Henstedt-Ulzburg. Maria Marrocu hat sich einen Startplatz beim legendärsten Triathlon der Welt erkämpft. Warum sie am Ende „nur geweint“ hat.
- Maria Marrocu aus Henstedt-Ulzburg hat sich für Ironman auf Hawaii qualifiziert.
- Teilnahme an Triathlon-Weltmeisterschaft kostet 1600 Dollar.
- 2025 starten nur Frauen beim Hawaii-Ironman.
Tränen laufen Maria Marrocu über die Wangen. Sie kann gar nicht aufhören, zu weinen. Die 35-Jährige blickt nach oben gegen das Hallendach der Unibet Arena im estnischen Tallinn, atmet tief ein, und weint einfach weiter. Sie ist dabei. Sie hat es wirklich geschafft. Nach all dem harten Training geht ihr größter Traum in Erfüllung: Die Henstedt-Ulzburgerin hat sich für den legendären Ironman auf Hawaii, der Triathlon-Weltmeisterschaft 2025 über die Langdistanz, qualifiziert.
Für die meisten Ausdauersportler gibt es weltweit keine größere Herausforderung, kein sehnlicheres Ziel. 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und anschließend ein Marathon von 42,195 Kilometern in der Hitze von Hawaii – um dieses Pensum durchzuhalten, ist eine jahrelange Vorbereitung notwendig. Menschen auf der ganzen Welt versuchen, sich für diesen Wettbewerb zu qualifizieren. Marrocu ist es gelungen.
Als Maria Marrocu einen Tag zuvor beim Qualifikations-Ironman in Tallinn nach 11 Stunden und 39 Minuten im Ziel ankommt, ist sie enttäuscht. „Ich wusste, dass ich es besser kann. Ich wollte unter 11 Stunden bleiben“, sagt sie. Doch kurz vor dem Abflug ist sie krank geworden, lag mit Fieber schwitzend und frierend zugleich im Bett. „Ich habe nur geheult, weil ich nicht wusste, ob ich starten kann. Ich hatte mich so lange vorbereitet“, sagt sie. Aber Marrocu fliegt trotzdem nach Estland. Ihre Freundin Bianca Weech begleitet sie, wie überall hin. Nach ein paar Tagen, in denen sie mit Teebeuteln inhalierte, um auf keinen Fall gegen Dopingrichtlinien zu verstoßen, fühlt sich die Amateursportlerin immerhin so fit, um an dem Wettbewerb teilnehmen zu können.
Ironman Hawaii 2025: Henstedt-Ulzburgerin hat sich qualifiziert
Maria Marrocu wird Achte in der Altersklasse der 35- bis 39-Jährigen. Das reicht nicht, denkt sie. In Tallinn werden nur sechs Plätze für Hawaii vergeben. „Ich wusste, dass zwei Frauen verzichten müssten. Aber es träumen so viele von Hawaii, ich habe nicht daran geglaubt. Ich war richtig niedergeschlagen“, sagt sie. Einen Tag nach dem Wettkampf geht sie trotzdem zur Sieger-Zeremonie in die Unibet Arena. Jede Sportlerin, die das Ticket für die Ironman-Weltmeisterschaft gelöst hat, wird namentlich aufgerufen. Dreimal. Wer sich beim dritten Mal nicht meldet, verzichtet auf seinen Startplatz. Damit ist die Chance unwiderruflich vertan.
Als die Zweitplatzierte still bleibt, wächst in Marrocu wieder Hoffnung. Angespannt rutscht sie auf ihrem Plastiksitz hin und her. Als auch die Viertplatzierte sich nicht bemerkbar macht, als zum dritten Mal ihr Name ertönt, weiß Marrocu: Sie darf nach Hawaii fliegen. „Ab dann habe ich einfach nur noch geweint vor Glück“, erinnert sie sich. Sie ist wie im Tunnel. Als ihr Name endlich aufgerufen wird, reißt sie gleich beim ersten Mal den Arm in die Luft und schreit „Ja!“. Natürlich will sie nach Hawaii.
Für die Teilnahme müssen sofort 1600 Dollar überwiesen werden
Mit schweren Beinen läuft sie auf die Bühne. Der anstrengende Wettkampf, der sie wieder einmal an ihre Grenzen gebracht hat, steckt ihr in den Knochen. Trotzdem ist es wohl einer der schönsten Gänge ihres Lebens. Auf dem Podium erhält sie eine Münze, die symbolisch für die Startberechtigung auf Hawaii steht. Dann holt sie ihre Kreditkarte aus ihrer Bauchtasche und trägt auf einem Laptop ihre Kontodaten ein. Sie muss sofort 1600 Dollar überweisen, um nächstes Jahr dabei sein zu dürfen.
„Das ist ein mega geniales Gefühl“, sagt Maria Marrocu und strahlt. Ende August hat sich die ambitionierte Hobby-Triathletin für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Nachdem sie in Tallinn bereits angeschlagen war, ist sie zu Hause in Henstedt-Ulzburg richtig krank geworden. Mehr als zwei Wochen nun schon trainiert sie nicht. „Es ist für mich sehr schwer, auf dem Sofa sitzen zu bleiben“, sagt sie.
Normalerweise macht sie fast jeden Tag Sport, am Wochenende meistens zweimal täglich. Marrocu arbeitet als Key-Account-Managerin bei Philips. In Vollzeit. Vor oder nach dem Job läuft sie, schwimmt und fährt Fahrrad. In einer normalen Woche kommt sie auf bis zu 20 Trainingsstunden. Im Trainingslager können es an die 30 Stunden werden. „Ohne das Verständnis meiner Familie und Freunde würde das niemals funktionieren“, sagt sie. „Vielen Dank, dass ihr mir geholfen habt, meinen Traum zu erfüllen.“
Vor sechs Jahren hat Marrocu mit dem Fußball aufgehört
Vor sechs Jahren hat Marrocu aufgehört, beim SV Henstedt-Ulzburg Fußball zu spielen und sich auf den Triathlon konzentriert. Seitdem hat sie 23 Wettkämpfe über verschiedene Distanzen absolviert. Sie hat sich nicht nur für den Ironman auf Hawaii am 11. Oktober 2025 qualifiziert, sondern auch für die Ironman-Weltmeisterschaft 70.3 über die halbe Distanz in Neuseeland. Gemeinsam mit ihrer Freundin Bianca und Freunden reist sie im Dezember für vier Wochen ans andere Ende der Welt.
Doch was treibt einen Menschen an, so nah an seine körperlichen Grenzen zu gehen und sie immer wieder zu verschieben? „Ich liebe es, Sport zu machen, mich auszupowern. Ich brauche das als Ausgleich“, sagt Marrocu. Natürlich habe auch sie Trainingseinheiten dazwischen, auf die sie „gar keinen Bock“ habe. „Aber ich bin so ehrgeizig, dass ich das niemals als Ausrede gelten lassen würde. Spätestens nach 30 Minuten auf dem Sofa wäre ich so sauer auf mich, dass es einfach nicht vorkommt, dass ich schwänze. Ich habe Spaß, mich zu quälen“, sagt sie und grinst. Sie könne sehr schlecht verlieren, gesteht sie. Egal, ob es um Brettspiele wie „Mensch ärgere dich nicht“ oder Sport geht. „Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, bringt mich sehr wenig davon ab.“
Ironman: Nur Frauen starten 2025 auf Hawaii
In Tallinn hat sie nicht nur ihre Erkältung überwunden, sondern auch Quallen in der Ostsee beim Schwimmen, einen Wespenstich während des Radfahrens und kribbelnde und krampfende Hände während des Marathons. Es gab nur einen winzig-kurzen Moment, in dem Marrocu ans Aufgeben dachte. „Das Schwimmen wurde wegen Blaualgen von einem See in die Ostsee verlegt. Es war sehr windig mit ordentlich Wellengang. Ich habe die Bojen nicht gesehen und wusste nicht wohin. Ganz kurz habe ich überlegt, mir Hilfe zu holen.“ Dann wäre der Ironman schon nach der ersten Disziplin für sie beendet gewesen. Aber sie hat weitergemacht. Natürlich.
Lesen Sie auch
Seit 2023 findet der Frauen- beziehungsweise der Männer-Wettbewerb der Ironman-Weltmeisterschaft im Wechsel entweder auf Hawaii oder im französischen Nizza statt. Den Weltrekord der Frauen hat die Deutsche Anne Haug aufgestellt. Sie hat in diesem Jahr den Ironman bei der Challenge Roth innerhalb von 8 Stunden und 2 Minuten absolviert. Die Bestzeit der Männer liegt bei knapp 7 Stunden und 21 Minuten, der Norweger Kristian Blummenfelt hat die Rekordmarke im Jahr 2021 gesetzt.
Nächstes Jahr werden schätzungsweise 2000 Triathletinnen aus aller Welt auf der Pazifikinsel bei brütend heißen Temperaturen starten. Sowohl Profiathletinnen als auch überwiegend ambitionierte Amateure sind auf Hawaii dabei. Eine davon ist Maria Marrocu. „Ich bekomme jetzt schon Gänsehaut, wenn ich daran denke, dass ich dort mit anderen Athleten für Deutschland antreten darf.“