Henstedt-Ulzburg. Ministerpräsident Daniel Günther besucht Unternehmen Mobildeich. Viele Städte setzen auf deren innovative Hilfe gegen Überflutung.

Viele Menschen in Schleswig-Holstein werden nicht vergessen, was Ende Oktober 2023 passierte. Eine verheerende Naturkatastrophe suchte die Ostseeküste heim, das Meer sorgte für eine Jahrhundertflut, die Schäden waren immens. Unter diesen Eindrücken ist derzeit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) unterwegs, seine Sommertour befasst sich mit Hochwasserfolgen, Klimawandel und Schutzmaßnahmen. Sein erster Stopp mag auf den ersten Blick überraschen: Henstedt-Ulzburg. Ausgenommen vielleicht bei gelegentlichem Starkregen, gibt es hier keine Überschwemmungen. Doch Mobildeich, ein Unternehmen aus dem Ort, hat sich mit einem innovativen Konzept bundesweit einen Namen gemacht – und erhielt nun einen Großauftrag aus Kiel.

Vor Ort ließ sich Günther das Verfahren zeigen und packte sogar, zusammen mit dem Landtagsabgeordneten Ole-Christopher Plambeck, selbst an, als es darum ging, den Mobildeich aufzubauen.
Vor Ort ließ sich Günther das Verfahren zeigen und packte sogar, zusammen mit dem Landtagsabgeordneten Ole-Christopher Plambeck, selbst an, als es darum ging, den Mobildeich aufzubauen. © Christopher Mey | Christopher Mey

Es geht darum, eine Alternative zu bieten gegenüber Sandsackwällen. Vor über 20 Jahren begann der Diplom-Ingenieur Walter Wagenhuber auf dem Firmengelände an der Schleswig-Holstein-Straße, wo sich einst ein Transportbetonwerk befand, eine Methodik zu entwickeln. Die Idee: „Das Hochwasser hilft dabei, das Hochwasser zu bekämpfen.“

Hochwasserschutz in Schleswig-Holstein: Großauftrag für Firma aus Henstedt-Ulzburg

Wie das funktioniert, erlebt der Regierungschef nicht nur live, sondern er darf auch gleich mit anpacken. Zusammen mit Wagenhuber und dem Henstedt-Ulzburger Landtagsabgeordneten Ole-Christopher Plambeck (CDU) rollt er in wenigen Minuten ein 33 Meter langes und einen Meter hohes Schlauch-Modul im Halbkreis vor einer Betonwand aus. Dieses wird dann mit 50 Kubikmeter Wasser befüllt, sodass eine künstliche Barriere um ein Becken entsteht.

In einer Simulation wird ein Becken mit Wasser gefüllt, dann eine Tonne Gewicht hinein fallen gelassen. Der Schutz hält.
In einer Simulation wird ein Becken mit Wasser gefüllt, dann eine Tonne Gewicht hinein fallen gelassen. Der Schutz hält. © Christopher Mey | Christopher Mey
Geschäftsführer Walter Wagenhuber erklärt dem Regierungschef den Aufbau des Mobildeichs.
Geschäftsführer Walter Wagenhuber erklärt dem Regierungschef den Aufbau des Mobildeichs. © Christopher Mey | Christopher Mey

Dort hinein wird bis zur „Deichkante“ Wasser eingelassen. Der Mobildeich ist, bis auf kleinere Rinnsale, dicht. Das wird zudem verdeutlicht, indem das Gewicht von einer Tonne aus sechs Metern in das Becken fallen gelassen wird, das erzeugt eine starke Druckwelle und sogenannte „Überströmung“. Doch der Schutz hält, auch dank der stabilen Netzhülle und einer verstärkten Dichtplane. Die Barriere schwimmen nicht weg, und sie sind auch robust genug, um Treibgut abzufedern, wie etwa große Holzbalken. Im Katastrophenfall würden die Module mit dem Flutwasser gefüllt, beispielsweise vor Wohnhäusern oder wichtiger Infrastruktur, entlang Straßen oder auf Deichen verlegt.

Schleswig-Holstein bestellt Mobildeiche für 500.000 Euro

Es gebe Überlegungen in Schleswig-Holstein, so Daniel Günther, „wie man sich besser vorbereiten kann, was es für Techniken gibt, um den Schutz besser aufzustellen. Dafür bietet Mobildeich wichtige Maßnahmen“. Und, das ist eine Neuigkeit: „Darauf greifen wir als Land zukünftig zurück.“ Ein Auftrag „über ein Volumen von fast einer halben Million Euro“ sei erteilt worden. Das entspricht einer Länge von ungefähr 500 Metern bei einer Höhe von einem Meter, „um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein“. Bis Ende 2024 sollen die Mobildeiche ausgeliefert sein.

In der Praxis werden diese andernorts längst angewendet: In Braunschweig, in Wolfenbüttel, auch andere größere Städte wie München, Düsseldorf, Duisburg oder Trier setzen das System ein, seit 2019 haben nach Firmenangaben die Mobildeiche in der Schweiz „Millionenschäden verhindert“. Ganz frisch als Kunde hinzugekommen ist auch das Ostseebad Damp, wo im Ernstfall die Rehaklinik geschützt werden soll.

Daniel Günther im Gespräch mit Mobildeich-Geschäftsführer Walter Wagenhuber, Bürgermeisterin Ulrike Schmidt und dem Landtagsabgeordneten Ole-Christopher Plambeck.
Daniel Günther im Gespräch mit Mobildeich-Geschäftsführer Walter Wagenhuber, Bürgermeisterin Ulrike Schmidt und dem Landtagsabgeordneten Ole-Christopher Plambeck. © Christopher Mey | Christopher Mey

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Mobildeich in Henstedt-Ulzburg: „Umsatz vervierfacht“

Walter Wagenhuber und Vertriebsleiterin Stephanie Kock rechnen vor: 100 Meter Länge und ein Meter Höhe, das wären 14.000 Sandsäcke in 47 Lkw-Ladungen, dafür bräuchte man 350 Helfer, also elf Busse voll. Oder: Vier Helfer, eine Pumpe, drei Mobildeich-Module, einen Pkw mit Anhänger oder einen Container, der gleich 280 Meter Schlauch fasst.

Man muss kein Prophet sein, sondern nur die Meldungen dieses Sommers gelesen haben: Extremwetterereignisse werden immer mehr, nicht nur an Küsten, sondern insbesondere auch an Flüssen kann es schnell zu schlimmen Flutkatastrophen kommen. Die Anfragen bei Mobildeich nehmen stark zu. „Wir haben den Umsatz von 2023 auf 2024 vervierfacht“, so Walter Wagenhuber. Sieben Patente hält das Unternehmen auf sein Verfahren. Und, das wird Daniel Günther gerne gehört haben: „Alle Materialien kommen aus Europa“, sagt Stephanie Kock, „es wird in Schleswig-Holstein produziert, und das soll auch so bleiben“.