Norderstedt. Fahrer wird wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt. Richter spricht von „tragischem Ereignis“.
Richter Jan Willem Buchert fasst es am Ende der Verhandlung mit einem Satz treffend zusammen: „Es sind Sekunden, die über Menschenleben entscheiden.“ Nur wenige Sekunden war der Angeklagte Christian F. nicht aufmerksam genug. Wenige Sekunden, in denen er die Spiegel seines Lkws, in dem er saß, nicht ausreichend checkte. Er fuhr eine 80 Jahre alte Frau an, die plötzlich die Straße überquerte. Unmittelbar nach dem Aufprall reagierte er, stoppte das tonnenschwere Fahrzeug sofort. Doch die Vollbremsung kam eine Sekunde zu spät. Die Frau erlag einige Tage später ihren schweren Verletzungen.
Es war der 4. Juli 2023. Christian F. befuhr mit seinem Lkw den Falkenkamp in Richtung Bussardweg in Norderstedt. Um zu wenden, stoppte der 52-Jährige und setzte das große Fahrzeug zurück in den Habichtweg. Dort sah er im Rückspiegel, wie eine Frau die Fahrbahn betrat, wenig später aber auf den Gehweg wechselte. F. legte wieder den Vorwärtsgang ein, ließ noch einen Radfahrer vor sich passieren, dann fuhr er los. Und erwischte plötzlich die Frau, die eben noch hinter ihm ging, nun aber die Straße vor ihm queren wollte.
Tragischer Unfall in Norderstedt: Lkw kollidiert mit Seniorin
Die 80-Jährige starb drei Tage nach dem Unfall an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas. Mehr als ein Jahr später muss sich der Lkw-Fahrer, der einen eigenen Betrieb leitet, am Montagmorgen vor dem Amtsgericht in Norderstedt wegen der fahrlässigen Tötung verantworten. Seine Hände liegen gefaltet auf dem Anklagetisch, seine Augen sehen müde aus. „Ich habe gefühlte zehn Minuten neben der Dame gekniet, ihr eine Decke unter den Kopf gelegt. Das geht nicht spurlos an einem vorbei“, erinnert sich F., als Richter Buchert um seine Aussage bittet.
Seine Verteidigerin betont, dass es sich um einen schrecklichen „Augenblick des Versagens“ handelte. „Während des Rückwärtsfahrens hat er die Frau gesehen, sie war auf dem Fußweg und spielte keine Rolle mehr für ihn“, berichtet sie. Ihr Mandant habe kurz angehalten, dem Fahrradfahrer Vorfahrt gewährt. Dann sei er losgefahren. Einen integrierten Abbiegeassistenten im Lkw habe er nicht. „Er war sich sicher, dass da niemand ist.“
Familie der Verstorbenen möchte keinen Kontakt
Es kam zur Kollision. Sofort eilte F. aus seiner Fahrerkabine. Ebenso kehrte der Radfahrer um und rief einen Krankenwagen sowie die Polizei. „Ich möchte das in keiner Weise schönreden“, sagt die Verteidigerin. „Aber die Frau war auch nicht bei der Sache. Sie hat die Straße betreten, obwohl ein großer Lkw wendete.“ Ihr Mandant habe sich bereits vor Ort „Tausend Mal bei ihr entschuldigt“. Als seine Rechtsanwältin habe sie versucht, Angehörige der Verstorbenen ausfindig zu machen, damit F. bei ihnen persönlich um Verzeihung bitten könne. Doch als dies gelungen sei, sei der Kontakt seitens der Familie aus Serbien nicht erwünscht gewesen.
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Auch ein Sachverständiger ist in Saal F des Amtsgerichtes anwesend. Er soll die entscheidende Frage beantworten: Hätte Christian F. die Fußgängerin sehen können und müssen? Oder trifft ihn keinerlei Schuld? Richter Buchert spielt zudem mehrmals ein 53-sekündiges Video ab, das den Unfallhergang zeigt. Es wurde zufällig von einer Überwachungskamera eines Privatgrundstücks aufgenommen.
Der Gutachter kommt zu dem Entschluss, dass die Sicht durch die Spiegel am Lkw zwar eingeschränkt gewesen sei, aber der Fahrer den Aufprall dennoch hätte vermeiden können. „Ich bezweifle, dass man hätte erkennen können, dass es sich um eine Person handelte, aber eine Bewegung hätte man wahrnehmen können“, sagt er.
Amtsgericht Norderstedt: Angeklagter muss 3600 Euro zahlen
Die Staatsanwaltschaft sieht den Angeklagten als schuldig an, betont aber auch, dass er nicht leichtfertig gehandelt habe. Deswegen schlägt sie vor, eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen in Höhe von 40 Euro zu verhängen. Dieser Empfehlung kommt Richter Buchert nach. „Es ist eine unglückliche Situation gewesen, ein tragisches Ereignis. Niemand wollte das und dennoch sind Sie dafür verantwortlich“, sagt er.
Insgesamt 3600 Euro muss F. zahlen. „Das ist kein Preis für ein Menschenleben, sondern die Sanktionierung“, betont der Richter. Der Verurteilte nimmt die Entscheidung des Gerichtes an. „Ich kann nicht mehr sagen, als dass es mir unendlich leid tut. Wenn ich könnte, würde ich das Geschehene jederzeit rückgängig machen“, sagt F.