Kisdorf. Der Sportbetrieb im Dorf ist stark beeinträchtigt – warum die Lage in Kisdorf so verfahren ist, was die Bürgermeisterin sagt.
Es brodelt in Kisdorf. „Die Menschen im Dorf engagieren sich durchaus für Geflüchtete“, sagt Dominik Fseisi, der Trainer der Verbandsliga-Fußballer des SSC Phoenix und Vater von zwei sportlichen Kindern, „die Situation für die sporttreibende Bevölkerung ist extrem unbefriedigend. Ich wohne seit 2011 hier, jeder engagiert sich für die Gemeinschaft. Aber das geht nur bis zu einer gewissen Grenze, bezüglich der politischen Vorgänge herrscht eine gereizte Stimmung.“
Sportvereine erfüllen wichtige Aufgaben: Sie sind Orte der Begegnung, Kinder und Jugendliche lernen und üben hier soziales Verhalten ein, sie erleichtern die Integration von ausländischen Mitbürgern. Clubs bieten Spiel- und Bewegungsangebote für Menschen aller Altersstufen, sind der soziale Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.
Existenzkampf: Konkurrenz aus Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen ist groß
In der Gemeinde Kisdorf ist dieser Kitt am Zerbröseln; die Sportvereine BSV und SSC Phoenix stehen vor großen Herausforderungen. Fseisi formuliert es zugespitzter: „Es geht um die Existenz, die Konkurrenz aus Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen ist groß.“
Ob Basketball, Badminton, Handball, Pilates, Turnen, Rückenschule, Yoga oder Zumba: Beim Breitensportverein Kisdorf findet Sport überwiegend in der Halle statt. Aktuell steht im Ort aber keine zur Verfügung. In der große Mehrzweckhalle „Ole Vogtei“ brachte die Gemeinde Geflüchtete unter. Aus der für einen kurzen Zeitraum vorgesehenen provisorischen Lösung wurden eineinhalb Jahre.
Mehrzweckhalle „Ole Vogtei“ konnte lange nicht genutzt werden
Auch in der „Kleinen Grundschulhalle“ finden keine Kurse mehr statt, das marode Gebäude wird gerade abgerissen. Dass in den vergangenen Monaten überhaupt noch ein Trainings- und Spielbetrieb möglich war, lag an den Hallenzeiten in Kattendorf und Kaltenkirchen, die BSV-Vereinschef Bernd Schenkel ergattert hatte.
Dafür und für die Nutzung des Tanzsaals in Kisdorf zahlt der BSV jeden Monat mehr als 2000 Euro. Wegen der Hin- und Herfahrerei zu den Trainingsstätten, aber auch, weil einige Angebote nicht wie gewohnt stattfinden konnten, hat der Verein Mitglieder verloren. „Wir hatten über 800, davon über die Hälfte Kinder“, sagt Bernd Schenkel, „jetzt sind es noch 711, die Mehrzahl Erwachsene.“
Breitensportverein Kisdorf klagt über Mitgliederschwund
Insbesondere Austritte im Eltern-und- Kind-Turnen würden den Verein schwer treffen. „Das ist unsere Basis, dort werden Kinder ausgebildet, die dann in andere Sparten wechseln. Aber falls wir Anfang August die ,Ole Vogtei‘ zurückbekommen, wäre alles halbwegs okay.“
Diese Hoffnung des BSV-Vorsitzenden, der sein Ausscheiden aus dem Amt zum Jahresende angekündigt hat, wird sich nicht erfüllen. Aber: Die neue Kisdorfer Bürgermeisterin Birga Kreuzaler (CDU) hat mitgeteilt, dass die „Ole Vogtei“ dem Schul- und Vereinssport nach dem Ende der Sommerferien wieder zur Verfügung stehen soll. Für die zwölf Geflüchteten, die dort zuletzt untergebracht waren, wurden andere Unterkünfte gefunden.
SSC Phoenix Kisdorf fehlen Spiel- und Trainingsmöglichkeiten
Beim SSC Phoenix Kisdorf, einem über 400 Mitglieder starken reinen Fußballverein, ist das Hauptproblem seit Jahren bekannt. Es fehlt an Spiel- und Trainingsmöglichkeiten, ein dritter spielfähiger Platz muss her. Zwölf Jugend- und fünf Herrenteams teilen sich auf der gemeindeeigenen Sportanlage am Strietkamp die beiden Rasenplätze, von denen nur einer mit Flutlicht ausgestattet ist.
Immerhin kann der jüngste Nachwuchs, die G- und F-Jugend, auf einerRasenfläche im Eingangsbereich der Anlage trainieren. Der verwahrloste Grandplatz dient nur noch zum Abstellen von Autos. Ein 2019 vom SSC Phoenix Kisdorf gemachter Vorschlag, den Grandplatz mit Hilfe verschiedener finanzieller Förderungen und Eigenleistungen preiswert in einen Kunstrasenplatz umzuwandeln, fand in der damaligen Gemeindevertretung keine Mehrheit.
Es gibt Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen Verein und Gemeinde
Die Vereinsverantwortlichen standen also auch in diesem Jahr wieder einmal vor der Situation, die beiden Rasenplätze rechtzeitig zum Saisonstart auf Vordermann zu bringen. Laut Nutzungsvertrag zwischen Gemeinde und Verein muss sich der SSC Phoenix um die Unterhaltung der Plätze kümmern. Dafür gibt’s einen Unterhaltszuschuss.
Die Kosten für Sanierungsarbeiten, Wasser, Abwasser und Bewässerung muss die Gemeinde tragen. Diese Aufgabenteilung klappt nicht immer, die 15.000 Euro teure Sanierung der Rasenplätze 2021 zahlte der SSC aus eigener Tasche. Die Summe hatten Mitglieder und Unterstützer in einer Crowdfunding-Aktion aufgebracht.
Sportanlage am Strietkamp: Es gibt Fragen über Fragen
Um bei der Bewässerung Geld zu sparen – am Strietkamp werden die Plätze noch mit Trinkwasser berieselt – wurde die Idee entwickelt, dort einen Brunnen zu bauen und Grundwasser für die Bewässerung zu nutzen. Dafür ist eine Erlaubnis vom Kreis erforderlich. Bei der Durchsicht der Akten fiel der Verwaltung in Bad Segeberg auf, dass irgendetwas nicht stimmte. In den Unterlagen fehlt offenbar eine offizielle Abnahme der in den 1980er-Jahren eingeweihten Sportanlage.
Doch wann wurde der Bauantrag genehmigt? Wie viele Sportplätze, Gebäude und Stellplätze umfasst die Genehmigung? War eine Abnahme damals überhaupt erforderlich? Gelten bei einer nachträglichen Abnahme die früheren Regeln oder die heutigen Anforderungen? Fragen über Fragen. „Die Genehmigungslage wird aktuell zusammen mit dem Amt Kisdorf geprüft“, sagte Sabrina Müller, Sprecherin des Kreises Segeberg. „Das kann noch bis Ende dieser Woche andauern.“
Ein Lärmgutachter hat seine Arbeit aufgenommen
Müsste die Sportanlage nach den heute geltenden Bestimmungen abgenommen werden, wären Lärm- und Lichtgutachten erforderlich. Ein Lärmgutachter hat bereits seine Arbeit aufgenommen. Von seiner Expertise wird abhängen, ob der Spiel- und Trainingsbetrieb am Strietkamp wie bisher weiterlaufen kann oder ob Einschränkungen drohen..
Unterstützung für den SSC Phoenix, der ohne eigenes Verschulden in diese Lage geraten ist, kommt von der Bürgermeisterin: „Es ist mir ein Herzenswunsch, für die Fußballer des SSC Phoenix Kisdorf das ,Projekt Kunstrasenplatz‘ so schnell wie möglich voranzutreiben“, sagte Birga Kreuzaler, „am liebsten wäre es mir, wenn wir noch in meiner Amtszeit in die Umsetzung am Strietkamp gehen könnten. Die jährliche Sanierung der Rasenplätze sowie das Wässern in den Sommermonaten verschlingen sehr viel Geld und sind zudem ökologisch nicht mehr zeitgemäß.“
Existenzkampf: Warum die Lage in Kisdorf so verfahren ist
Wegen der Nutzung der Mehrzweckhalle „Ole Vogtei“ als Unterkunft für Geflüchtete konnte dort weder Schul- noch Vereinssport stattfinden.
Wer hat den Standort ausgesucht? Die Gemeinde und das Amt Kisdorf? „Korrekt“, bestätigt Sabrina Müller, Sprecherin des Kreises Segeberg.
„Dabei hätte es für die Unterbringung der Flüchtlinge durchaus Alternativen gegeben“, sagt Bernd Schenkel, Vorsitzender des
711 Mitglieder starken BSV, „zum Beispiel die Aufstellung von Containern.“ Doch für deren Ankauf war kein Geld vorhanden. Warum?
Die Gemeinde verfügt seit über zwei Jahren nur über einen vorläufigen Haushalt. Der inzwischen verstorbene frühere Leiter des Amts Kisdorf hatte es zwischen 2015 und 2020 versäumt, Jahresabschlüsse zu erstellen. Bis das nachgeholt ist, dürfen alle neun Kommunen im Amt ihre Mittel nur noch für Pflichtaufgaben ausgeben.
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Bis Ende 2023, so die Hoffnung aller Beteiligten, könnten die fehlenden Jahresabschlüsse erstellt werden. Doch es drohen weitere Verzögerungen. Das Amt Kisdorf lässt sich, um die Jahresabschlüsse schnell nachzuholen, von externen Experten beraten.
Ob hierfür eine Ausschreibung erforderlich war oder ob vergaberechtliche Bestimmungen bewusst umgangen oder missachtet wurden, wird von der Justiz untersucht.
Nach Auskunft des Kieler Oberstaatsanwalts Henning Hadeler führt die Staatsanwaltschaft Kiel ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges gegen einen Mitarbeiter des Amts und zwei Mitarbeiter des beteiligten Unternehmens.