Barmstedt/Pinneberg. Imani Saprautzki (Barmstedter MTV) und Patrik Ehlert (VfL Pinneberg) sammeln bei EM Erfahrung. Männer verpassen Medaille nur knapp
Die Aufregung im Hause Saprautzki legte sich erst, als Tochter Imani wieder gut in Ellerau angekommen war. Die 15 Jahre alte Trampolinturnerin des Barmstedter MTV hat eine ereignisreiche Woche hinter sich. „Seit vergangenem Donnerstag, als die Wettkämpfe anfingen, stand bei uns das Telefon nicht mehr still“, sagt Mutter Janina Saprautzki. Im russischen Olympia-Standort Sotschi hatte ihr Sprössling mit der deutschen Delegation des Turnerbundes an den Europameisterschaften, die eigentlich im Vorjahr stattfinden sollten, teilgenommen. Wie momentan alles andere auch, stand der Wettkampf unter besonderen Corona-Vorzeichen. Die Bewerbung um einen Startplatz erfolgte über Video-Einsendung, eine Jury entschied.
Imani Saprautzki trat in Sotschi als eines der wenigen 2006er-Mädchen in der Juniorinnen-Konkurrenz an – dort waren auch Geburtsjahrgänge 2004 und 2005 vertreten. In der Disziplin Doppel-Mini – nach zwei Sprüngen mit akrobatischen Elementen folgt eine möglichst stabile Landung – erreichte sie in der Finalrunde mit 60,9 Punkten einen starken sechsten Platz, Junioreneuropameisterin Alena Kalashnikova kam auf 69,1 Zähler.
Die Familie fiebert per Video mit Imani mit
„Die ganze Familie hat sich die Online-Videostreams angeguckt; natürlich ist man da stolz“, sagt Mutter und Ex-Leichtathletin Janina Saprautzki, die Ende der 80er-Jahre zweimal Deutsche Mehrkampfmeisterin war. Mit Ehemann Hartmut, einem älteren Sohn und drei jüngeren weiteren Töchtern drückte sie die Daumen. Im Vorlauf sprang für Imani Saprautzki (61,5 Punkte) Rang zehn heraus, aber es gilt die Regelung, dass pro Nation die zwei besten Springerinnen weiterkommen. Als zweitbeste Deutsche überholte sie in der Finalrunde noch ganz knapp Nationalmannschaftskollegin Anastasia Heinrich. Im Teamwettbewerb gab es für die drei deutschen Juniorinnen den vierten Platz, hinter Portugal, Schweden und Russland.
Die aufregende Reise über Hamburg, Frankfurt, Moskau nach Sotschi inklusive des einwöchigen Aufenthalts bei der 27. Trampolin-EM fasst Imani, die bereits im Alter von fünf Jahren mit dem Trampolinturnen begonnen hat, so zusammen: „Ja, war cool.“ Die Reisetruppe sei nett gewesen, die Temperaturen am Schwarzen Meer angenehm, sie hätten sich das ehemalige olympische Dorf angeschaut – und auch die eigenen sportlichen Leistungen waren zufriedenstellend. „In meinen Durchgängen bin ich schon gut gelandet. Die Haltung war aber im Training schon besser“, erzählt die Neuntklässlerin des Barmstedter Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gymnasiums.
Bei der EM herrscht ein straffer Zeitplan
Einen speziellen Berufswunsch hat sie noch nicht, aber trotz viel Ehrgeiz und bis zu fünf Trainingseinheiten pro Woche kann kein deutscher Trampolinturner von seiner sportlichen Leidenschaft leben. Die Zeit in Russland war eine Mischung aus Trainingslager und Wettkampf. Oft kamen die Sportlerinnen erst spät abends zurück in ihr Zimmer. „Wegen Corona gab es einen straffen Zeitplan, der von allen eingehalten werden musste. So zwischen 22 und 23 Uhr haben wir mal telefoniert. Aber da war sie verständlicherweise auch oft groggy“, berichtet die Mutter. In allen Innenräumen gab es Maskenpflicht, in den Wettkampfbereichen durfte diese am Gerät abgenommen werden, um turnen zu können. In dieser Woche pausiert Imani Saprautzki mit dem Training, weitere Wettkämpfe stehen gerade nicht an. Ab kommender Woche wird dann wieder geübt.
Seit Januar hat sich Patrik Ehlert auf Sotschi vorbereitet
Fleißig im Training war auch der Itzehoer Patrik Ehlert (19), der seit drei Jahren für den VfL Pinneberg startet. Im Januar hatte er mit der Vorbereitung auf die EM in Sotschi begonnen und pendelte unter anderem zweimal in der Woche zwischen Wohnort und Jahnhalle gut 100 Kilometer pro Trainingstag hin und her. Als 15. der Qualifikation verpasste Ehlert mit 68 Punkten den Einzug ins Finale der Männer. „Er hat alles durchgeturnt, das ist ja zunächst erst einmal immer das Ziel. Für den ersten Wettkampf nach langer Zeit und die erste EM bei den Erwachsenen lief es gut. Auch wenn es natürlich immer besser laufen könnte“, sagt VfL-Trainer Daniel Schmidt.
Als richtig „gutes Gefühl“ beschrieb Ehlert den Umstand, als jüngster Teilnehmer der Doppelminitrampolin-Konkurrenz bei dieser Europameisterschaft achtbare Ergebnisse auf den Wertungsbogen zu bekommen. „Ich war nicht mehr so aufgeregt wie 2018 beim Wettkampf in St. Petersburg und bin zufrieden mit meinen Durchgängen und meinen Punkten“, sagte der Athlet, der bereits seit gut sieben Jahren mit seinem Trainer arbeitet.
Ehlert schrammt mit dem Team knapp an Bronzemedaille vorbei
Besser lief es für die DTB-Turner im Mannschaftswettbewerb. Dann aber mit einem sportlich tragischen Ende: Deutschland wurde Vierter – und verpasste die Bronzemedaille nur denkbar knapp. „Nach dem guten Vorkampf hatten wir alle mit etwas mehr gerechnet, aber die Schweden waren eben einen Ticken stärker. Wir sind schon ziemlich enttäuscht und geknickt“, meint Ehlert.
In der Qualifikation steuerte Ehlert mit seinem Sprung, der 68 Punkte einbrachte, den zweitbesten Wert hinter Trainer-Namensvetter Daniel Schmidt (73,5, Bramfelder SV und nicht VfL-Coach) bei. In der Finalrunde sorgten unter anderem Abzüge bei der Landung – Ehlert und andere erhielten 0,9 Zähler weniger, weil sie in der gelben statt der roten Landezone auf den Boden der Tatsachen zurückkehrten – dafür, dass der Traum vom dritten Platz wegen 1,3 Punkten Rückstand doch noch platzte.
Das deutsche Team ist eines der jüngsten in Sotschi
Auch diesmal konnte sich das deutsche Team etwas damit trösten, zu den Jüngsten und damit Unerfahrensten zu gehören. Ehlert ist Jahrgang 2002, Hannes König und Maurice Waywald 2001er. DMT-Trampolinturner Schmidt ist als 1991er schon der Routinier unter den deutschen Nominierten.
„Weitere Wettkämpfe stehen in nächster Zeit erst mal nicht an, trotzdem ist es wichtig, nach der EM so schnell wie möglich wieder mit dem Training zu starten, um die Eindrücke aufzuarbeiten. Das kann dann noch einmal einen Leistungsschub geben“, sagt der Pinneberger Schmidt. Für Patrik Ehlert gab es zumindest noch ein kleines Happy End: Sein am Flughafen Frankfurt nicht nach Hamburg umgeladener Koffer ist noch aufgetaucht und standesgemäß abgeliefert worden.