Norderstedt. In Norderstedt hat der Verein ein Angebot gestartet, bei dem unterschiedlichste Menschen zusammen kicken können. Ein Besuch.
Es gibt kaum etwas, das, sportlich gesehen, Menschen so verbinden kann wie der Fußball. Aber es ist nicht immer so einfach, jemanden zum Kicken zu finden. Zu einer Mannschaftssportart gehören eben stets einige Gleichgesinnte, sonst funktioniert es nicht. Und genau das ist der Gedanke hinter Walking Football – so, wie es nun auch beim Hamburger SV auf der Paul-Hauenschild-Sportanlage in Norderstedt gerade entsteht.
Hier können unterschiedlichste Fußballer – und auch Fußballerinnen – zusammen zwanglos aktiv sein. „Fußball im Gehen“, übersetzt es Jean Künzel, der das noch sehr junge Sportangebot leitet. In der Ruhe, in der Besonnenheit liegt die Kraft. „Darauf kommt es an – dass man geht und nicht läuft. Durch die langsameren Bewegungen nehmen wir viel an Verletzungsgefahr raus. So können viele Menschen mitmachen, die ansonsten nicht Fußball spielen würden, weil sie entweder schon älter sind, Verletzungen hatten, oder einfach ohne Risiken in einer Gemeinschaft sein und den Ball spielen wollen.“
„Offen für alle“: So funktioniert Walking Football beim HSV
Künzel ist ein gutes Beispiel. „Früher habe ich in meiner Heimat, in Lüchow-Dannenberg, für den VfL Breese/Langendorf und den MTV Dannenberg gespielt, hauptsächlich Kreisliga. Ich hatte ein paar Knieverletzungen, Kreuzbandgeschichten und so weiter, dann war irgendwann nach den ganzen OPs auch die Motivation raus, sich das nochmal anzutun, nochmal eine Verletzung zu bekommen. Dann habe ich eine ganze Zeit nichts gemacht.“
Dann stieß seine Frau zufällig auf das Angebot eines lokalen Clubs. Die erste Einheit im Walking Football war nicht mehr weit. „Das waren 1,5 Stunden in der Halle, noch beim VfL Jesteburg in der Spielgemeinschaft mit Bendestorf, im Harburger Raum. Danach lag ich erstmal drei Tage in der Ecke mit Muskelkater. Zu der Zeit gab es in Hamburg vielleicht drei Vereine, die das angeboten haben.“
Dabei ist der Bedarf vorhanden. „Insbesondere viele ältere Menschen, die früher Fußball gespielt haben, haben keine Lust auf das Fitness-Studio. Da zähle ich mich auch zu. Ich brauche irgendwas mit Ball, und da ist Walking Football genau das Richtige. Es gibt viele Leute, die wir im Vereinsfußball verlieren, die sich verletzen, dann aufhören und weg sind. Die erreichen wir mit solchen Angeboten. Es geht nicht um eine Altersgrenze, mit der es ursprünglich angefangen hat. Wir spielen ab 16 Jahren und inklusiv, ohne Geschlechtertrennung oder Altersbeschränkung.“
Hamburger SV: Der Trainer ist ein promovierter Sportwissenschaftler
Beim HSV ging es im August los. „Mir gefällt es, etwas von Null aufzubauen“, sagt Trainer Dr. Pawel Kalinowski, ein promovierter Sportwissenschaftler. Er war schon Scout für die polnische Nationalmannschaft, hat beim Projekt der Amputierten-Nationalmannschaft in seinem Heimatland mitgearbeitet. „Ich mag die Inklusion, habe das Angebot des HSV bekommen, es war ein bisschen herausfordernd. Viel ist der olympische Gedanke, dabei sein ist alles. Die Integration und Sport für die Gesundheit sind für mich als Wissenschaftler auch sehr interessant.“
Die Regeln haben zudem einige Besonderheiten, erklärt Jean Künzel. „Wir spielen sechs gegen sechs, ohne Torwart oder Torfrau. Im Kader sind maximal zwölf Akteure, sonst wird das irgendwann Chaos mit dem Durchwechseln. Die Spielzeit beträgt 60 Minuten, entweder zweimal 30 oder viermal 15. Manchmal können viermal 15 Minuten besser sein, um zwischendurch mehrere Pausen zu haben.“
Ein einheitliches Regelwerk gibt es (noch) nicht. International wird auf größere Tore gekickt, auch mit Keeper. „In Hamburg sind die Tore drei Meter breit und einen Meter hoch, ohne Torleute.“ Zweikämpfe und Körperkontakt sind zwar erlaubt. Aber: Von hinten darf man nicht reingehen, auch nicht den Ball durch die Beine stibitzen, das ist wegen der Verletzungsgefahr verboten.“
Um das zu überwachen, gibt es auch Schiedsrichter. „Aber der Unterschied zwischen laufen und gehen ist echt schwierig zu sehen. Langfristig wäre meine Empfehlung, mindestens zwei Schiedsrichterinnen oder Schiedsrichter zu haben.“ Denn abseits des Ballgeschehens werden Räume gerne einmal schnell zugelaufen – das geht natürlich nicht.
Walking Football: Das Tor ist leer – aber trotzdem nicht einfach zu treffen
Auf das – bekanntlich leere – Tor darf erst ab der Mittellinie geschossen werden. Wer präzise zielt, kann so durchaus glänzen. „Daher ist der zentrale Verteidiger entscheidend.“ Abseits gibt es nicht. Freistöße sind indirekt, Strafstöße von der Mittellinie auf das leere Tor. Und auch ein Entscheidungsschießen gibt es – das ist ziemlich anspruchsvoll. Von einer Ecke wird der Ball zur Spielfeldmitte gepasst, von dort muss direkt abgezogen werden.
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Wie gut das klappt, wird der HSV in der ersten Walking-Football-Liga testen, die nach der Sommerpause in Hamburg stattfinden wird – geplant sind Turnierwochenenden. Insgesamt zehn Teams sind dabei.
Hamburger SV: Ob Ligafußball oder nicht – alle dürfen mitmachen
„Man sollte Bock haben auf das soziale Miteinander, über die Generationen hinweg, darauf, fair mit dem Ball zu spielen, das ist das Wichtigste. Man kann Ehrgeiz haben und Bock auf Ligafußball, muss man aber nicht. Hier spielen wir alle bunt gemischt. Es geht darum, Spaß zu haben und nach dem Training auch mal ein Kaltgetränk zu trinken. Niemand muss sich Gedanken machen, hier nicht reinzupassen. Es ist offen für alle.“
Training auf der Paul Hauenschild-Anlage ist derzeit immer sonntags, alle zwei Wochen, um 11 Uhr, das nächste Mal am 9. Juli. „Man kann einfach vorbeikommen, Treffen ist eine Viertelstunde vorher beim Restaurant Tunici’s. Vorher Bescheid geben wäre aber super, da reicht eine kurze Info.“
Kontakt: sport@hsv.de, oder Jean Künzel über Facebook anschreiben.