Henstedt-Ulzburg. Keine Spur von Krise – Firma Contra-Sport versendet aus Henstedt-Ulzburg Tischtennisartikel in 110 Länder. Die Erfolgsgeschichte.
Es sind schwierige Zeiten: Die Zahl der Firmeninsolvenzen steigt, Hiobsbotschaften aus der Automobilbranche, der Stahlindustrie oder von der Deutschen Bahn sind an der Tagesordnung, das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik stagniert, so ziemlich alle ökonomischen Indikatoren zeigen nach unten. Doch trotz finsterer Zukunftsaussichten gibt es hierzulande auch noch Unternehmen, die ungeachtet aller Krisen sehr erfolgreich sind.
Eines von ihnen: die Contra-Sport Tischtennis Service Koschnick & Sohns GmbH, deren Zentrale sich im Gewerbegebiet Nord in Henstedt-Ulzburg befindet. Die Firma ist kerngesund, hat in den vergangenen vier Dekaden den Sprung vom kleinen Start-up-Betrieb zum Global Player geschafft, eine märchenhafte Erfolgsgeschichte geschrieben.
Tischtennismärchen beginnt im Jahr 1980 in Hamburg-Eimsbüttel
Rückblende ins Jahr 1980: Mehrere westliche Staaten boykottieren die Olympischen Sommerspiele in Moskau wegen des Einmarsches der UdSSR in Afghanistan, die Bundesliga-Fußballer von Eintracht Frankfurt gewinnen gegen Borussia Mönchengladbach den Uefa-Pokal, der Südtiroler Reinhold Messner bezwingt als erster Bergsteiger den Mount Everest im Alleingang und ohne Sauerstoffgerät.
SPD-Politiker Helmut Schmidt ist Bundeskanzler, in den Vereinigten Staaten wird Ronald Reagan zum 40. Präsidenten der USA gewählt. Und in Hamburg setzen im Spätsommer zwei kreative, tatendurstige und ehrgeizige Studenten ihre Geschäftsidee in die Tat um; sie gründen im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel in der Nähe des U-Bahnhofs Schlump die Firma Contra-Sport, ein Ladengeschäft, dessen Schmuckstück ein Tischtennistisch ist, an dem kaufwillige Kunden direkt vor Ort Schläger und Beläge testen können.
Zwei Studenten gründen Tischtennis-Firma mit 30.000 Mark Eigenkapital
Wolfgang Sohns deckt den kaufmännischen Bereich ab, ist der Mann für die Finanzen. Sein Kompagnon Frank Koschnick kümmert sich ums Marketing und den Einkauf, ist sehr geschickt im Verhandeln mit Lieferanten, bringt Struktur in den Betrieb. „Wir sind auf 65 Quadratmetern Fläche mit 30.000 Mark Eigenkapital gestartet“, erinnert sich Sohns schmunzelnd, „außerdem hat mein Vater für 20.000 Mark bei der Bank gebürgt. Daraufhin haben wir ein Firmengründungsdarlehen bekommen.“
Damals gibt es in der Hansestadt auch noch zwei andere Tischtennis-Läden: Peco und Schöler & Micke. Sie bündeln 1983 ihre Kräfte, verlieren mit dem Norderstedter Hanjo Zuch aber einen in der Szene ungemein beliebten Mitarbeiter. Dieser wechselt die Seiten und gibt dem Newcomer am Markt einen großen Push, was nicht ohne Folgen bleibt: 1987 wird Peco von Contra aufgekauft.
Ende der 1980er-Jahre steigt Contra ins Versandgeschäft ein
Wolfgang Sohns: „Danach hatten wir zwei Jahre lang eine kleine Sinneskrise, genau zu der Zeit, als es mit den Computern losging. Wir waren mit unseren beiden Shops am Schlump und am Wiesendamm der einzige Anbieter im Großraum Hamburg, aber das war relativ langweilig; vorher hatten wir ja immer Konkurrenz, es war immer Leben da. Daraufhin entbrannte eine Grundsatzdiskussion, ob wir nicht ins Versandgeschäft einsteigen sollen.“
Die beiden Contra-Macher kümmern sich nach reiflicher Überlegung intensiv um das neue Geschäftsfeld, vergrößern zudem ihr Portfolio, kaufen 1991 die Marke Gewo inklusive Ware für einen Schnäppchenpreis dazu. Ein weiteres wichtiges Kapitel in der Erfolgsgeschichte des Unternehmens, das mittlerweile seinen Sitz in Hamburg-Steilshoop hat: der Umzug nach Henstedt-Ulzburg. Wolfgang Sohns hat zufällig mitbekommen, dass es dort eine Zonenrandförderung gibt. Firmen, die sich in der Großgemeinde ansiedeln, kommen in den Genuss von erheblichen Sonderabschreibungen.
1994 baut die Firma Contra-Sport Lagerhalle und Büroraüme in Henstedt-Ulzburg
Die Verhandlungen, unter anderem mit dem damaligen Bürgermeister Volker Dornquast, hat Wolfgang Sohns als „sehr korrekt, sehr entgegenkommend, sehr unternehmerfreundlich“ in Erinnerung. Also wird 1994 gebaut, es entstehen eine 650 Quadratmeter große Lagerhalle und Büroräume auf 300 Quadratmetern Fläche. „Als wir uns damals das Gelände für unseren neuen Standort angeschaut haben“, so Sohns, „haben an der Heidekoppel noch Kühe gegrast.“
Die kommenden Jahre sind von konstant steigenden Umsätzen und Gewinnen geprägt, die immer noch recht kleine, aber florierende Tischtennisfirma intensiviert ihre Kontakte zu Händlern in aller Welt, knüpft ein engmaschiges Netzwerk.
Ein Traum für alle Tischtennisspieler: Erlebniswelt TT-World am Mühlendamm
2015 dann ein großer Cut: Frank Koschnick scheidet auf eigenen Wunsch aus, Contra-Sport stellt Florian Wehner als Verkaufsleiter von Gewo ein. „Danach“, erinnert sich Sohns, „sind die Zahlen bei uns explodiert.“ Damit nicht genug: 2017 werden die beiden noch existierenden Hamburger Shops am Wiesendamm und an der Wandsbeker Chaussee zwar geschlossen, im Gegenzug jedoch die 490 Quadratmeter Tischtennis-Erlebniswelt TT-World im Stadtteil Hohenfelde eröffnet.
In der großzügigen Trainings- und Sporthalle mit großem Shopping- und Montagebereich für Beläge können Kunden an sechs Tischen Material ausprobieren, Trainerstunden buchen oder sich einfach nur nach Herzenslust austoben. Ein Traum für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis.
Doch zurück in die Gegenwart: Mittlerweile ist aus dem einstigen Start-up Contra-Sport ein Global Player mit 45 Angestellten geworden. In Deutschland gehört der Firma ein Laden in München, außerdem wird eng mit Partnershops in Lübeck, Berlin, Hannover, Kiel und Bremen wie 50 weiteren Händlern im gesamten Bundesgebiet zusammengearbeitet.
Zum Sortiment des Tischtennis-Versenders, der 2019 mit Hallmark eine weitere Marke übernommen hat und die Landesverbände Hessen, Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein exklusiv ausrüstet, gehören 25.000 ständig verfügbare Artikel; geliefert wird in 110 Länder auf allen Kontinenten, mit Ausnahme der Antarktis versteht sich. Größter Auslandsmarkt in Europa ist Frankreich, auch Serbien ist sehr wichtig. Im Materiallager in Henstedt-Ulzburg stapeln sich Waren im Wert von 3 Millionen Euro, tagtäglich werden per DHL und DPD 300 bis 500 Pakete verschickt.
Ein ausgeklügeltes Marketing ist für ein Unternehmen dieser Größenordnung unverzichtbar. „Wir geben im Jahr einen sechstelligen Betrag für Werbung aus“, sagt Wolfgang Sohns, „das muss man aber auch, denn es bringt einen gewissen Rücklauf und ist gut für das Standing unserer Marken.“
Contra-Marke Gewo hat 120 Tischtennis-Cracks unter Vertrag
Um national und international noch bekannter zu werden, hat das Contra-Flaggschiff Gewo 120 leistungsstarke Tischtennis-Cracks aus dem In- und Ausland unter Vertrag, darunter hoffnungsvolle Talente, auch aus Hamburg und Schleswig-Holstein, sowie spielstarke Erwachsene. Der Star dieser exquisiten Gruppe ist fraglos Quadri Aruna. Der Nigerianer war 2022 Weltranglisten-Zehnter und verzückt bei Großveranstaltungen regelmäßig die Zuschauer. „Er spielt unglaublich spektakulär, die Fans lieben ihn“, sagt Sohns, „wenn Quadri am Tisch steht und das Publikum emotional mitnimmt, ist die Hölle los.“
Genauso begeisternd verliefen die Auftritte von Félix und Alexis Lebrun bei den Olympischen Sommerspielen in Paris. Das französische Brüderpaar hat im Nachbarland einen Tischtennis-Hype ausgelöst, die dortigen Vereine haben einen Aufnahmestopp verhängt. Theoretisch hätten Contra beziehungsweise Gewo die beiden Weltstars verpflichten können; doch das war Wolfgang Sohns dann doch zu teuer...
Tischtennismärchen: Geschäftsführer sieht vor allem im Hobbybereich viel Potenzial
Bliebe noch die Frage zu klären: Wohin führt der Weg seines Unternehmens, was sind die künftigen Ziele? Der Geschäftsführer sieht vor allem im Hobbybereich, also beim Verkauf von wetterfesten Tischtennis-Tischen und für Freiluft-Aktivitäten geeigneten Schlägen, noch viel Potenzial.
Mehr aus der Region
- Segeberg: Tragödie bei Abschiebung – junge Afghanin kollabiert und wird abgeführt
- Vom Tisch: Stadt Norderstedt darf nicht in privaten Gärten schnüffeln
- Neue Betrugsmasche im Norden – Polizei warnt vor „Quishing“
„Schon 2020 wollten wir unser Engagement in diesem Segment steigern, waren aber ein Jahr zu spät dran – damals hat uns die Coronapandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagt der Firmen-Motor und unermüdliche Antreiber Sohns. Für ihn bedeutet Stillstand Rückschritt. Deshalb seine klare Ansage und Vorgabe, ungeachtet der stagnierenden deutschen Wirtschaft: „Wir sind gut aufgestellt, wollen weiter wachsen. Und zwar zweistellig.“