Kreis Segeberg. Segeberger Allgemeinmediziner verzichtet auf den klassischen Empfang. Warum der „Self-Check-Inn“ ein Modell für die Zukunft ist.

Sich mit der elektronischen Gesundheitskarte selbst beim Arzt einchecken, ganz ohne Medizinische Fachangestellte (MFA) am Empfang – das kann ein Modell für die Zukunft in den Praxen sein. „Damit lassen sich Personal, Geld und Zeit sparen“, sagt Svante Gehring, Vorsitzender der Ärztegenossenschaft Nord, der eine Gemeinschaftspraxis am Herold-Center in Norderstedt betreibt. Aber: Die digitale Anmeldung müsse barrierefrei für alle Altersgruppen und auch für ausländische Patienten geeignet sein.

„Wir begrüßen alle Ideen, die die organisatorische Arbeit der MFA entlasten“, sagt auch Nikolaus Schmidt, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). Bisher gebe es allerdings wenig Erfahrungen mit einem solchen Modell. Einzelne Berichte, die die KVSH in Bad Segeberg erreichten, führten aber zu der Vermutung, dass mehrere Praxen im Norden eine Umstellung der Praxen mit „Self-Check-In“ wie am Flughafen andenken.

Die digitale Arztpraxis – hier checkt der Patient selbst ein

Dr. Svante Gehring, Sprecher der Ärztegenossenschaft Nord, hält den Verzicht auf den klassischen Empfangstresen für ein Zukunftsmodell.
Dr. Svante Gehring, Sprecher der Ärztegenossenschaft Nord, hält den Verzicht auf den klassischen Empfangstresen für ein Zukunftsmodell. © Privat | Privat

Zu den Pionieren zählt Heiko Lehmann. Der Allgemeinmediziner in Bad Segeberg verzichtet auf den klassischen Empfangstresen. Ein bis zwei MFA, „die mit mehreren Telefonhörern und Patienten gleichzeitig jonglieren“, fand er einfach nicht mehr zeitgemäß. Zu viel Stress, zu wenig Diskretion. Ganz wichtig ist ihm, dass durch die Modernisierung und Digitalisierung niemand entlassen worden sei. Die MFA hätten mehr Zeit für die eigentliche, medizinische Arbeit an den Patienten, die das neue System überwiegend positiv aufgenommen hätten.

Die Patiernten oder Patientinnen lesen an einem Gerät ihre Versicherungskarten ein, nach ein paar Klicks auf dem Touchscreen können sie im Wartezimmer Platz nehmen. Allerdings: So ganz ohne echten menschlichen Kontakt geht es dann auch nicht – bei Bedarf ist der kleine Tisch hinter dem Eingang mit MFA besetzt, telefoniert wird aber ausschließlich im Backoffice.

„Ich wollte eine moderne und patientenorientierte Praxis schaffen“

Die Software der Praxis zeigt an, dass Patient oder Patientin da sind, eine Mitarbeiterin kann ihn oder sie digital aufrufen. Nach Anfangsschwierigkeiten habe man sich im Team an das neue System schnell und genauso gewöhnt wie die Patienten. Die Arbeitsabläufe seien effektiver geworden, die Atmosphäre entspannter.

„Ich wollte eine moderne und patientenorientierte Praxis schaffen“, sagt Mediziner Lehmann. Ganz wichtig ist ihm, dass durch die Modernisierung und Digitalisierung niemand entlassen worden sei. Die MFA hätten mehr Zeit für die eigentliche, medizinische Arbeit an den Patienten, die das neue System überwiegend positiv aufgenommen hätten.

Der digitale Check-In bringt für die Patienten mehr Diskretion

Patienten checken mit der elektronischen Gesundheitskarte selbst ein - das könnte die Zukunft in den Arztpraxen sein.
Patienten checken mit der elektronischen Gesundheitskarte selbst ein - das könnte die Zukunft in den Arztpraxen sein. © dpa-tmn | Alexander Heinl

Die Idee zur „Praxis ohne Empfang“ kommt aus Kiel. Das Unternehmen Medical Management Partner hat sich auf die Beratung von Arztpraxen spezialisiert. Geschäftsführer André Bernert erklärt, warum er in der „Praxis ohne Empfang“ das Modell der Zukunft sieht: „Hauptsächlich, weil der Arbeitsplatz Empfang nicht die nötige Ruhe und Diskretion bietet, um als MFA effizient und ungestresst zu arbeiten.“

Auch für Patienten sei es mit steigender Fülle in den Praxen zunehmend unangenehm, indiskret und oft auch unfreundlich empfangen zu werden. Daher brauche es eine räumliche Neuordnung im Sinne der Patienten und der Mitarbeitenden.

Die digitale Arztpraxis – hier checkt der Patient selbst ein

Die Ärztekammer Schleswig-Holstein bewertet das moderne System positiv: „Alle Maßnahmen, die den Praxisablauf für Personal und Patienten erleichtern, sind grundsätzlich zu begrüßen. Ein Self-Check-In kann helfen, das Praxispersonal zu entlasten und Wartezeiten für Patienten zu verkürzen“, sagt Nicole Brandstetter, Sprecherin der Ärztekammer.

Wichtig dabei sei eine intuitive Handhabung des Touch-Screens beim Einchecken – und dass Patienten, die nicht technikaffin sind, nicht abgehängt werden. Ebenso bedeuten sei, dass das Terminal mehrsprachig angewählt werden kann und über eine zuverlässige Software verfügt. 

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Ein digitaler Empfang könne auch helfen, den Fachkräftemangel abzufedern. Wie in vielen Arbeitsbereichen fehlen auch in den Arztpraxen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. „Inzwischen müssen viele Praxisinhaber Sprechzeiten reduzieren oder schließen, weil sie kein Personal mehr haben. Gerade größere Praxen oder Medizinische Versorgungszentren müssen eine gute Praxisorganisation haben“, sagt die Sprecherin der Ärztekammer.