Norderstedt. Zweimal gelang Elard Ostermann mit dem FC St. Pauli II der Klassenerhalt. Jetzt steht er vor der nächsten schwierigen Rettungsmission.
- Nach dem Rauswurf von Jean-Pierre Richter übernimmt Elard Ostermann
- Eintracht Norderstedt tauscht komplettes Trainerteam aus
- Debüt ausgerechnet im Derby beim SV Todesfelde
Es ist fast genau zwei Jahre her, als sich die 260 Zuschauer im Edmund-Plambeck-Stadion an einem Sonnabendnachmittag auf den Abschied von Trainer Elard Ostermann einstellten. Am 26. November 2022 verlor Eintracht Norderstedts Stadionuntermieter FC St. Pauli II mit 0:3 daheim gegen Phönix Lübeck. Vorletzter, 19 Spiele, 15 Punkte, acht Zähler und 15 Tore Rückstand auf das rettende Ufer. Eine viel längere Amtszeit wäre Ostermann bei weiteren Pleiten wohl nicht beschieden gewesen. Doch der Trainer bewältigte die Krise mit seinem Team auf imposante Weise. In den verbleibenden 17 Partien erspielte sich der FC St. Pauli II mit 36 Punkten die beste Rückrunde der Vereinsgeschichte seit Einführung der Regionalliga Nord im Sommer 2008.
Etwas weniger dramatisch wiederholte sich die Geschichte in der folgenden Saison 2023/24. Schwache Hinrunde, stärkere Rückrunde, Rettung. Fünf Spieltage vor Saisonende wurde Ostermann, obwohl der den Klassenerhalt schon festgemacht worden war, aber vom Kiezclub auf der Trainerbank von Benny Hoose ersetzt. Imponierend in seiner Zeit bei St. Pauli war das Auftreten des früheren HSV-Profis. Selbst nach schwachen Partien seines Teams strahlte er Ruhe und Gelassenheit aus. Der römische Philosoph und Stoiker Seneca hätte seine helle Freude an Ostermann gehabt.
Eintracht Norderstedt: Neuer Trainer Elard Ostermann war zuletzt beim FC St. Pauli
„Vielleicht macht das die Erfahrung im Abstiegskampf. Mir liegt es nicht, öffentlich Schuldige zu suchen. Erfolg ist genauso wie Misserfolg ein Gemeinschaftsprodukt“, sagt er. Als neuer Trainer von Eintracht Norderstedt kann er für die schlechte Hinrunde nichts. Der zweite Teil – eine starke Rückrunde samt Klassenerhalt – soll trotzdem folgen. Womit sein persönlicher Hattrick perfekt wäre. Die Kommunikationskultur ist Ostermann dabei sehr wichtig.
„Natürlich muss der Finger in die Wunde gelegt werden. Aber auch teaminterne Gespräche laufen bei mir grundsätzlich mit einer großen Portion Respekt voreinander ab. Schließlich sprechen wir als Mitmenschen miteinander. Bei mir soll keiner das Gefühl haben, er darf keine Fehler machen, weil er dann an den Pranger gestellt wird“, sagt der 56-Jährige. Die von so manchem Fußballfan präferierte alte Schule mit einem lautstarken Rumpelstilzchen an der Seitenlinie und öffentlich sehr deutlichen Ansagen ans Team werden die Fans von Eintracht Norderstedt also nicht erleben.
Bei Holstein Kiel: Ostermann arbeitete bereits mit Frank und Finn Spitzer zusammen
Auch im von ihm zusammengestellten neuen Trainerteam mit Andreas Prohn (57) und Florian Rammer (41) als Assistenten und Johannes Höcker (39) als Torwarttrainer soll es nicht zu hierarchisch zugehen. „Ich wünsche mir von meinen Mitarbeitern immer den Mut, mir auf Augenhöhe zu begegnen und mir ihre Meinung zu sagen“, erklärt Ostermann.
Mit seiner Menschenführung der ruhigen Hand überzeugte er schon Eintrachts künftigen Sportchef Frank Spitzer (58) und dessen Sohn und Geschäftsführer Finn (29). Mit den Spitzers arbeitete er von 2019 bis 2022 bei Holstein Kiel zusammen. Ostermann coachte ein Jahr die U 17, zwei Jahre die U 19. Frank Spitzer war als Leiter der Scouting-Abteilung im Nachwuchsbereich Ostermanns Vorgesetzter, Finn Spitzer als Co-Trainer sein Assistent. „Die menschliche Chemie zwischen uns passt einfach. Wir werden gut harmonieren“, erklärt der neue Coach. Dazu passt: Die Vertragslaufzeit veröffentlichte der Verein nicht, auch Ostermann hält sich daran, betont die Gegenwart. „Wir müssen jetzt punkten, da spielt meine Vertragszeit keine Rolle.“
Eintracht Norderstedt: Andreas Prohn und Kulttorwart „Höcki“ – alte Bekannte sind zurück
Mit der Auswahl des neuen Trainerteams haben Frank Spitzer und Ostermann zudem genau die Bereiche mit neuen Gesichtern besetzt, die in der Hinrunde die Sorgenkinder der Eintracht waren. Keiner der drei Torhüter überzeugte. Konsequenz: Johannes Höcker ist neuer Torwarttrainer. Die Verletztenseuche nahm überhand. Konsequenz: Florian Rammer ist als zweiter Assistent auch neuer Athletiktrainer. Und sollten mal deftigere Ansprachen nötig sein, ist sich Co-Trainer und Rückkehrer Andreas Prohn, im besten Sinne so etwas wie der ewige Norderstedter, dafür sicher nicht zu schade.
Ostermanns erstes Engagement bei Eintrachts Vorgängerverein 1. SC Norderstedt war als Spieler nicht erfolgreich. In der Saison 1999/2000 misslang als Zwölfter der Klassenerhalt in der Regionalliga Nord. Durch eine Ligenreform hätte der SCN Sechster werden müssen, stieg in die Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein ab. „Wir hatten eigentlich eine gute Mannschaft, haben aber unsere Leistung nicht oft genug auf den Platz bekommen“, erinnert er sich.
- Eintracht Norderstedt: Sensationssieg nach Wasserschlacht
- Eintracht Norderstedt feuert Trainer Jean-Pierre Richter
- Bundesliga-Aufstieg! Ab sofort ist Eintracht Norderstedt erstklassig
Ausgerechnet beim SV Todesfelde: Derby-Kracher zum Einstand
Nun, fast ein Vierteljahrhundert später, soll das anders aussehen. Erster Prüfstein ist das Auswärtsspiel beim geografischen und tabellarischen Nachbarn SV Todesfelde (So., 14 Uhr, Joda Sportpark). Ein vermutlich aufgeweichter Rasen, eventuell eine vierstellige Kulisse – es wird wohl ein Kampfspiel und eine Charakterfrage, wenn die Norderstedter mit der gleichen Anzahl an Punkten und dem gleichen Torverhältnis als Sechzehnter beim Siebzehnten zum Derby antreten.
„In den Partien, die ich von der Eintracht gesehen habe, waren Mut und Einsatzbereitschaft immer da. Es gab aber eben zwei, drei limitierende Faktoren, warum es für die Jungs zu oft nicht zum Sieg gereicht hat“, sagt Ostermann. Diese Faktoren will er aufspüren – und abstellen. Doch, typisch für ihn, das Kellerduell beim Nachbarn will er nicht zu hoch hängen. „Wir wollen erfolgreich sein. Aber das Rennen um den Klassenerhalt wird nicht an einem einzigen Spieltag entschieden.“