Henstedt-Ulzburg. Neubürger will Satzungsänderung für die Nutzung des Bürgerhauses erreichen. Wie Verwaltung und Politik auf seinen Vorschlag reagieren.
Es ist seit Jahren das gleiche Schauspiel in Henstedt-Ulzburg: Die AfD hält politische Veranstaltungen im Bürgerhaus der Großgemeinde ab, wie zuletzt im November ihren Landesparteitag. Einige Hundert Menschen protestieren lautstark dagegen und die Polizeikräfte, ebenfalls in Hundertschaften, versuchen die Gruppen voneinander zu trennen und für Ordnung zu sorgen.
Hartmut Jensen, der seit Anfang 2024 „der Liebe wegen“ nach Henstedt-Ulzburg gezogen ist, will das endlich ändern. „Die Faschos sollen raus aus Henstedt-Ulzburg“, fordert der Neubürger, der zuvor ehrenamtlicher Bürgermeister in Schwabstedt in Nordfriesland war. In seiner 1300 Einwohner zählenden Heimatgemeinde gebe es schon seit Jahrzehnten eine Regelung, die den Zutritt und die Nutzung öffentlicher Gebäude nur denjenigen Parteien erlaubt, die auch in der Gemeindevertretung ein Ratsmandat haben.
Henstedt-Ulzburg: „Faschos sollen raus aus Henstedt-Ulzburg“
„Das würde die AfD in Henstedt-Ulzburg vom Bürgerhaus ausschließen“, erklärt Jensen, der der Partei Die Linke angehört. Auf der jüngsten Gemeinderatssitzung Mitte Dezember hat er den Kommunalpolitikern in Henstedt-Ulzburg in der Einwohnerfragestunde vorgeschlagen, sie mögen eine entsprechende Satzung für das Bürgerhaus beraten und beschließen.
Darin könnte es aus seiner Sicht analog zur Satzung in seiner Heimatgemeinde heißen: „Das Bürgerhaus steht der Gemeinde mit ihren Organen, Vereinen und Verbänden zur Verfügung. Kommunale politische Parteien und politische Gruppierungen dürfen das Bürgerhaus nur für Fraktionssitzungen verwenden.“ Über die Zuteilung sollte dann Bürgermeisterin Ulrike Schmidt entscheiden.
Hartmut Jensen: „Wir müssen die Demokratie vor den Rechtsextremen schützen“
Weiter lautet sein Satzungsvorschlag: „Die Gemeinde behält sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und rechtsextremen Parteien oder Organisationen, Personen die der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zum Bürgerhaus zu verwehren oder von Veranstaltungen auszuschließen.“
„Wir müssen die Demokratie vor den Rechtsextremen schützen“, fordert Jensen. Aus seiner Sicht wäre das eine „rechtskonforme Satzungsänderung“ für die Nutzung des Bürgerhauses, die dann der AfD verwehrt wäre, weil sie weder einen Ortsverband in Henstedt-Ulzburg noch einen Vertreter im Gemeinderat hat.
Rechtsanwaltskanzlei hat den Fall geprüft
Doch die Verwaltung widerspricht dieser Einschätzung: „Eine solche Regelung dürfte voraussichtlich unwirksam sein, da sie gegen höherrangiges Recht verstößt.“ Das habe eine erneute Prüfung dieser Angelegenheit durch eine Rechtsanwaltskanzlei ergeben. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, wie es im Artikel 5 des Grundgesetzes festgelegt ist, schütze auch AfD-Veranstaltungen, heißt es aus dem Rathaus auf Nachfrage des Abendblatts. Ein Nutzungsverbot für die AfD würde zudem gegen das ebenfalls im Grundgesetz festgeschriebene Gebot der Chancengleichheit politischer Parteien verstoßen (Artikel 21).
Wörtlich lautet das Prüfungsergebnis: „Die Ablehnung eines Mieters des Bürgerhauses auf Grundlage einer solchen Regelung wäre mithin unzulässig, die Satzungsregelung wäre bereits nichtig“. Die AfD könnte dagegen klagen und würde sofort recht bekommen, sei die Rechtsaufassung, die so weiter begründet wird: „Solange eine Partei nicht durch ein Parteienverbotsverfahren förmlich verboten wird, kann sie nicht wegen der von ihr vertretenen Positionen von der Nutzung des Bürgerhauses ausgeschlossen werden, selbst dann nicht, wenn sie nach Auffassung der Gemeinde die Veranstaltung zu verfassungswidrigen Meinungsäußerungen nutzt.“
Henstedt-Ulzburg: Politiker sehen keine Möglichkeit für eine Satzungsänderung
Somit gebe es „derzeit keine Möglichkeit, durch eine Satzungsänderung des Bürgerhauses den Ausschluss einer einzigen Partei, die nicht als verfassungswidrig eingestuft wird, zu erzielen“, sagt dazu die erste stellvertretende Bürgermeisterin Claudia Meyer.
Henstedt-Ulzburgs Bürgervorsteher Henry Danielski (CDU) äußerte sich dazu bereits am Rande der Gegen-Demo des Bündnisses für Demokratie und Vielfalt beim letzten AfD-Parteitag auf Abendblatt-Nachfrage: „Wir haben schon alles ausprobiert, sind aber vor dem Verwaltungsgericht mit unserem AfD-Verbot gescheitert.“ Das Gericht habe die Argumentation der Gemeinde, dass durch die AfD im Ort eine Gefährdung der Sicherheit ausgelöst werden könnte, nicht nachvollziehen können.“
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SPD-Fraktionsvorsitzende Patrizia Giuffrida: „Wir können die AfD leider nicht aus unserem Bürgerhaus ausschließen. Das funktioniert nicht.“ Darum sei es für sie jetzt viel wichtiger, „sich politisch mit der AfD auseinanderzusetzen.“ Das halte sie für zielführender als sie auszuschließen. Die anderen demokratischen Parteien sollten deren rechtsextreme Positionen anprangern und vor dem geschichtlichen Hintergrund von 1933 erklären, was sie bedeuten. „Da sind wir stetig dabei.“
Im Übrigen nutzten SPD, CDU, FDP und Grüne das Bürgerhaus schon seit vielen Jahren auch für Kreis- und Landesparteitage, was ja nach Jensens Vorschlag einer Satzungsänderung auch nicht mehr möglich wäre.