Bad Segeberg/Kiel. Schleswig-Holstein genehmigt Anbauverein „Sorgenfrei“. Elf weitere Clubs warten ungeduldig. Kritik an zögerlichen Verfahren wird laut.

In Schleswig-Holstein sind die ersten zwei Cannabis-Anbauvereinigungen genehmigt worden. „Ein Verein sitzt im Kreis Segeberg und einer im Kreis Plön“, sagte die Staatssekretärin des Kieler Landwirtschaftsministeriums, Anne Benett-Sturies. „Jetzt können diese zwei, die den bewilligten Antrag haben, mit den Vorbereitungen zum Anbau beginnen.“

Auf Nachfrage des Abendblattes bestätigt der Verein „Sorgenfrei“ aus Bad Segeberg: „Ja, wir haben die Genehmigung.“ Sofort durchstarten wird man aber nicht können. Dort, wo die Pflanzen wachsen sollen, gebe es noch keine Alarmanlage. Und die sei Vorschrift. Bis zu acht Wochen, schätzt ein Vorstandsmitglied, werde das wohl noch dauern, also vielleicht bis Ende Januar. Wenn die Sicherheitstechnik installiert ist, könne es losgehen. Aktuell habe der Verein 34 Mitglieder, in der Gemeinschaft wäre Platz für 150.

Cannabisclub in Bad Segeberg genehmigt

Unter dem Motto „Sorgenfrei genießen!“ gründeten neun befreundete „Cannabis-Enthusiasten und Schmerzpatienten“ den Anbauverein im März 2024, heißt es in der Eigenbeschreibung des Vereins. Man setze auf „Qualitätshanf aus Schleswig-Holstein“. Die Mehrheit der Mitglieder wohne in Segeberg oder Stormarn. Der Fokus liege daher auf dem ländlichen Raum zwischen Hamburg, Lübeck und Kiel. 2025 plant der Verein die Eröffnung einer separaten Ausgabestelle in Bad Segeberg, Bad Oldesloe oder Bargteheide.

Die Genehmigung weiterer elf Anbauvereinigungen in Schleswig-Holstein seien derzeit im Landwirtschaftsministerium noch in der Bearbeitung. Seit dem 1. Juli konnten die Vereine in Kiel Anträge stellen, 15 seien eingegangen, sagt Staatssekretärin Benett-Sturies, ein Antrag wurde wegen fehlender Vereinsstrukturen abgelehnt, einer wurde vom Antragsteller zurückgezogen.

Kritik an Vergabepraxis: „Wir spielen Behörden-Pingpong!“

Ehemalige Kult-Disco Joy in Henstedt-Ulzburg: Hier entsteht ein Cannabis Social Club. Joey Claussen ist Vorsitzender des Vereins
In der ehemaligen Disco „Joy“ in Henstedt-Ulzburg entsteht ein Cannabis Social Club. Joey Claussen ist Vorsitzender des Vereins „420 Forever.“ Auf eine Genehmigung wartet er noch. © Christopher Mey | Christopher Mey

Unter jenen Cannabis-Anbauvereinigungen in Schleswig-Holstein, die noch auf eine Genehmigung warten, ist auch der Verein „420 Forever“, der in den Räumlichkeiten der ehemaligen Diskothek „Joy“ in Henstedt-Ulzburg entsteht. Vereinsvorstand Joey Claussen gratuliert den Segeberger Kollegen zur Genehmigung, kritisiert ansonsten aber die im Vergleich zu anderen Bundesländern aus seiner Sicht zögerliche Genehmigungspraxis.

„Während sich die Social Clubs in Niedersachen über ihren bereits zweiten legalen Grow freuen, spielen wir in Schleswig-Holstein munter Behörden-Pingpong. Da merkt man den schwarz-konservativen Wind in den Segeln des echten Nordens“, teilt er in einem öffentlichen Blog seines Vereins mit. Dass es 17 Wochen gedauert hat, ehe die ersten beiden Clubs eine Genehmigung bekommen haben, stimme ihn nachdenklich. „In der Szene sorgt das gerade für sehr viel Unmut“, sagt Claussen.

Staatssekretärin kritisiert: „Wurden vom Bund alleine gelassen!“

Staatssekretärin Benett-Sturies äußerte die Kritik, dass die Länder vom Bund mit der Umsetzung des Gesetzes ein großes Stück weit allein gelassen wurden. „Es gibt noch nicht einmal eine klare Ressortzuordnung.“ Zudem seien zahlreiche Begriffe, etwa Sicherheit, im Gesetz nicht hinreichend konkretisiert worden und ließen Raum für Interpretationen. Unter der Leitung von Hamburg gibt es laut Benett-Sturies eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Verbesserungsvorschläge der Länder bündelt. „Für Schleswig-Holstein ist eine Evaluierung zur Umsetzung des Gesetzes vorgesehen“, erklärte die Staatssekretärin.

Auch Vereine aus Nahe und Norderstedt liegen derzeit noch im Genehmigungsverfahren. Die Norderstedter Cannabis-Anbauer in spe warten noch auf einen prüfenden Besuch des Landeslabors, nachdem zuletzt Unterlagen nachgereicht wurden. Der Verein beschreibt weitere Probleme bei der Umsetzung, etwa die Suche nach einer Immobilie in der Stadt, die als Abgabestelle und zugleich Vereinsheim fungieren könne – eine Voraussetzung, um überhaupt eine Lizenz zu erhalten.

Cannabis Social Clubs: Problem Immobilie

Die Norderstedter Vereinsvorsitzende Theres Andrée berichtet, dass man vielfach abblitze. Die vorgeschriebenen Mindestabstände zu Kindergärten, Schulen und dergleichen seien weniger das Problem als vielmehr die Stigmatisierungen und Falschvorstellungen von potenziellen Vermietern zum Thema Cannabis-Clubs.

„Die Ablehnung beginnt bereits bei den meisten Maklern am Telefon, die nicht richtig zuhören, wenn man ihnen erklärt, dass es sich nicht um eine Art ,Amsterdam Coffee Shop‘ handeln wird, sondern um ein sauber, solide und unter hohen Sicherheitsstandards geführtes Vereinsheim, in welchem kein Cannabis angebaut wird, sondern ausschließlich Mitglieder zu regulierten Zeiten dort ihres abholen können.“ Zudem sei „jeglicher Konsum im und in großem Abstand um das Vereinsheim gesetzlich verboten“ und werde auch nicht geduldet. Denn dies könne eine Lizenz gefährden.

Cannabis-Anbau: Ministerium will engmaschig kontrollieren

Das Ministerium machte deutlich, dass man die ersten Gehversuche der Anbauvereinigungen genau im Blick behalte. „Wir werden den Anbau begleiten und kontrollieren“, sagte der Leiter des Landeslabors, Thomas Bonk. Dabei werde sichergestellt, dass die Anbauvereine kein Cannabis von außen beziehen, sondern nur selbst angebautes weitergeben.

„Das Landeslabor Schleswig-Holstein prüft hierzu anhand der stofflichen Zusammensetzung die Herkunft und Identität des weitergegebenen Cannabis“, so Bonk. Dazu kämen weitere Analysen: Dabei soll etwa auch festgestellt werden, dass das Cannabis nicht angereichert wird, dass keine Lösungsmittel verwendet werden und sich keine Schimmelpilze gebildet haben durch eine falsche Lagerung.

Cannabis-Gesetz: „Umsetzung große Herausforderung“

Für die weitere Begleitung und die Kontrollen seien Investitionen in Höhe von 1,3 Millionen Euro nötig, zudem werde derzeit mehr Personal gesucht, erklärte Benett-Sturies. „Gerade im Bereich der Toxikologie ist es nicht ganz leicht, geeignete Fachkräfte zu finden.“ Insofern sei die Umsetzung des Cannabis-Gesetzes für Schleswig-Holstein weiter eine „große Herausforderung“.

Bundesweit gilt seit dem 1. April eine Teillegalisierung von Cannabis. Seitdem dürfen Volljährige in begrenzter Menge Cannabis konsumieren und zu Hause für den Eigenbedarf anbauen. Volljährigen Menschen ist es gestattet, nach erfolgter behördlicher Erlaubnis Cannabis gemeinsam anzubauen und untereinander zum Eigenkonsum abzugeben.