Kreis Segeberg. Restaurants und Höfe rund um Norderstedt bereiten zum Martinstag Gänse zu. Der Bio-Braten für zu Hause kann bis zu 320 Euro kosten.
Noch laufen sie in Scharen über grüne Wiesen, patschen mir ihren Schwimmfüßen im Matsch, gackern und schnattern oder fauchen allzu neugierige Leute unfreundlich an. Doch in diesen Tagen geht es den Gänsen an den Kragen. Spätestens am Montag, 11. November, startet das große Gänse-Schlachten auf den Höfen. Dann heißt es: Kopf ab, Federn raus, und aus dem einst so stolzen, weißen Vogel wird eine braun gebrutzelte Martinsgans.
Gewaschen, gerupft und abgesengelt, einbalsamiert und mit allerlei Delikatessen von Äpfeln, Maronen bis zu Pilzen gefüllt, kommt sie in den Backofen und wird gegrillt, anschließend gebeizt, tranchiert und auf Tellern delikat arrangiert – welch‘ eine Gänse-Karriere!
Martinsgans: Woher sie ihren Namen bekam
Und wem haben die Gänse das alles zu verdanken? Nun: Das Federvieh ist nicht nur schneeweiß. Sondern auch dumm. Nicht umsonst werden Menschen mit „dumme Gans“ beschimpft, nie aber als „kluge Gans“ gelobt.
Gänse haben das Versteck des Heiligen St. Martin durch ihr aufgeregtes Schnattern verraten. Dieser Martin war ein frommer, gütiger Mann, und die Bürgerschaft der Stadt Tours schätzte ihn für seine Fürsorge. Im Jahr 371 wollte die Bürgerschaft von Tours ihn zum Bischof ernennen. Doch Martin war das zu viel der Ehre, er wollte in Ruhe leben, flüchtete vor der Verantwortung und versteckte sich in einem – Gänsestall.
Keine gute Wahl, denn die großen weißen Vögel bekamen es angesichts des heiligen Mannes mit der Angst zu tun und schnatterten aufgeregt. Das wiederum verriet den Bürgern Martins Versteck, sie spürten ihn auf und weihten den nunmehr so reichen, aber trotzdem armen Mann zum Bischof von Tours. Die Gänse aber kamen zur Strafe in den Bratofen.
Zinsen wurden früher oftmals in Naturalien bezahlt, auch mit Gänsen
Der Brauch, am Martinstag Gänsebraten zu essen, hat noch einen zweiten Grund. Denn der Tag des Heiligen Martin beendete das Wirtschaftsjahr. Löhne, Zinsen und Steuern wurden gezahlt, Tiere geschlachtet. Die Zinsen wurden früher oftmals in Naturalien bezahlt, auch mit Gänsen. Damit sie nicht durch den Winter gefüttert werden mussten, aß man sie einfach auf, und so gab es am Martinstag Gänsebraten. Außerdem gönnte man sich vor der damals strengen Fastenzeit bis Weihnachten – nichts mit Anisplätzchen, Bratäpfeln, Lebkuchen und Zuckerstangen – noch einmal ein sattes, fettes Gänsemahl.
Der Martinstag, auch Sankt-Martinstag oder Martinsfest, in Bayern und Österreich Martini genannt, ist im Kirchenjahr das Fest des Heiligen Martin von Tours, weil der am 11. November 397, also 26 Jahre nach dem Gänseverrat, als Bischof Martin beerdigt wurde.
Restaurant Hof Immenhorst serviert zur Gans Maronen, Mandeln und Rosinen
Am Martinstag müssen aber nicht nur Hunderte Gänse ihr Leben lassen, es gibt auch den Martinsumzug, gern mit dem Bischof hoch zu Esel, das Martinssingen bis zum Martins-Laternenumzug.
Wer seine Gans heute nicht selbst in die Röhre schieben will, lässt sie sich im Restaurant auftischen. Beispielsweise im Restaurant Hof Immenhorst in Norderstedt von Dörte und Detlef Berg. „Bei uns gibt’s die Gans mit Apfelrotkohl, Maronen, mit Marzipan, Mandeln und Rosinen gefüllten Bratäpfeln, Klößen, Salzkartoffeln und Preiselbeeren“, sagt Detlef Berg. Eine Gans serviert er meistens für vier Personen.
Zirka 100 Gänse vom Nobis-Hof in Bakum im Oldenburger Land gehen bei ihm in der Martinsgans-Saison durch den Bratofen (220 Euro für vier Personen, Anmeldung unter info@restaurant-immenhorst.de per E-Mail oder unter Telefon 040/529 831 67, Immenhorst 22, Norderstedt). Für die Weihnachtstage vom 24. bis 26. Dezember bietet Berg Enten und Gänse to go an.
Tangstedter Mühle: Eine Gans für vier Personen kostet 200 Euro
Im Landgasthof Tangstedter Mühle in Tangstedt werden die ersten Gänse am Sonnabend, 9. November, serviert. „Auf klassische Weise, mit Bratapfel, Rotkohl und Rosenkohl, Kroketten, Preiselbeeren und Sauce, und am Tisch tranchiert“, sagt Inhaber und Chefkoch Philipp Riebling.
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Eine Gans für vier Personen mit allem Drum und Dran kostet 200 Euro. Eine Vorbestellung ist auch in der Tangstedter Mühle ratsam. „Das sind frei laufende Gänse aus Brandenburg“, sagt Riebling. Gans to go bietet er vom 24. bis 26. Dezember und jederzeit auf Anfrage an, dann für 180 Euro pro Vogel (Tangstedter Mühle, Tangstedter Hauptstraße 96, Telefon 04109/9217 oder unter www.tangstedter-muehle.de im Internet).
Gutsküche auf Gut Wulksfelde: Gänse kommen vom Bioland-Hof in Lemsahl
Ebenfalls in Tangstedt, in der Gutsküche auf Gut Wulksfelde, serviert Matthias Gfrörer Bio-Gänse vom Bioland-Hof in Lemsahl. Auch der Spitzenkoch hält sich an die traditionelle Zubereitung. Bei ihm kommt der Braten mit glasierten Rübchen, Balsam-Träubchen, Kartoffelschupfnudeln und Serviettenknödel zu den Gästen.
Zu Weihnachten wird noch Rotkraut serviert, und dann gibt es auch wieder die Gänse-Box, den Braten für zu Hause (320 Euro für vier Personen, Gutsküche, Wulksfelder Damm 15, Tangstedt, Telefon 040/644 194 41, www.gutskueche.de im Internet).
Sparghelhof Bolhuis: Gänse werden küchenfertig angeboten
Wer seine Gans in den eigenen Ofen schieben will, sollte den Vogel rechtzeitig vorbestellen. Beispielsweise auf dem Spargelhof Bolhuis in Tangstedt. Noch darf das Federvieh frei über die grünen Wiesen rund um den Hof spazieren, sich im Matsch vergnügen und laut schnattern. „Unser Freiland-Geflügel, dazu gehören auch Enten und Puten, wird artgerecht und in Herden draußen auf den Wiesen groß“, sagt Anja Denzin vom Bolhuis-Hof.
Mit 21,90 Euro pro Kilo Gans habe man den Preis vom Vorjahr halten können. Je nach Schlachtbedarf kommt der Mobil-Schlachter auf den Hof. „Wir planen aber, die Vögel küchenfertig anzubieten, also geschlachtet, gerupft und ausgenommen, dazu wollen wir ein Küchenhaus bauen“, sagt Denzin. Übrigens: Die Federn werden von der 1917 gegründeten Firma Richard Behr in Kaltenkirchen als Füllung für Kissen und Decken verarbeitet.
Das Gute an der Gans, sie ist nachhaltig, denn vom Kopf über den langen Hals, den Körper, den Innereien, die Federn bis zu den gelben Fußkrallen für die Sauce kann sie restlos verarbeitet werden.