Rellingen/Henstedt-Ulzburg. Online-Handel mit Hundebabys ist ein Milliardengeschäft. Rellinger Tierschützer retten kranke Welpen – und bekommen prominente Hilfe.
Das Fell kotverklebt, schleimiger Augenausfluss, Sägespäne unter den Pfoten: Dieses Bild bot sich Rellinger Tierschützern bei einem ihrer vielen Einsätze gegen illegalen Welpenhandel. Monatelang hatten sie zu der Frau recherchiert, sich als Kaufinteressierte ausgegeben und einen Termin in der Hamburger Wohnung der Verkäuferin vereinbart. Sie trafen auf 17 Hunde, zwölf davon Welpen. Die Besitzerin habe gesagt, sie fahre regelmäßig nach Serbien zu ihren Verwandten und bringe von dort die erwachsenen Toy-Pudel mit.
„Unser Verdacht: Auch die Toy-Pudel-Welpen holt sie von dort, um die aktuell immense Nachfrage nach dieser Rasse in Deutschland bedienen zu können. Sie verlangt 2500 Euro pro Welpe“, sagt Sina Hanke, Vorsitzende des Rellinger Tierschutzvereins Animal Care. Drei Tage habe es gedauert, bis zwei Polizistinnen und zwei Amtstierärztinnen gekommen seien, so lange hätten die „Fake-Käufer“ die Verkäuferin hingehalten. Von allen Hunden seien nur die zwei kleinsten Welpen behördlich sichergestellt und ins Tierheim Süderstraße gebracht worden.
„Soko Welpenhandel“ enttarnt regelmäßig kriminelle Verkäuferer
„In Hamburg unternehmen die Behörden nichts gegen illegalen Welpenhandel. Dulden diesen regelrecht“, kritisiert Hanke und nennt das Beispiel der „bekannten Welpenhändlerin“, die sie wieder erwischt hätten. Sie sei mehrfach durch ihre Hundezucht und Verkäufe sowie durch tierschutzwidriges Verhalten aufgefallen, habe die Tiere aber von den Behörden immer wieder zurückerhalten, wenn auch unter Auflagen. Den jüngsten Vorfall hätten die Tierschützer samt Vorgeschichte bei der Polizei und dem Veterinäramt am 28. Juli zur Anzeige gebracht – und bis heute keine Antwort. „In anderen Bundesländern wird damit ganz anders umgegangen“, sagt die Vorsitzende von Animal Care.
In Hamburg komme meist weder ein Amtstierarzt, wenn ihn die Tierschützer hinzurufen, noch die Polizei. „Unsere Kollegen in Berlin beispielsweise wählen einmal den Notruf, melden den Verdacht auf illegalen Welpenhandel, und sofort kommt mindestens ein, teilweise sogar mehrere Streifenwagen mit Blaulicht“, sagt die Vorsitzende von Animal Care.
Mehr als 130 Fälle dem Hamburger Welpenhändler-Clan zugeordnet
In Hamburg gingen die Amtstierärzte dem Verdacht auf Welpenhandel oft gar nicht erst nach. „Wenn wir Indizien für unseriöse Verkäufe von Welpen melden, dann erhalten wir immer mündlich die Aussage, man sehe keinen Grund, sich die Haltung und die Tiere vor Ort anzusehen, und es bestehe aus Sicht der Behörde kein hinreichender Anfangsverdacht“, kritisiert Hanke. Die Tierschützer wollen „diese Zustände“ nicht mehr hinnehmen und haben vor einigen Wochen den Kontakt zur Politik in Hamburg gesucht, denn: „Es sind die Tierheime und Tierschutzorganisationen, die das Tierleid ausbaden müssen.“
Dennoch war die Arbeitsgruppe „Soko Welpenhandel“ des Vereins in den vergangenen Wochen wieder in diversen Einsätzen unterwegs. Dafür recherchieren die Tierschützer oft monatelang im Voraus, um dann gezielt zugreifen zu können. „Wir haben allein von 2020 bis 2022 mehr als 130 Fälle dem Hamburger Welpenhändler-Clan zugeordnet“, sagt Sina Hanke, die in einem überregional interessanten Prozess als Zeugin aussagte – im Amtsgericht Reinbek musste sich eine 28 Jahre alte Angeklagte wegen Tierquälerei, Betrug und illegalem Welpenhandel verantworten.
Beim Welpenverkauf geht es ausschließlich um möglichst hohen Gewinn
Dieses kriminelle Netzwerk biete die Welpen, die in Osteuropa und inzwischen auch hier in Norddeutschland für den lukrativen Verkauf gezüchtet und oft unter krank machenden Bedingungen gehalten werden, in Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen an. „Die Händler sind hochkriminell und schrecken auch vor Gewalt nicht zurück“, sagt die Tierschützerin.
Es handele sich um clanähnliche, mafiöse Strukturen und ein Milliardengeschäft. Nach dem Drogen- und Waffenhandel sei der illegale Welpenhandel das einträglichste Geschäft. Beim Welpenverkauf gehe es den Anbietern ausschließlich um möglichst hohen Gewinn. So sei ein Toy-Pudel-Welpe für knapp 2000 Euro auf dem Online-Portal Quoka inseriert worden. Preise für illegal geschmuggelte, kranke, mit gefälschten Papieren zum Verkauf angebotene Welpen lägen mittlerweile bei 2500 bis 3000 Euro.
Deutschlands bekanntester Hundetrainer Martin Rütter hilft bei der Aufklärung
Inzwischen hat die „Soko Welpenhandel“ von Animal Care einen prominenten Unterstützer gewonnen: Deutschlands bekanntester Hundetrainer Martin Rütter hilft bei der Aufklärung über illegalen Welpenhandel, denn: „Die Welpen wirken auf den Fotos im Internet so niedlich, man will sie einfach haben. Vor Ort ist oft kaum zu erkennen, wie krank die Tiere wirklich sind“, sagt Hanke. Daher sei es enorm wichtig, vorzubeugen.
Im März war Martin Rütter mit seiner Tour „Der will nur spielen“ in der ÖVB Arena in Bremen. Animal Care präsentierte sich mit einem Stand und informierte über den illegalen Welpenhandel. Rütter selbst habe in seiner Show über das Leid und Elend der Hundekinder und -mütter aufgeklärt und an die Besucher und Besucherinnen appelliert, keine Welpen im Internet zu kaufen
„Soko Welpenhandel“ enttarnt regelmäßig kriminelle Verkäufer
Dazu rät auch Philine Bestehorn, stellvertretende Leiterin des Tierheims Henstedt-Ulzburg. „Wer einen Welpen über das Internet kaufen will, sollte grundsätzlich misstrauisch sein, sich das Zuhause des Tieres mehrfach ansehen, Fragen stellen und sich nicht zeitlich unter Druck setzen lassen.“ Das Tierheim habe vor einigen Jahren auch mehrfach Welpen aus illegalem Handel aufnehmen müssen, momentan aber nicht.
Dennoch geht sie davon aus, dass die gesetzeswidrige Zucht und der Verkauf im Kreis Segeberg weiter florieren. Das Tierheim-Team bekomme immer wieder die langfristigen Folgen zu spüren: Wer im Internet kauft, wisse nicht, was er oder sie da bekomme. Wenn der Hund nicht so funktioniere, wie sich Herrchen und Frauchen das vorstellen, der Online-Kauf sich als Fehler entpuppe, wollten sie ihr Tier wieder loswerden und klopften beim Tierheim an. Doch die Einrichtung sei überfüllt, 60 Tiere stünden auf der Warteliste.
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Manchmal retten die Rellinger Tierschützer nicht nur kranke Welpen, sondern auch Hundemütter und -väter. Charlie beispielsweise diente als Zuchtmaschine, produzierte Nachwuchs für den illegalen Welpenhandel und war krank. Die Rellinger Tierschützer befreiten den kleinen Kerl. Sie waren eigentlich gekommen, um tierschutzwidrigen Handel aufzudecken und die Halterin zur Verantwortung zu ziehen. Inzwischen hat Charlie ein liebevolles Zuhause gefunden.