man einfach quasi ein Mann mehr oder eine Frau mehr auf dem Spielfeld hat. Natürlich steigen dann auch die Anforderungen an das Torwartspiel, wenn man eben nicht mehr auf der Linie parken kann. Es bringt einfach viel mehr Aufgaben mit sich, wenn man auch am Fuß die Anforderungen eines Feldspielers erfüllen und gleichzeitig noch Torwart sein muss. Ich denke aber, dass sich das in eine gute Richtung entwickelt.