Norderstedt. Wegen marodem Altbau: Teil der Schülerschaft soll ausquartiert werden. Über 800 Leute unterschreiben Petition gegen Pläne der Stadt.
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Mutmaßlich wird es mehr als ein ganzes Schuljahr dauern, bis die Willy-Brandt-Schule in Norderstedt wieder komplett genutzt werden kann. Im Hauptausschuss gab Sozialdezernentin Kathrin Rösel nun ein Update zur Situation. Demnach habe ein „Zwischenergebnis der Untersuchung der Bausubstanz der Willy-Brandt-Schule“ ergeben, „dass die Schule vermutlich erst in ein bis zwei Jahren wieder bezugsfertig ist“. Abschließend werde das allerdings erst das Endergebnis der Gebäudeuntersuchung feststellen, dies soll Ende 2024 vorliegen. Vieles deutet also darauf hin, dass die Sanierung im Altbau erst 2026 abgeschlossen sein wird.
Zuvor war Anfang Oktober bekannt gegeben worden, dass zum Ende des Jahres Teile der Willy-Brandt-Schule in das leer stehende Schulgebäude am Aurikelstieg umziehen müssen. Der Schulleiter der Gemeinschaftsschule hatte dafür kein Verständnis. „Ich bin über die Entscheidung entsetzt. Eine über Jahre gewachsene Schulgemeinschaft wird auseinandergerissen“, sagte Kai Vogel. „Uns wird mit diesem Beschluss das Herz der Schule herausgerissen.“
Norderstedt: Willy-Brandt-Schule muss in Gebäude am Aurikelstieg umziehen
Was war passiert? Mitte September wurden 13 Klassenräume und sechs Fachräume, die von rund 300 der 800 Kinder und Jugendlichen der Willy-Brandt-Schule genutzt werden, zum Sperrgebiet erklärt. Nach einem Wasserschaden waren „Auffälligkeiten“ in der Bausubstanz des Gebäudes entdeckt worden. Auch wenn die Schule nicht als akut einsturzgefährdet gilt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass die Decken im Altbau der Traglast standhalten. Derzeit rücken die Schülerinnen und Schüler in den noch nutzbaren Räumen eng zusammen. Kein Zustand, der auf Dauer auszuhalten ist.
Die Stadtverwaltung musste handeln. Und hatte die Qual der Wahl: Entweder die Gemeinschaftsschule wird aufgeteilt und einige Klassen ziehen in die 1,2 Kilometer entfernt liegende einstige Horst-Embacher-Schule am Aurikelstieg, die seit 2017 nicht mehr als Schule genutzt wird. Oder Variante Nummer zwei: Die benachbarte Grundschule Lütjenmoor, die unmittelbar neben der Willy-Brandt-Schule liegt, wird komplett ausgelagert und zieht in das leer stehende Schulgebäude. Dann wäre es möglich, dass die Gemeinschaftsschule an ihrem Standort bleibt. Hier könnten die Schülerinnen und Schüler zeitweise die Räume der Grundschule nutzen.
Erst sah es danach aus, dass die Stadt die Lösung bevorzugte, eine gesamte Grundschule umziehen zu lassen. Viele Eltern waren empört über diese Überlegung. Nachdem alle Verantwortlichen aber gemeinsam an einem „Runden Tisch“ saßen und ihre Argumente vorbrachten, fiel die Wahl doch auf die Willy-Brandt-Schule, die nun alleine die Konsequenzen des sanierungsbedürftigen Gebäudes tragen muss.
Leiterin der Grundschule Lütjenmoor: „Einzig richtige Entscheidung“
Für Angelika Aust ist es „die einzig richtige Entscheidung“, wie die Leiterin der Grundschule Lütjenmoor sagte. „Alle Fakten sprachen dafür, dass wir nicht umziehen. Ich bin froh, dass die Klugheit am Ende gesiegt hat.“ Sie hätte es als ungerecht empfunden, wenn ihre Schule unter der maroden Willy-Brandt-Schule hätte leiden müssen.
Auf der Gegenseite herrscht hingegen eine große Unzufriedenheit. Auch bei den Schülerinnen und Schülern. Nachdem sie von dem Beschluss der Stadt erfahren hatten, hatten sie sich kurzerhand mit einigen Lehrkräften zusammengeschlossen, um am 2. Oktober den Ausschuss für Schule und Sport zu besuchen. Dort wollten sie ihren Unmut gegenüber der Politik kundtun. „Wir fühlten uns machtlos und haben versucht, unsere Sorgen mitzuteilen“, sagte Mia-Sophie Schacht, Schülerin der 12. Klasse. Doch man habe ihnen gar nicht richtig zugehört. „Die Politiker zeigten kein bisschen Empathie. Nur weil wir Schüler sind, heißt das nicht, dass wir keine Stimme haben. Wir haben Sorgen, die uns belasten“, so die 18-Jährige.
Schüler befürchten schlechtere Schulabschlüsse
Die Oberstufenschüler der Gemeinschaftsschule befürchten, dass sie und ihre Lehrkräfte regelmäßig zwischen den beiden Schulgebäuden pendeln müssten. Die Unterrichtsqualität würde leiden, da Lehrer schnell zwischen den Standorten wechseln müssten, um allen Klassen gerecht zu werden. Zeit für Klärungen und Rückfragen der Schüler bliebe nicht, schreibt die Klasse 12c auch in einem Brief an mehrere Medienvertreter.
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„Es gibt keine perfekte Lösung“, sagte Diana Anikina (18). Trotzdem habe sie Angst, dass sie nun einen schlechteren Abschluss hinlege. Das geht Yasemin Yildirim ähnlich: „Vor uns liegen die zwei wichtigsten Jahre.“ Und derzeit herrsche ein großes Durcheinander, manchmal gehe eine halbe Stunde verloren, um herauszufinden, in welchem Raum sie Unterricht hätten. Sie fürchtet, dass das Chaos noch größer werden würde, wenn die Gemeinschaftsschule auf zwei verschiedene Standorte aufgeteilt wird.
Schülerin Mia-Sophie Schacht hat kurz nach der Bekanntgabe der Umzugspläne eine Online-Petition gestartet. „Wir fordern die Stadt Norderstedt auf, die geplante Aufteilung der Willy-Brandt-Schule zu überdenken und nach alternativen Lösungen zu suchen, die im besten Interesse der Schüler und Lehrer sind“, steht dort geschrieben. Am Freitagmittag hatten bereits 835 Menschen die Petition unterschrieben.
Norderstedt: Willy-Brandt-Schule muss definitiv saniert werden
Norderstedts Sozialdezernentin Kathrin Rösel hatte die Entscheidung der Stadt Schulleiter Kai Vogel persönlich überbracht. „Ich glaube, es gibt keine gute Lösung. Aus unserer Sicht wäre die pädagogisch klügere Variante aber gewesen, eine ganze Schule zu verlegen, anstatt unsere auseinanderzureißen.“ Auch er sorgt sich um den Pendelweg. „Die Kolleginnen und Kollegen sind der Belastung nicht gewachsen. Bei dem steigenden Stress der Schülerschaft und Lehrkräfte habe ich Angst davor, dass jemand beim Pendeln zu Schaden kommt.“