Kreis Pinneberg. In den Vereinen findet nicht erst seit der EM in England ein Umdenken statt. Noch dominieren aber die Männerteams. So ist die Lage.
Frauenfußball hatte es nie leicht – das ist bis heute so: Männerspiele werden öfter angeschaut, Profispielerinnen werden erheblich schlechter bezahlt als Profispieler. Von 1955 bis 1970 war Frauenfußball sogar vom DFB verboten. Spätestens seit der für das Deutsche Team so erfolgreichen Frauenfußball-Europameisterschaft in England aber, bei der die deutsche Mannschaft Vizeeuropameister wurde, erlebt Frauenfußball einen Aufschwung.
Frauenfußball im Kreis Pinneberg erlebt einen Aufschwung
Auch beim Schenefelder Verein Blau-Weiß 96 geht es bergauf. „Das Standing der Fußballerinnen in den Vereinen ist in der letzten Zeit definitiv besser geworden“, sagt Arne Kröger. Er trainiert zweimal pro Woche gemeinsam mit Jörg Kögler ehrenamtlich die Damenmannschaft. Das Frauen-Team bekomme neuerdings gute Trainingszeiten. Daran sei abzulesen, dass Frauenfußball ernster genommen werde. Die Damenmannschaft war dieses Jahr recht erfolgreich: Sie kann einen Aufstieg in die Bezirksliga feiern. In der Mannschaft spielen Frauen im Alter zwischen 16 und 30 Jahren.
Eine von ihnen ist Sabrina Ehrich. Die 30-Jährige erzählt, dass sie schon als Jugendliche im Verein Fußball gespielt habe. Mittlerweile sei sie sogar selbst Trainerin: „Ich habe für meinen vier Jahre alten Sohn eine Fußballmannschaft gegründet.“ Am Wochenende komme der Kleine auch mal mit zu den Wettkämpfen der Damenmannschaft.
Frauenfußball: Die Vorurteile werden weniger
Justine Adelmann ist ebenfalls 30 Jahre alt und spielt in der Frauenmannschaft. Für sie sei am Fußball das Gefühl besonders schön, als Team etwas zu erreichen. Obwohl sie schwanger sei, komme sie regelmäßig zum Training. Punktspiele mache sie seit Kurzem allerdings nicht mehr mit. Spielerinnen und Trainer nähmen Rücksicht auf sie.
Nach der Schwangerschaft will sie weitermachen. „In den Spielpausen wird gestillt“, sagt sie und lacht. Trainer Arne Kröger freut sich schon auf das erste Teambaby. Dass sie Fußball spiele, komme überwiegend gut an. Ihr Freund mache sich aber manchmal Sorgen, weil sie immer noch auf den Platz gehe. Nur als Jugendliche habe sie manchmal Negatives gehört, „besonders wenn man als Mädchen besser spielt als die Jungs“.
Die 21-jährige Jaqueline Heuer und die 22-jährige Sandra Bähr spielen seit Jahren in der Mannschaft. Beim Training pausieren sie, denn sie sind verletzt. Trotzdem kommen sie regelmäßig her. „Das Team ist echt cool“, sagt Jaqueline Heuer, deswegen lohne es sich, die Mannschaft zu unterstützen. Sie erzählt, dass sie als Schülerin eine Schul-Frauenfußballmannschaft gegründet habe, denn an der Schule habe es nur eine Männermannschaft gegeben. Dabei wurde sie von den Lehrern unterstützt, von einigen Schülern sei sie allerdings als „Mannweib“ beleidigt worden. Laut Jaqueline Heuer nehmen die Vorurteile gegenüber Frauenfußball ab. Sandra Bähr erzählt aber von vielen Lehrern, die ihr das Fußballspielen nicht zugetraut hätten.
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Fußball: Im Kreis gibt es 15 Frauenteams
Kira Goder ist 26 Jahre alt und trainiert seit zehn Jahren. Bevor sie zu Blau-Weiß 96 kam, war sie in vielen Hamburger Vereinen aktiv. Ihr Interesse am Fußball wurde durch ihren Freundeskreis geweckt. Sie beobachtet, dass es kreisweit einen Unterschied zwischen Männer- und Frauenfußball gebe. Je nach Verein. Männer dürften beispielsweise öfter mit neuem Material spielen. „Als Frau kann man sich schnell abgestempelt fühlen“, sagt sie. Viele Frauen hörten früher mit dem Fußballspielen auf als Männer, denn für sie gebe es mehr gesellschaftliche Hindernisse. Bei Blau-Weiß 96 sei die Situation allerdings gut.
Auch andere Vereine im Kreis fördern den Frauenfußball. Allerdings gibt es deutlich mehr Männermannschaften. Laut Carsten Byernetzki, dem stellvertretenden Geschäftsführer des Hamburger Fußball-Verbandes, stehen im Kreis Pinneberg 15 Frauenmannschaften 119 Männermannschaften gegenüber. Etwa 11 Prozent der Fußballmannschaften sind demnach weiblich. Im gesamten Hamburger Fußball-Verband sei eine positive Entwicklung des Frauenfußballs zu beobachten. In dieser Saison seien im Verband 32 Mädchen- und zwei Frauenmannschaften hinzugekommen, insgesamt spielten 211 Mädchen- und 97 Frauenmannschaften.
Frauenfußball wurde sogar mal vom DFB verboten
Mädchen könnten bis zu den B-Junioren, also den unter 17-Jährigen, bei den Jungen mitspielen, in Ausnahmefällen könnten sie zur Talentförderung auch noch später bei den A-Junioren eingesetzt werden. In vielen Vereinen gebe es aber ab dem kleinsten Alter, der G-Jugend, schon getrennte Mannschaften. Allgemein nehme das Interesse bei beiden Geschlechtern zwischen 15 und 16 Jahren ab. Ob die Erfolge bei der Frauenfußball-EM mehr Zulauf gebracht haben, könne der Hamburger Fußballverband erst in ein paar Monaten feststellen, so Byernetzki.
In Pinneberg sieht es ähnlich aus: Sven Lempfert aus der Leitung des Bereichs Jugend des VfL berichtet, dass seit ein paar Jahren mehr Frauen im Verein Fußball spielen. Für jungen Mädchen gibt es sowohl gemischte als auch reine Mädchenmannschaften. „Frauenfußball muss speziell gefördert werden“, sagt Lempfert. Es sei schwieriger, Mädchen an Fußball heranzuführen. Deswegen brauche es viel Fantasie und neue Ideen.
Es sei ein langer Weg gewesen, bis Frauen- mit Herrenfußball gleichgestellt worden sei. Mit der steigenden Nachfrage habe sich die Qualität der Trainings aber deutlich erhöht. Es werde schöner Fußball angeboten, mit viel Technik. Während die meistens Jungen schon in ihrer Kindergartenzeit mit Fußball anfingen, stiegen Mädchen eher später ein. Frauen hörten außerdem wegen Schwangerschaften zum Teil früher mit Fußball auf als Männer. Der VfL Pinneberg hat zwei Frauen- und zwei Herrenmannschaften mit knapp 40 Spielerinnen und 50 bis 60 Spielern -- im Verhältnis zu anderen Vereinen relativ viel.
Frauenfußball: Mädchen fangen oft später an zu spielen als Jungs
So gibt es im Fußballclub Holsatia im EMTV keine Frauenmannschaft. Allerdings soll bald eine aufgebaut werden, denn es gibt genug Nachwuchs. Dem Leiter der Fußballjugend, Timo Schirmacher, zufolge spielen zurzeit etwa 80 Mädchen in reinen Mädchenmannschaften. Die Mädchengemeinschaft „Ho-Lie-Butterberghexen“ besteht aktuell aus vier Mannschaften und mehr als 60 Spielerinnen. Der Trend gehe dahin, dass Mädchen unabhängig von den Jungen Sport treiben wollten. Außerdem steige während der WM- und EM-Zeiten immer das Interesse am Frauenfußball.