Kreis Segeberg. Wer selbst anliefert, muss auf den WZV-Recyclinghöfen mit Überraschungen rechnen. Ein Abendblatt-Test ergab einige Ungereimtheiten.
- Willkür bei Recyclinghofgebühren? Das Abendblatt macht den Test
- Sperrmüllliste sorgt für Diskussionen im Netz
- Mitarbeitende sollen sich auf „Ersteinschätzung“ verlassen
Wie viel Müllgebühren die Kundinnen und Kunden des Wegezweckverbandes (WZV) des Kreises Segeberg im Jahr bezahlen müssen, das können sie seit Januar 2023 durch ihr Verhalten beeinflussen. Je weniger sie zur Entsorgung an die Straße stellen, desto geringer die Kosten. Teil des neuen Gebührensystems zur Abfallentsorgung ist auch die Abschaffung der Sperrmüll-Abfuhr vor der Haustür. Wer Sperriges loswerden will, muss sich selbst zum Recyclinghof bequemen und es dort abgeben. Dort kann er die Gebühren für die Abgabe aber nicht beeinflussen. Vielmehr ist er dabei offenbar der Willkür, den subjektiven Einschätzungen und manchmal auch den Launen der WZV-Mitarbeiter ausgeliefert. Das zeigt ein Selbstversuch.
Seit Einführung des neuen Abfallsystems müssen Bürgerinnen und Bürger in 94 Städten und Gemeinden des Kreises (außer Norderstedt) ihre ausrangierten Möbel und Gartenabfälle bei einem der Recyclinghöfe in Norderstedt, Bad Segeberg, Schmalensee, Tensfeld oder Neumünster entsorgen. Bis zu zwei Kubikmetern Sperrmüll täglich ist das auch kostenlos möglich.
Sperrmüllentsorgung: Anlieferer sind auf die Einschätzungen der Mitarbeiter angewiesen
Wer den Sperrmüll aber mühsam in seinen Wagen gewuchtet hat und zum Beispiel an der Oststraße in Norderstedt vorfährt, muss damit rechnen, einen Teil des Krempels wieder mit nach Hause nehmen zu müssen – oder an Ort und Stelle saftige Gebühren zu zahlen.
Der Selbstversuch: Ein Katzenkletter- und Kratzbaum ist ein Möbelstück, das oft im Wohnzimmer aufgestellt wird? Oder doch nicht? Zumindest stand er im Wohnzimmer der Nachbarin und sollte jetzt entsorgt werden. Kostenlos angenommen wurde das ausrangierte Stück nicht: Der WZV-Mitarbeiter erkannte ihn bei der kurzen Inspektion des Autoinhalts nicht als Möbelstück an und kassierte fünf Euro für die Entsorgung.
Gebühren für die Entsorgung von Katzenbäumen? Die Meinungen gehen auseinander
Auf der Internetseite des WZV ist aufgelistet, was alles zum Sperrmüll gehört – Katzenbäume sind nicht darunter. Allerdings fehlen sie auch bei den Hinweisen, was alles nicht dazu gehört. Also: Auslegungssache. WZV-Sprecherin Julia Büttner spricht von „Ermessensspielraum“, hätte einen Katzenbaum nach eigenen Angaben selbst aber durchgewunken.
Neben dem Kratzbaum und anderen Dingen steht auch ein Karton mit drei kleinen Steingut- und Keramikblumentöpfen im Kofferraum. Der den Autoinhalt inspizierende Mitarbeiter, der alle Anlieferer sofort duzt, will dafür 15 Euro berechnen: Das sei Bauschutt und somit gebührenpflichtig. Also wieder ab nach Hause, wo ein Blick ins Internet für Klarheit sorgt: Steingut- und Tontöpfe gehören tatsächlich nicht in den Sperrmüll. Aber gleich 15 Euro für drei kleine Töpfe? Diese Summe erscheint hoch. Aufklärung gibt es dafür auf der WZV-Homepage nicht.
15 Euro Gebühren für das Entsorgen von Blumentöpfen
Wenige Tage später ein neuer Versuch – und siehe da: Die drei kleinen Blumentöpfe werden zusammen mit einer anderen überschaubaren Menge Sperrmüll durchgewunken, obwohl sie gut sichtbar am äußeren Rand des Kofferraums lagern. „Abteilung acht, Restabfall.“ Aus Gründen der Fairness und korrekten Entsorgung landen sie dann allerdings doch nicht im Restabfall-Container.
Der kleine Test aber stimmt nachdenklich: Sind private Anlieferer von Wohl und Wehe einzelner WZV-Mitarbeiter abhängig? Hat der Verband keine umfassende Sperrmüllliste zusammengestellt, an der sich Kundenschaft und Mitarbeiter orientieren können? Unter den Kundinnen und Kunden des WZV ist das ein heikles Thema, worauf auch die zahlreichen Kommentare in den Sozialen Medien hinweisen.
Mitarbeiter sollen auf genaue Kontrollen verzichten und mit Augenmaß handeln
WZV-Sprecherin Julia Büttner weist darauf hin, dass die Mitarbeiter auf den Recyclinghöfen des Verbandes angewiesen wurden, auf genaue Kontrollen zu verzichten und sich auf eine „Ersteinschätzung“ zu verlassen. Also auf das gute Augenmaß, mit einer Portion Ermessensspielraum und „Pauschalierungs-Faktor“. Das sei „gelebte Praxis“ und auch bei anderen Entsorgern so üblich, inklusive der privaten.
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Diese Entscheidung sei getroffen worden, um unnötige Verzögerungen bei der Anlieferung von Sperrmüll und sonstigen Abfällen zu vermeiden. „Wenn gewogen und ausgepackt werden muss, würde jede Kontrolle bis zu 20 Minuten Zeit in Anspruch nehmen“, sagt Julia Büttner. „Lange Staus mit erheblichen Wartezeiten für die einzelnen Anlieferer wären die Folge.“
230 Sperrmülltouren werden pro Jahr eingespart
Der WZV zeigt sich zufrieden mit den Ergebnissen dieser Praxis: Im ersten Jahr nach Einführung des neuen Gebührensystems wurden nach WZV-Angaben 230 Touren für Sperrmüll und 100 Abfuhren für Gartenabfälle eingespart. 2000 Tonnen Restmüll von zuvor etwa 56.000 Tonnen im Kreis Segeberg seien weniger angefallen.
Jedoch: Als Sperrmüll noch abgeholt wurde, ist so gut wie nie etwas liegengeblieben. Was passiert nun mit Dingen, die auf den Recyclinghöfen nur gegen Gebühr angenommen werden und deswegen von den Leuten wieder mitgenommen werden? Eine Zunahme von illegalen Müllablagerungen in der Natur des Zweckverbandsgebietes sei laut WZV nicht festzustellen. Auch wenn man, etwa in Henstedt-Ulzburg, schon beobachten kann, dass gelegentlich ganze Zimmereinrichtungen irgendwo in der Landschaft entsorgt wurden.