Norderstedt. Abstiegsbedrohte Norderstedter bezwingen Favorit Werder Bremen II. Bärenstarke Reaktion nach Entlassung von Trainer Jonny Richter.
Regionalligist Eintracht Norderstedt hat den Befreiungsschlag geschafft! Unter Interimstrainer Jörn Großkopf siegte der Tabellenletzte im Heimspiel gegen den SV Werder Bremen II mit 3:2 (2:1).
Eine sehr starke erste halbe Stunde nutzte die Eintracht zunächst zur Führung durch zwei Kopfballtreffer von Angreifer Jack James (15.) und Abwehrchef Fabian Grau (27.). Kapitän Ersin Zehir und Philipp Koch hatten die Tore mit mustergültigen Flanken vorbereitet. Das 2:0 war aber schnell wieder Geschichte. Dennis Frie mit einem Schuss aus dem Hinterhalt (40.) und Maik Lukowicz per Abstauber (47.) sorgten für den Ausgleich. Doch ein abgefälschter Schuss von Mittelfeldspieler Falk Gross kullerte zum 3:2-Siegtreffer ins Netz (80.).
Eintracht Norderstedt: Befreiungsschlag im Abstiegskampf
Die letzte Szene dieses Regionalliga-Duells zwischen Eintracht Norderstedt und dem SV Werder Bremen II stand für alles, was die 495 Fans im Edmund-Plambeck-Stadion begeistert und zwischenzeitlich von ihren Sitzen gerissen hatte: Eintrachts Nick Selutin ereilte bei einem Sprint in der 94. Minute ein Krampf. Doch Selutin humpelte dem Ball sekundenlang auf einem Bein hinterher, bis er völlig entkräftet an der Seitenlinie zusammenbrach. Unmittelbar darauf pfiff Schiedsrichter Jannek Hansen ab. Das 3:2 für die Eintracht, ein Sieg der Leidenschaft und der bedingungslosen Hingabe, war perfekt.
Der pure Wille, eine sehr starke erste halbe Stunde, etwas Spielglück in einer Wasserschlacht und ein in der Schlussphase überragender Torwart waren die Zutaten des Erfolgs, durch den die Eintracht die Rote Laterne in der Regionalliga Nord an Holstein Kiel II weiterreichen konnte.
Interimstrainer Großkopf schafft die Wende
„Selbstbewusstsein und Leidenschaft“ hatte Interimstrainer Jörn Großkopf, sonst für die zweite Mannschaft in der Landesliga zuständig, angekündigt - und im Dauerregen von Norderstedt lieferte das ersatzgeschwächte Team von Beginn an ab. Im 4-3-3 und mit Offensivspieler Phil Sieben als Rechtsverteidiger, befand sich die Eintracht mit dem Tabellenachten zunächst überraschend auf Augenhöhe. Die Führung ging in Ordnung – und war purer Zucker! Ein wunderbarer Angriff über den ganzen Platz mündete nach Flanke von Kapitän Ersin Zehir in einem wuchtigen Flugkopfball von Sturmtalent Jack James zum 1:0 (15.).
Noch überraschender: Nun war die Eintracht gegen den Bremer NLZ-Nachwuchs sogar besser, verdiente sich das 2:0. Dane Kummerfeld spielte bei seiner Ecke Philipp Koch im Halbraum an, dessen geniale Manni-Kaltz-Bananenflanke am zweiten Pfosten von Abwehrchef Fabian Grau ins Netz geköpft wurde (27.). „Das war eine gestern im Training einstudierte Variante. War schön anzusehen, wie das geklappt hat“, sagte Interimstrainer Jörn Großkopf später.
Wasser im Wein: Die Eintracht ließ einige gefährliche Umschaltsituationen zu. Eine davon bot Dennis Frie die Gelegenheit, mit einem verdeckten Schuss auf 1:2 aus Bremer Sicht zu verkürzen (40.). Eine weitere führte fast direkt nach Wiederanpfiff zum 2:2 per Abstauber durch den erst in der Pause eingewechselten Ex-Stürmer des FC Teutonia 05 Maik Lukowicz (47.).
Wasserschlacht: Platzverhältnisse grenzwertig
Nach diesem Treffer schien es, als sei der Bremer Sieg nur noch eine Frage der Zeit. Auf dem durch die verregnete erste Hälfte von Pfützen übersäten Platz, dessen mangelnde Bespielbarkeit teils an die Platzverhältnisse beim Weltmeisterschaftsspiel zwischen Deutschland und Polen vor 50 Jahren erinnerte, kam Werder II mit viel Wucht.
Die Eintracht hielt voll dagegen. Ihre Belohnung: das so lange vermisste Spielglück kam zurück! Zunächst versagte Schiedsrichter Hansen nach einem Foul von Moritz Niemann an Frie den Gästen einen glasklaren Elfmeter (56.). Bald darauf scheiterte Joel Imasuen an Eintrachts Keeper Arne Exner. Dessen Parade alleine hätte nicht gereicht, aber sie verlangsamte die Kugel, sodass der Ball in der Pfütze vor der Linie liegen blieb und von Grau („Der Ball lag 20 Zentimeter im Wasser. Ich habe mit voller Kraft geschossen, aber er wollte da erst nicht weg“) mit einer spektakulären Rettungsaktion geklärt werden konnte (65.). Imasuen vergab bald darauf erneut aus fünf Metern zentral vor dem Kasten, setzte den Ball neben das Tor (71.).
Und da Bremen nicht zuschlug, tat es die Eintracht. Mittelfeldspieler Falk Gross nahm sich aus 22 Metern ein Herz - und war ebenfalls mit dem Fußballgott im Bunde. Ein Bremer Gegenspieler fälschte seinen Schuss ab und der Ball kullerte gegen die Sprungrichtung von Werders Torwart Sebastian Mielitz zum 3:2 ins Netz (81.).
„Ersin hat uns alle gepusht!“
„Die Jungs nerven mich ständig, dass ich nicht so viele Haken machen soll. Selbst in der Pause kamen drei Spieler zu mir und sagten ,Schieß drauf‘. Also habe ich geschossen und er ging abgefälscht rein. Manchmal muss das so sein“, sagte Gross. Und verriet, dass auch Kapitän Zehir das Team vor Spielbeginn eingeschworen hatte: „Ersin hat uns gepusht und gesagt, er glaubt an jeden einzelnen von uns.“
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Nach dem 3:2 durch Gross folgte die zittrige Schlussphase. Werder drückte mächtig, die Eintracht warf sich in jeden Ball. Und die Schlusspointe bewarb sich für eine Auswahl im Highlight-Video am Saisonende: Ausgerechnet Torwart Arne Exner, für Fynn Hegerfeldt von Großkopf zurück zwischen die Pfosten beordert, wurde nach seiner Hinserie zum Vergessen zum Matchwinner. Exner parierte in der Schlussminute gegen den frei auf ihn zustürmenden Leon Opitz und sicherte seiner Mannschaft den Sieg.
Eintracht Norderstedt: „Glück des Tüchtigen!“
„Wir haben heute Gras gefressen, obwohl gar nicht mehr so viel Gras auf dem Platz vorhanden war. Mit dieser Mentalität, mit diesem kämpferischen Auftreten haben wir uns heute das Glück des Tüchtigen verdient“, sagte Eintrachts Interimstrainer Großkopf. Dem Siegtorschützen hatte übrigens auch er am Vortag einen guten Rat gegeben. „Ich habe Falk gesagt ,Daddel‘ nicht immer in den Sechzehner rein, sondern zieh‘ mal ab‘“, so Großkopf. „Jetzt freue ich mich wahnsinnig für die Mannschaft.“
Wie es nun weitergeht bei der Eintracht, dürfte wieder etwas offener sein. In der neuen Woche soll der neue Trainer präsentiert werden. Ein dauerhaftes Engagement Großkopfs hat der Club nicht explizit ausgeschlossen. Allerdings wurde schon mit potentiellen Kandidaten verhandelt. Großkopf jedenfalls brauchte nur ein Wort, um die Frage zu beantworten, ob er weiter als Trainer des Regionalligateams zur Verfügung stehen würde: „Selbstverständlich!“
Nicht jubeln durfte indes der SV Todesfelde, der bei Tabellenführer TSV Havelse mit 0:3 verlor. Todesfelde ist nun 17., die Eintracht steht auf Rang 16.