Nehms/Berlin. Ein Richter verurteilte die Frau aus dem Kreis Segeberg zu 16 Monaten Gefängnis ohne Bewährung. In Flensburg wartet bereits die nächste Anklage.
- Miriam Meyer aus dem Kreis Segeberg wurde vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu 16 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
- Sie habe sich im Prozess erneut als hauptberufliche Klimaaktivistin bezeichnet, keine Reue für ihre Taten gezeigt und bekundet, weiterhin für die Letzte Generation Aktionen zu planen.
- Staatsanwaltschaft und Verteidigung legten Berufung ein. Doch in Flensburg erwartet die 32-Jährige bereits die nächste Anklage.
Eine der tatkräftigsten Unterstützerinnen der Vereinigung „Letzte Generation“ kommt aus dem kleinen Örtchen Nehms im Kreis Segeberg. Miriam Meyer (32) bezeichnet sich selbst als hauptberufliche Klimaaktivistin, hat ihr Studium des Tibetischen Buddhismus unterbrochen und widmet sich seit Jahren dem zivilen Ungehorsam und Widerstand, teilweise in spektakulären Aktionen.
Am 17. Juli stand Miriam Meyer für zehn ihrer Protestaktionen vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten. Und sah sich dem Richter Manfred Plümacher gegenüber, der sich an diesem Prozesstag offenbar dazu entschieden hatte, ein Exempel zu statuieren. Denn entgegen der Forderung der Staatsanwaltschaft, Meyer mit 270 Tagessätzen á 15 Euro (4050 Euro) laufen zu lassen, brummte Plümer der Klimaaktivistin eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten auf. Ohne Bewährung.
Letzte Generation: Miriam Meyer bezeichnet sich vor Gericht als hauptberufliche Klimaaktivistin
Berücksichtigt wurden in dem Urteil diverse Straßenblockaden, bei denen sich Meyer auch festklebte und somit Widerstand gegen die Vollstreckungsbeamten leistete, in vier Fällen wurde ihr gemeinschaftliche Nötigung vorgeworfen. Außerdem wurde Meyer wegen Sachbeschädigungen verurteilt, weil sie jeweils einen Prada-Laden auf dem Berliner Kurfürstendamm und das Gebäude des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr an der Invalidenstraße in Berlin mit oranger Farbe besprüht hatte.
Wie eine Sprecherin des Gerichtes bestätigte, hatte sich Miriam Meyer vor Gericht erneut als hauptberufliche Klimaaktivistin bezeichnet, keine Reue für ihre Taten gezeigt und bekundet, weiterhin für die Letzte Generation Aktionen zu planen. Was Richter Plümacher in seiner Urteilsfindung dazu veranlasste, ihr auch keine Bewährung zuzugestehen. Dass er aber überhaupt eine Haftstrafe ansetzte, sorgte im juristischen Berlin für Aufsehen.
Urteil gegen Miriam Meyer: Staatsanwaltschaft und Verteidigung legen Berufung ein
Denn bislang zeigte sich die Berliner Justiz in den vielen gegen die Letzte Generation und ihre Aktivistinnen und Aktivisten anhängigen Prozesse zurückhaltend mit Haftstrafen. Wie die Amtsgerichtssprecherin bestätigt, ist das Urteil auch noch nicht rechtskräftig. Es wandert in die Berufungskammer beim Landgericht Berlin.
„Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung haben Berufung gegen das Urteil eingelegt“, sagt die Gerichtssprecherin. Wie man aus Justizkreisen hört, gilt es als wahrscheinlich, dass das Urteil in der nächsten Instanz keinen Bestand haben wird. Ob die Klimaaktivistin Miriam Meyer also tatsächlich irgendwann in Haft muss, ist fraglich.
Meyer reagierte mit einem Post auf Instagram auf das Urteilt: „Der Richter hat mich mehrmals in der Einlassung unterbrochen, hat als Vergleich Beispiele herangezogen wie Drogenhandel, Raubüberfälle im Park und Terrorismus. Wir haben daraufhin einen Befangenheitsantrag gestellt, der als unbegründet abgelehnt wurde.“
Zehn Monate Freiheitsstrafe habe sie allein für eine Blockade bekommen, obwohl ein Video im Gerichtssaal gezeigt habe, dass Autos problemlos passieren konnten, kritisierte Meyer. „Es macht mich gerade sehr traurig, dass unsere Justiz lieber mich einsperrt, für friedlichen Protest, als sich damit zu beschäftigen, wie zur Hölle wir aus dieser Krise herauskommen.“
Letzte Generation: Nächster Prozess gegen Meyer wartet in Flensburg
Während der Berliner Prozess gegen Miriam Meyer in die Berufung geht, wartet in Flensburg bereits die nächste Anklage gegen die 32-Jährige aus Nehms. Die Staatsanwaltschaft Flensburg ermittelt wegen der Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung nach dem Paragrafen 129 im Strafgesetzbuch (StGB) gegen Meyer. Sieben Aktionen umfasst die Anklage.
Darunter sind Manipulationen an einer Rohöl-Pipeline und das gewaltsame Eindringen in die Sicherheitsbereiche der Flughäfen in München, Berlin-Brandenburg und Sylt. Im Juni 2023 hatten Meyer und andere Aktivisten einen Privatjet auf dem Flughafen in Tinnum mit oranger Farbe besprüht.
Außerdem waren sie auf das Gelände des Golfplatzes Budersand in Hörnum eingedrungen und hatten das Grün umgegraben. Der Schaden soll sich laut Staatsanwaltschaft im vier- bis siebenstelligen Euro-Bereich bewegen.
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Falls Meyer in diesem Prozess verurteilt werden sollte, drohen ihr theoretisch bis zu fünf Jahre Haft. Allerdings hat bislang noch kein deutsches Gericht auf Basis des Paragrafen 129 die „Letzte Generation“ als kriminelle Vereinigung eingestuft.
Klimaaktivistin Miriam Meyer: Alles begann 2021 in Bad Segeberg
Wie auch immer der Prozess verlaufen wird: Miriam Meyer erhält die volle Unterstützung ihrer Organisation. „Die Anklage in Flensburg mag sich gegen nur eine von uns richten. Miriam Meyer soll ganz allein vor Gericht gezerrt werden. Gemeint sind wir alle. Und vor allem: betroffen sind wir alle“, heißt es in einer Mitteilung auf Instagram zur Anlageerhebung in Flensburg. Das Vorgehen der Justiz sei der Versuch, die Klimagerechtigkeitsbewegung als Ganzes klein zu halten. „Dieser Versuch, friedlichen Protest zu kriminalisieren, wird scheitern.“
Der Weg von Miriam Meyer in den „Klima-Widerstand“ begann im Mai 2021, als sie sich in Bad Segeberg auf der Kurhausstraße auf einen Zebrastreifen setzte und ein Schild hochhielt: „Ich habe Angst, dass große Teile der Erde unbewohnbar werden.“ Es folgten Razzien im Elternhaus in Nehms und viele weitere Aktionen für die „Letzte Generation“, für die sie in Bayern auch schon zweimal in Haft saß. Ganz gleich, wie die aktuellen juristischen Auseinandersetzungen für die 32-Jährige ausgehen werden – in ihrem Handeln scheint sie unbeirrbar.