Norderstedt. Dubioses Pärchen wollte sich auf die nette Art Zutritt zum Haus einer Seniorin verschaffen. Wie die Norderstedterin reagierte.
Birgit Brückner hätte sich für das, was sie in einem schwachen Moment getan hatte, in den Allerwertesten beißen können. „Was für eine Dummheit, so etwas mache ich nie wieder“, sagte die 72 Jahre alte Norderstedterin.
Aber was war eigentlich passiert? „Ich habe einen Anruf von einer älteren Dame bekommen, die sich bei mir für meine Teilnahme an einer Umfrage bedanken wollte“, so Brückner, „zwei ihrer Kollegen würden mir sehr gern ein Gesundheitskissen als Prämie fürs Mitmachen vorbeibringen. Dafür bräuchten sie allerdings einen Termin und meine genaue Adresse.“
Betrugsmasche: Auf keinen Fall persönliche Daten preisgeben
In der ersten Freude, etwas geschenkt zu bekommen, warf Birgit Brückner einen Blick in ihren Kalender, die Verabredung für den kommenden Tag zwischen 15 und 16 Uhr war schnell gemacht. Und sie verriet, ohne großartig darüber nachzudenken, ihre Anschrift. „Ich wollte ja nicht unhöflich sein. Außerdem glaubte ich, mich an die Aktion im Juni erinnern zu können.“
Doch schon kurz, nachdem die unbekannte Anruferin mit ihrer mündlich requirierten Beute aufgelegt hatte, stellte sich bei Birgit Brückner ein ungutes Gefühl ein. „Es gibt heutzutage so viele Betrügereien per Telefon, zum Beispiel den Enkeltrick, mit dem mitfühlenden älteren Menschen das Geld aus der Tasche gezogen werden soll. Und das ist ja genau die Zielgruppe, zu der auch ich gehöre.“
Wenn etwas verdächtig erscheint, Familie oder Polizei um Rat fragen
Also suchte sie Kontakt zur Polizei sowie das Gespräch mit ihrer Tochter, der sie vom Telefonat berichtete. Und musste eine gehörige Standpauke über sich ergehen lassen. „Persönliche Daten an fremde Leute weiterzugeben, das geht gar nicht“, bekam sie unter anderem zu hören – und ergriff Vorsichtsmaßnahmen für ein ungewöhnliches Rendezvous.
Brückner dirigierte zur festgelegten Uhrzeit mit einem an der Haustür befestigten Zettel die unbekannten Gäste auf den Hof des Einzelhauses in Garstedt. Im Garten hielt derweil eine Mini-Wachgarde, ihr Ehemann und der Familienhund, eine Dogge, die Stellung.
Betrugsmasche: Vor allem ältere Menschen sind die Zielgruppe
Die beiden Kissen-Überbringer waren pünktlich. Und sehr freundlich. „Ein Pärchen, so um die 20“, wie Birgit Brückner schätzt. Doch dann wurde es ein wenig kompliziert. „Ich konnte mich zufällig von der Qualität des Kissens mit Fleece-Bezug, das im Nacken- und Rückenbereich nicht etwa zur Linderung von Beschwerden, sondern rein prophylaktisch zum Einsatz kommen sollte, überzeugen. „Und die war ganz schlecht.“ Die legendären Heizdecken, die es bei Butterfahrten zu kaufen gab, lassen grüßen...
Danach schossen sich die beiden Youngster komplett ins Aus. „Sie wollten mir das Kissen noch nicht übergeben, sondern zunächst meine Nackenhöhe ausmessen. Dafür sei es erforderlich, dass ich mich hinlege. Ein Versuch, um sich Zugang zum Haus zu verschaffen? Aber eine solche Liegeprobe kam für mich überhaupt nicht infrage, im Haus schon gar nicht, das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Was hätte ich denn tun sollen, wenn ich einen Schlag auf den Kopf bekommen hätte?, fragt Brückner. Also schickte sie das Duo inklusive des minderwertigen Geschenks wieder fort.
Schutz vor Telefonbetrug – was zu tun ist
- Gesundes Misstrauen ist keine Unhöflichkeit!
- Seien Sie misstrauisch, wenn sich Anrufer am Telefon nicht selbst mit Namen melden. Raten Sie nicht, wer anruft, sondern fordern Sie Anrufer immer dazu auf, ihren Namen selbst zu nennen.
- Lassen Sie sich auch bei einem angeblichen Notfall nicht unter Druck setzen. Nehmen Sie sich Zeit, um die Angaben des Anrufers zu überprüfen. Rufen Sie die jeweilige Person unter der Ihnen schon lange bekannten Nummer an, und lassen Sie sich den Sachverhalt bestätigen.
- Sprechen Sie nicht über Ihre persönlichen oder finanziellen Verhältnisse, und übergeben Sie niemals Geld oder Wertsachen an unbekannte Personen.
- Wenn ein Anrufer Geld oder andere Wertsachen von Ihnen fordert: Besprechen Sie dies mit Familienangehörigen oder anderen Ihnen nahestehenden Personen.
- Legen Sie beim geringsten Zweifel auf, rufen Sie die Polizei unter 110 oder Ihre örtliche Polizeidienststelle an.
- Lassen Sie sich nicht mit vollem Namen im Telefonbuch eintragen, denn die Täter suchen gezielt nach altmodisch klingenden Vornamen.
- Auch Verwandte, Freunde und Nachbarn können helfen, solche Taten zu verhindern: Sprechen Sie schon im Vorfeld über die Möglichkeit solcher Anrufe und wie man darauf reagieren sollte.
- Große Geldbeträge oder Wertsachen sollten nicht zu Hause aufbewahrt werden.
„Leider sind Trickbetrüger sehr kreativ, um auf die nette in Häuser oder Wohnungen zu gelangen und so an Geld, Schmuck oder Daten zu kommen“, sagt Polizeihauptkommissar Jens Zeidler von der Polizeidirektion Bad Segeberg. Fälle wie der in Norderstedt seien nicht unüblich. Zeideler: „Dass dabei jemand niedergeschlagen wird, ist aber die Ausnahme, so rabiat sind diese Leute nicht.“ Es laufe eher so ab: Eine Person lenke das Opfer ab, um der anderen die nötige Zeit zu verschaffen, nach Wertsachen zu suchen. Birgit Brückner rät ihrer Altersgruppe, aber auch unsicheren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, nicht leichtgläubig und stets wachsam zu sein: „„Zu verschenken hat niemand was, daran sollte man immer denken.“
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Die Norderstedterin ist jedenfalls für den nächsten freundlichen Anruf, der auf ein kostenloses Präsent hoffen lässt, bestens gewappnet. „Ich werde nicht mehr an Umfragen teilnehmen, habe mir außerdem eine Trillerpfeife besorgt“, sagt sie und lacht, „wer mir am Telefon noch mal dumm kommen sollte, der bekommt was von mir zu hören – und zwar ohne Rücksicht auf die Ohren.“