Henstedt-Ulzburg. Sind Sarg und Urne bald out? Henstedt-Ulzburger Bestattungsinstitut stellt Beerdigungsalternative vor. So funktioniert eine Reerdigung.
Es duftet nach frisch gemähtem Heu im „Memorium“, dem Bestattungsinstitut von Richard Hovorka am Henstedt-Rhener Friedhof. Hinten im Raum steht ein großes, ovales Gefäß, in dem als oberste Schicht getrocknete Gräser und Blumen liegen. Darunter symbolisiert eine Holzfigur einen Menschen als Leichnam. Das Oval ist ein sogenanntes Alvarium, in dem wiederum der Kokon liegt, das Gefäß, um Verstorbene gemäß dem Bestattungsritual „Erde zu Erde“ vom weltlichen Zustand zu fruchtbarer Erde zu verwandeln. Dieser Prozess dauert zirka 40 Tage. Das Alvarium muss immer auf einem Friedhof oder in einer Kapelle stehen.
Bestatter Richard Hovorka stellte mit dem Unternehmen „Meine Erde“ einem Kreis von Kolleginnen und Kollegen, die täglich mit Bestattungen und somit mit dem Tod zu tun haben, das Prinzip der Reerdigung vor – der Transformation des Menschen zu Erde.
Henstedt-Ulzburg: Reerdigung ist eine jahrtausendealte Bestattungsform
Möglich wird diese wiederentdeckte, jahrtausendealte Bestattungsform durch eine Änderung des Bestattungsrechts in Schleswig-Holstein, die erste seit 1874. „Sie gibt den Verstorbenen, ihren Angehörigen, uns Bestattern und den Friedhöfen völlig neue Möglichkeiten der Abschiednahme“, sagte Hovorka.
Umgesetzt wird die Reerdigung vom Berliner Unternehmen „Meine Erde“, die Max Hüsch und Pablo Metz 2019 als Alternative zu herkömmlichen Bestattungsformen gründeten. Ihr Anliegen war es auch, Bestattungen möglichst ökologisch und ressourcensparend umzusetzen, denn Erd- und Feuerbestattungen gelten als nicht besonders klima- und umweltfreundlich. Holz, Lack und Beschläge der Särge vergehen nur langsam und sondern oft schädliche Substanzen ab. Das gelte auch für Grabbeigaben und Kleidung der Toten. Die Umwandlung des Körpers zu Erde dauert je nach Bodenbeschaffenheit des Friedhofs mehrere Jahrzehnte.
Viele Menschen haben Angst vor einer Feuerbestattung
Bei einer Kremierung entstehen klimaschädliche Emissionen, und je nach Material können durch die Urnen umweltschädigende Stoffe in die Böden und ins Grundwasser sickern. „Vor Jahrzehnten wählten die Menschen noch zu 80 Prozent Beerdigungen und zu 20 Prozent Feuerbestattungen, heute ist das umgekehrt“, sagte Hovorka. Dadurch werden die Friedhöfe immer leerer. Zudem würden viele Angehörige eine Urnen-Bestattung in einem Friedwald später bedauern, weil sie das Grab im Wald, vor allem im zunehmenden Alter, nur noch schwer erreichen könnten.
Schwerwiegender ist aber noch der Wille der Menschen, wie sie begraben werden wollen. Viele Menschen würden eine Feuerbestattung scheuen, weil sie Angst vor Feuer hätten. Auch die Erdbestattung sei vielen nicht geheuer, vor allem, weil die Vorstellung, von Würmern und anderem Erdgetier angenagt zu werden, gruselig sei.
In früheren Zeiten galt eine teurer Sarg als Statussymbol
„Die Menschen haben einfach immer mehr das Bedürfnis nach einer anderen, einer angenehmen Bestattungsform“, erfährt Hovorka oft. War in früheren Zeiten der Sarg noch ein Statussymbol, so sei heute der Wunsch nach einer umweltfreundlichen Bestattung groß, zumal Tuch-Beerdigungen, wie sie früher arme Familien nutzen mussten, auf den meisten Friedhöfen nicht mehr gestattet sind.
„Bei einer Reerdigung findet der Verwandlungsprozess im geschlossenen Kokon statt und ist nach 40 Tagen abgeschlossen“, sagte Johanna Burfeind von „Meine Erde“. Im toten Körper noch vorhandene Medikamente würden dabei zu großen Teilen abgebaut. „Wie ein Körper zur Erde werden kann, ist seit Jahrtausenden alt“, ergänzte die Vorsorge-Beraterin von „Meine Erde“. Alles, was der Mensch braucht, um zu vergehen, würde er durch seine Mikroorganismen selbst mitbringen.
Reerdigung: Körper werden mit Gräsern und Blumen bedeckt
„Der tote Körper wird im Kokon auf Heu, Stroh und Blumen gebettet, angefeuchtet und mit Luft versorgt, weil der Vergehungsprozess Wasser und Sauerstoff braucht“, erklärte Johanna Burfeind. Das Einbetten des toten Körpers, der in ein Tuch gewickelt ist, könnten die Angehörigen aktiv mitgestalten. Das Tuch würde langsam abgenommen, die dadurch nackt werdenden Körper aber gleichzeitig mit Gräsern und Blumen bedeckt, um dann in den Kokon im Alvarium gebettet zu werden.
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„Kleidung würde den Vergehungsprozess verzögern“, sagte Burfeind. Nach 40 Tagen im Kokon seien nur noch Knochen vorhanden. Sie würden „verfeinert“ werden. „Alles andere ist reine Erde geworden, Blumenerde“, erzählte Burfeind.
Reerdigung kostet etwa 2900 Euro plus Friedhofs- und Bestatter-Gebühren
Nach 40 Tagen könne eine Beisetzungsfeier in einer Erdgrabstätte folgen. „Es findet eine klassische Erdbestattung im Tuch statt, in dem aber nur die feine Erde vorhanden ist, und das vor der Grablegung entfernt wird“, sagte die Sprecherin von „Meine Erde“. Daher sei die Reerdigung auch eine Chance für die immer leerer werdenden Friedhöfe. „Die neue Erde enthält Nährstoffe und ist ein aktiver Bodenverbesserer. Das ist gut für die Umwelt und fördert die Biodiversität“, sagte Hovorka. Eine Reerdigung würde zirka 2900 Euro kosten. Dazu kämen noch die Friedhofs- und Bestatter-Gebühren.