Kaltenkirchen. Eltern verlassen das staatliche Schulsystem. Leiter der privaten Leibnizschulen Kaltenkirchen und Elmshorn verrät, warum die Schülerzahlen steigen.
- Leibniz-Privatschule in Kaltenkirchen: Schülerzahlen in sieben Jahren mehr als verdoppelt.
- Viele Eltern wollen mehr Verlässlichkeit – und bewusst weg vom staatlichen Schulsystem.
- Das kostet Hunderte Euro – und die Kinder müssen ihre Handys abgeben.
Die Tendenz ist unverkennbar: Immer mehr Eltern schicken ihre Kinder auf die größte Privatschule im Kreis Segeberg. Die Leibniz-Schule in Kaltenkirchen kommt zusammen mit dem Standort am Stammsitz in Elmshorn mittlerweile auf fast 2000 Schülerinnen und Schüler, das ist nahezu doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. 825 sind es ab der ersten Klasse mit Beginn des neuen Schuljahres in Kaltenkirchen, wo die Einrichtung nach dem Umzug aus Hitzhusen 2017 eröffnet wurde, 1120 in der Krückaustadt, wo alles 2006 den Anfang nahm.
Egon Boesten leitet die Schule in Kaltenkirchen, ist zudem einer der Geschäftsführer. Der gebürtige Niederländer ist ein streitbarer Geist. Und so antwortet er deutlich auf die Frage, warum sich Familien gegen das staatliche Bildungssystem entscheiden. „Es ist tatsächlich so, dass viele Eltern ihre Kinder hierherschicken, weil in den staatlichen Schulen einiges nicht läuft“. Er spricht zwei Dinge an, die er hört: „Unterrichtsausfall“ und „zu hoher Ausländeranteil“. Was damit aber eigentlich gemeint ist: Große Unterschiede bei den Sprachfähigkeiten sorgen für ein schlechtes Lernumfeld.
Boom der Leibniz-Privatschule: Warum Eltern das staatliche Schulsystem verlassen
International ist die Privatschule auch, es gibt in der Schülerschaft rund 50 Nationalitäten, im Kollegium etwa 25. Es gehe darum, dass die meisten Kinder gute deutsche Sprachkenntnisse haben, so Boesten. „Und wo das nicht der Fall ist, erhalten sie bei uns Deutschunterricht in Kleingruppen oder sogar im Einzelunterricht, wie auch die ausländischen Lehrkräfte. Und das kostenlos.“
Und die Schule verspricht noch mehr. Boesten nennt die „Verlässlichkeit“, für die man stehe. „Es fällt nichts aus. Also, dass die Kinder hier von acht bis 16 Uhr sind. In der Grundschule wird geschätzt, dass die Kinder auf Englisch unterrichtet werden. Das ist ein zusätzliches Geschenk. Und wenn sie in Klasse vier eine England-Klassenfahrt machen, bei Gasteltern leben und mit denen kommunizieren, das macht Kinder selbstbewusst.“
Was ebenso zum Modell gehört: Die Hausaufgaben sollten während der Nachmittagsbetreuung erledigt werden. „Das sehen wir als wichtigen Aspekt. Und für die Eltern ist es eine Erleichterung, wenn die Kinder nach Hause kommen und dann Feierabend ist.“
Übergang Grundschule zur weiterführenden Schule „80 bis 95 Prozent“
Viele Mütter und Väter würden ihre Kinder am liebsten schon im Leibniz-Kindergarten anmelden. Doch pro Jahr gibt es nur 20 Plätze, allein in Kaltenkirchen stehen 150 Namen auf der Warteliste („in Elmshorn ist es noch dramatischer“). „Die Quote, die dann in die Grundschule bei uns gehen, ist hoch, fast bei 100 Prozent. Von dort zur weiterführenden Schule ist es zwischen 80 und 95 Prozent. Das macht uns sicher, dass wir die Klassen voll bekommen, wir gehen zum Teil vierzügig in die Sekundarstufe.“
Das war früher anders. „In schlechten Zeiten in Hitzhusen haben wir gebetet, dass 15 Schüler für eine Klasse zusammenkommen.“ Ein Abitur ist nach neun Jahren möglich, die Jahrgänge sind aber deutlich kleiner als in anderen Gymnasien. „Zuletzt elf Schüler. Viele haben sich mit Fachabitur zufriedengegeben. Aber wir sind jetzt wieder bei zwei Klassen im Abiturbereich.“
Das Einzugsgebiet bleibt der südliche und westliche Kreis. „Die Schnittstelle ist Quickborn und Barmstedt. Unser Einzugsgebiet ist Kaltenkirchen, Kisdorf, Henstedt-Ulzburg, die Umgebung bis Bad Bramstedt, auch Norderstedt. Sogar im Grundschulbereich.“
Dresscode, Kodex, Verhaltensregeln und Handy-Verbot
Ein Alleinstellungsmerkmal, das in Kaltenkirchen angestrebt wird, ist die Disziplin. Je nach Anlass gelten Dresscodes mit Krawatten oder Blusen, es gibt einen Kodex, und auf dem Schulhof hängen 14 Verhaltensregeln der niederländischen Fußball-Legende Johan Cruyff.
Boesten: „Ich bin bei vielen Eltern wohl auch verschrien als der bärbeißige Gegner von Smartwatch und Smartphone. Aber wir haben es vor einem Jahr durchgesetzt, dass wir die Handys vor dem Unterrichtsbeginn einsammeln und am Ende wieder zurückgeben. Wir halten das für wichtig, denn man kann sich nicht konzentrieren. Wir warnen auch vor WhatsApp-Gruppen von Eltern oder Kindern.“
Mehrere Hundert Euro im Monat: Was Eltern zahlen müssen
Günstig ist der Schulbesuch nicht. Die monatliche Gebühr beträgt zwischen 160 und 190 Euro, die optionale Nachmittagsbetreuung noch einmal extra 130 bis 165 Euro, die einmalige Aufnahme kostet 150 Euro, dazu kommen Materialkosten (150 bis 200 Euro pro Jahr). Allerdings gibt es ab dem zweiten Kind einen Geschwisterrabatt.
„Natürlich spielt die finanzielle Frage eine Rolle. Aber ich sage: Unsere Beträge sind überschaubar. In manchen Kindergärten zahlen Sie mehr. Und es ist den Eltern wert. Wir haben auch Familien mit drei, vier, fünf, sechs Kindern.“ Egon Boesten sieht es nicht so, dass die Leibniz-Privatschule nur für Gutbetuchte sei.
„Meistens sind die Eltern beide berufstätig. Dann funktioniert das.“
„Es ist durchaus ein gemischtes Publikum.“ Nicht nur Akademiker, sondern auch Handwerksmeister. „Darunter sind viele Ausländer, vor allem aus der Türkei, aber auch aus ehemaligen Sowjetrepubliken. Meistens sind die Eltern beide berufstätig. Dann funktioniert das.“
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Er glaubt nicht, dass sich der Trend umkehren wird. „Gründet Privatschulen“, nennt Boesten als Leitspruch. „Dieses staatliche Schulsystem scheint unreformierbar. Von daher gibt es nur die Möglichkeit, Alternativen aufzubauen. Meinetwegen Regenbogen, meinetwegen Montessori, Waldorf, wie sie alle heißen. Es zeigt sich, was ankommt. Ein bisschen Konkurrenz ist vernünftig.“
Leiter der Leibniz-Privatschule in Kaltenkirchen: „Mehr Schweden wagen“
Allerdings unternehme der Staat „nicht viel, um Privatschul-Initiativen zu fördern“. Er berichtet von einer Gemeinde aus dem Kreis Segeberg, die sich bei Boesten gemeldet hatte bezüglich eines Betriebs der örtlichen Grundschule. „Die müssten zwei Jahre ohne Förderung auskommen.“ Sein Traum sei: „Mehr Schweden wagen. Dort hat man in den 1990er-Jahren gesagt, dass alle Schulen voll finanziert werden, inklusive der Privatschulen. Auch wir bekommen staatliche Unterstützung, das beläuft sich ungefähr auf zwei Drittel der Kosten. In Schleswig-Holstein bekommen nur die dänischen Schulen 100 Prozent.“
Ein Problem zeichnet sich allerdings schon heute für Kaltenkirchen ab. „Wir wachsen, haben aber nicht mehr viele Möglichkeiten.“ In der Oberstufe wäre es noch machbar, alle Jahrgänge zweizügig zu haben, doch darüber hinaus steht die Frage nach einer Erweiterung im Raum. Spruchreif ist bisher nichts, wobei Container-Lösungen nicht vorgesehen sind.